Auf "Agentenjagd"

Strasser kühn: “Diese Schweine hol’ ich mir!”

Österreich
11.01.2013 14:05
"Diese Schweine hol' ich mir!" - So soll der ehemalige Innenminister und EU-Delegationsleiter Ernst Strasser gegenüber seiner Lebensgefährtin den Kontakt mit den britischen Enthüllungsjournalisten kommentiert haben, wie die Frau am Freitag vor Gericht aussagte. Neben starken Worten hatte der voraussichtlich vorletzte Prozesstag auch ein ominöses Fax zu bieten, mit dem offenbar die Einvernahme der Briten verhindert hätte werden sollen. Einer früheren Assistentin Strassers droht zudem ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage.

Im Zeugenstand war am Freitag unter anderem Elisabeth K., die Lebensgefährtin des Angeklagten. Sie unterstützte Strassers These, einem Geheimdienst-Komplott auf der Spur gewesen zu sein. "Diese Schweine hol' ich mir!", soll ihr Lebensgefährte über die vermeintlichen Lobbyisten gesagt haben, die die Bestechungsaffäre ins Rollen gebracht hatten. Wie die Frau weiter erzählte, sei ihr Lebensgefährte bereits in seiner Zeit als Innenminister "Zielobjekt" eines Geheimdienstes gewesen.

"Was soll's denn sonst sein außer a Dienst?"
Damals sei Strasser vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) "schmählich" im Stich gelassen worden. Im Fall der Enthüllungsjournalisten sei ihm daher klar gewesen, dass er für seinen Verdacht "hieb- und stichfeste Beweise" brauche. Er sei felsenfest davon überzeugt gewesen, an Geheimagenten geraten zu sein: "Was soll's denn sonst sein außer a Dienst?", habe Strasser in Bezug auf die fiktive Lobbying-Agentur Bergman & Lynch gemeint.

BVT: Kein konkretes Bedrohungsszenario
Laut den ebenfalls am Freitag einvernommenen Zeugen vom BVT habe sich Elisabeth K. "besorgt gezeigt über das strategische Umfeld von Doktor Strasser". Von "Unregelmäßigkeiten" und einem russischen Nachrichtendienst sei die Rede gewesen. Strasser sei aufgrund seiner damaligen politischen Funktionen theoretisch von Interesse für einen Nachrichtendienst gewesen. Der Verdacht habe sich jedoch nicht erhärtet, es sei "nichts Konkretes dabei gewesen".

Aufregung um anonymes Fax
Bereits vor der Aussage von K. hatte am Freitag mehrfach Aufregung im Gerichtssaal geherrscht. Ein Briefschreiber hatte offenbar versucht, die geplante Einvernahme der britischen Enthüllungsjournalisten zu verhindern, wie Richter Georg Olschak bekannt gab. Das Fax war mit dem Vermerk "Dringend" an den englischen Anwalt der Journalisten geschickt worden - undatiert und anonym. Der Absender behaupte darin fälschlicherweise, die Ermittlungen gegen die Journalisten Claire Newell und Jonathan Calvert wegen Missbrauchs von Aufnahme- und Abhörgeräten wären nicht eingestellt. Strasser würde laut dem Schreiben eine zweite Anklage gegen die beiden vorbereiten.

Derzeit ist unklar, woher die Falschinformationen stammen. Strasser betonte, mit der Angelegenheit nichts zu tun zu haben. "Offen gestanden: Mir ist es egal, ob die Journalisten aussagen", sagte der Angeklagte. Er hatte zwar beantragt, dass das österreichische Verfahren gegen Newell und Calvert fortgesetzt wird, der Antrag liegt dem Richter-Senat jedoch noch nicht vor. Strassers Anwalt Thomas Kralik erklärte, seines Wissens gebe es keine zweite Anzeige von Strasser gegen die Journalisten.

Ex-Assistentin soll falsch ausgesagt haben
Wie am Freitag außerdem bekannt wurde, dürfte auf eine ehemalige Assistentin Strassers ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage zukommen. Die 31-Jährige hatte im vergangenen Dezember bei ihrem ersten Zeugenauftritt erklärt, sie habe nach Auffliegen der Bestechungsaffäre im März 2011 keinen Kontakt zu Strasser gehabt.

Das ist nachweislich falsch: Wie das Bundesamt zur Korruptionsprävention und -bekämpfung (BAK) herausfand, gab es allein zwischen 31. März und 10. April 2011 neun Telefonate und zwölf SMS zwischen der Frau und ihrem ehemaligen Chef. Staatsanwältin Alexandra Maruna vermutet, Strasser könnte bei diesen Gesprächen auf seine frühere Assistentin eingewirkt haben. Ihre Aussagen legen diesen Schluss nahe: Bei der ersten polizeilichen Befragung hatte die 31-Jährige nichts von angeblichen Geheimdienst-Warnungen Strassers erwähnt. Beim zweiten Termin hatte sie die Äußerungen dann von sich aus ins Spiel gebracht - nach den Telefonaten mit Strasser.

"Nur kleine Büroarbeiten"
Am Freitag beteuerte die Frau, mit ihrem früheren Chef nach dessen Rücktritt nur Harmlosigkeiten besprochen zu haben: "Er hat mir gesagt, wo seine Ordner stehen. Er hat nur kleine Büroarbeiten haben wollen." Außerdem habe er ihr zum Geburtstag gratuliert und gesagt, dass sie ihren dienstlichen Computer kaufen dürfe. Die Assistentin habe Strasser wiederum erklärt, "wie sein Handyvertrag funktioniert". Zu persönlichen Treffen sei es nicht mehr gekommen.

BAK hört mit: "Die Kerstin tan's bös behandeln"
Die Telefongespräche waren vom BAK abgehört worden. In den Mitschnitten ist unter anderem zu hören, wie Strasser über den Umgang der Polizei mit einer anderen Assistentin sagte: "Die Kerstin tan's bös behandeln, die Schweine. Deshalb wollte ich mit dir reden." Bei ihrer Einvernahme am Freitag wollte sich die Zeugin nicht mehr erinnern, ob es zu einem Treffen gekommen ist.

Fahrplan wankt
Ob der Prozess wie geplant am Montag zu Ende gehen kann, steht nach den jüngsten Entwicklungen nicht fest. Strasser-Anwalt Kralik beantragte am Freitag die Verschriftlichung sämtlicher Telefonprotokolle. Darüber entscheidet der Senat erst am Montag. Außerdem wünscht Kralik für Montag die Ladung eines weiteren Zeugen: Neben den britischen Journalisten, die per Videokonferenz zugeschaltet werden sollen, soll ein ranghoher österreichischer Polizist aussagen. Der Verhandlungsbeginn wurde um eine halbe Stunde vorverlegt.

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