Zerwürfnis mit SPÖ

Glawischnig: “Man kann es ruhig Eiszeit nennen”

Österreich
29.09.2012 16:35
Der U-Ausschuss lässt keinen Stein auf dem andern: Im "Krone"-Interview mit Conny Bischofberger spricht Grünen-Chefin Eva Glawischnig (43) über ihr Zerwürfnis mit Werner Faymann, den grünen Aufdecker Peter Pilz und ihre Idee von einem eigenen Wirtshaus.

Blutrote, selbst gemalte Bilder, zimmerhohe Pflanzen, viele Kinderfotos an einer Pinwand und ein einladender Teppich, der der Grünen-Chefin seit vielen Jahren "nachfliegt": "Auf dem haben meine Söhne gespielt, wenn sie bei mir im Büro waren..." Sebastian ist drei, Benjamin sechs Jahre alt.

Hier gibt's drei Audio-Ausschnitte vom Interview: Glawischnig zu den Themen Regierungsvarianten, Faymann und Korruption.

Eva Glawischnig trägt Jeans, eine grüne Lederjacke, dazu Stiefel. Scheinbar mühelos switcht sie vom kärnterisch gefärbten, privaten Smalltalk in die Sprache der smarten Politikerin.

Hundert Prozent Bio, null Prozent korrupt: Mit neuen Slogans, plakatiert seit dieser Woche, wollen die Grünen nach dem Zank um den Korruptions-Untersuchungsausschuss im Wahlkampf punkten. "Im Grunde ist damit der Kern unserer Identität gut beschrieben", sagt Glawischnig, "ich bin stolz, dass es bei den Grünen, seit sie im Parlament sind, keinen einzigen Fall von Korruption gegeben hat."

"Krone": Frau Glawischnig, kann man mit der sauberen Weste auch Wahlen gewinnen?
Eva Glawischnig: Mit Korruptionsfreiheit allein sicher nicht, denn das sollte ja eigentlich selbstverständlich sein. Als ich vor 13 Jahren ins Parlament kam, habe ich mich gewundert, warum manche Dinge einfach blockiert werden. Ich habe bald erkannt, dass viele, die Teil des politischen Systems sind, das nicht aufgrund ihrer Überzeugung oder aufgrund von Werten sind, sondern aus Eigen-, Macht- und Geldinteressen. Das müssen wir ändern, und zwar rasch.

"Krone": Was hat diese Erkenntnis mit Ihnen gemacht?
Glawischnig: Sie hat mir ein Phänomen eröffnet. Korruption betrifft fast ausschließlich Männer. Der Buwog-Fall zum Beispiel war ein reines Männer-Netzwerk. Länder, in denen mehr Frauen in der Politik sind, sind auch weniger korruptionsanfällig, dazu gibt es internationale Untersuchungen. Ich glaube, wir brauchen jetzt einen Neustart. Die gläsernen Parteikassen sind ein erster Schritt, dieses Gesetz wäre in dieser Schärfe ohne die Grünen nicht möglich gewesen.

"Krone": Laut "Krone"-Umfrage liegen die Grünen im Moment trotzdem nur bei 11 bis 13 Prozent. Warum können Sie nicht mehr punkten?
Glawischnig: Ich halte das für eine sehr konservative Schätzung. In einigen Umfragen liegen wir bei über 15 Prozent. Aber das sollte man ohnehin nicht zu ernst nehmen.

"Krone": Der U-Ausschuss stirbt ja jetzt einen schnellen Tod. Ärgern Sie sich, dass die grüne Vorsitzende Gabriele Moser einen schweren Fehler gemacht hat?
Glawischnig: Gabi Moser hat etwas gemacht, was die Bevölkerung sehr honoriert, etwas, das man Politikern normalerweise nicht zutraut. Sie hat das Staatsinteresse über das Parteiinteresse gestellt und hat den Weg freigemacht, damit der U-Ausschuss weitergehen kann. Das war ein wirklich respektabler Schritt.

"Krone": Der Fehler bezog sich auf ihren Verstoß gegen die Geschäftsordnung.
Glawischnig: Ich habe mir das rechtlich sehr genau angeschaut. Gabi Moser hat korrekt gehandelt. Es ging SPÖ und ÖVP allein darum, einen Vorwand zu finden, um den Ausschuss abzudrehen. Ich glaube, Gabi Moser hätte sich auf den Kopf stellen können, sie hätten ihr aus irgendetwas einen Strick gedreht.

"Krone": Wie hat die Tatsache, dass Bundeskanzler Faymann nicht vor dem U-Ausschuss aussagen wird, Ihr Verhältnis zu ihm verändert?
Glawischnig: Persönlich bin ich mit Sicherheit enttäuscht. Ich habe das Werner Faymann auch direkt gesagt. Ich finde, er hat einen schweren Fehler gemacht und erweckt jetzt den Eindruck, als hätte er wahnsinnig viel zu verbergen. Sogar die deutsche Bundeskanzlerin Merkel hat am Donnerstag vor einem Untersuchungsausschuss ausgesagt. Vom Bundeskanzler hätte man sich das einfach erwartet.

"Krone": Da gibt es ja dieses Foto von Ihnen und Faymann auf einer Brücke im Wald. Könnte das so ein Symbolfoto werden wie jenes von Schüssel, der in Haiders Porsche mitfährt?
Glawischnig: Ein Wald ist kein Porsche (lacht). Ich würde nie in einen Porsche steigen. Ich mag schnelle Autos nicht, mir wird darin leicht schlecht. Ich finde diese symbolischen Aufladungen auch oft ein bisschen überzogen. Was mein Verhältnis zum Kanzler betrifft: Faymanns Nichterscheinen belastet die rot-grünen Beziehungen extrem. Wir wollen und können mit Parteien nicht zusammenarbeiten, die sich nicht an Aufklärung beteiligen. Man kann es ruhig Eiszeit nennen.

"Krone": Wie wollen Sie dann noch in die Regierung kommen? Oder ist der Traum vom Regieren geplatzt?
Glawischnig: Bis jetzt weigert sich die SPÖ mit Händen und Füßen dagegen, dass die Bestellung eines Untersuchungsausschusses ein Minderheitenrecht wird. Das ist aber unsere Bedingung. Es ist doch entwürdigend, wenn die ganze Republik diesem Trauerspiel zuschauen muss, dass ein Herr Reichhold nicht in den U-Ausschuss kommt, weil er Soja ernten muss. Das ist eine Verhöhnung des Parlaments. Da wird sich jeder bewegen müssen, der mit uns regieren will.

"Krone": Wenn Rot-Grün, das sich vermutlich ohnehin nicht ausgegangen wäre, gestorben ist, bleibt noch die ÖVP.
Glawischnig: Die ÖVP ist im Sinkflug. Mein persönliches Ziel ist es, Österreich eine neue Alternative – auch jenseits von Schwarz-Blau zu geben, denn da arbeiten wir noch heute die Korruptionsfälle auf. Rot-Schwarz ist mit seinem Dauerstreit auch keine Lösung. Ich habe das weder bei der grünen Regierungsbeteiligung in Oberösterreich noch in Wien erlebt, dass der Umgang auf so ein Niveau von Hacklschmeißen und Wadlbeißen fällt. Und dann kommen Dinge, die wir lösen sollten, unter die Räder. Es ist noch viel Dynamik möglich bis zum Wahltag.

"Krone": Wäre Stronach, der in Umfragen bei 13 bis 16 Prozent liegt, in einer Ampelkoalition mit den Grünen denkbar?
Glawischnig: Ich habe große Skepsis gegenüber jedweder Ampelkoalition. Mal schauen, ob er im Parlament vertreten ist. Er ist wie jeder im Parlament ein Gesprächspartner, aber ob er ein Regierungspartner wäre, würde ich mir noch mit höchster Vorsicht anschauen wollen.

"Krone": Warum?
Glawischnig: Seinen Auftritt in der "ZiB 2" habe ich als extrem unhöflich gegenüber der Moderatorin empfunden. Von diesem Macho-Gehabe haben wir ohnehin genug in der Politik. Ich habe auch meine Probleme mit autoritären Politkonzepten, Motto "Ein starker Mann schafft an". Auch dass er Abgeordnete anscheinend mit wirklich sehr hohen Beträgen kauft und sich mit ihnen schmückt, gefällt mir nicht. Geld schießt keine Tore, das gilt auch für die Politik.

"Krone": Frank Stronach stellt in Abrede, dass er Leute gekauft hat.
Glawischnig: Diese Abgeordneten sollten offenlegen, ob sie was erhalten haben und welche Versprechungen sie dafür machen mussten.

"Krone": Warum, glauben Sie, wünschen sich 40 Prozent Frank Stronach in der Regierung?
Glawischnig: Seine Firma hat in Österreich viel geleistet, er selber ist österreichweit bekannt. Das respektiere ich auch. Für uns Grüne ist aber die Umweltschutzorientierung eine Grundfrage. Die Wirtschaft hat als Basis die natürlichen Ressourcen und nicht umgekehrt.

"Krone": Wird er auch den Grünen Stimmen wegnehmen?
Glawischnig: Das kann ich mir schwer vorstellen.

"Krone": Beim Berufsheer sind Sie ja einer Meinunglicht.

"Krone": Würde ihm, wie Androsch vorgeschlagen hat, ein Ehrenkreuz gebühren, wenn er der FPÖ Stimmen wegnimmt.
Glawischnig: Mit seinem antieuropäischen Weltbild wird er dort tatsächlich Wählerinnen und Wähler lukrieren. Das Ehrenkreuz halte ich aber für eine schräge Variante. Ich bin überhaupt für die Abschaffung dieser Ehrenkreuze.

"Krone": Viele junge Wähler gehen auch zu Strache statt zu den Grünen. Macht Ihnen das Sorgen?
Glawischnig: Nein. Laut neuester Studie vom Institut für Jugendforschung spielt sich hier gerade ein Erdrutsch ab. Strache verliert bei den Erstwählern rund 50 Prozent, und die Grünen sind dort stärkste Partei.

"Krone": Wir haben vorhin vom Machogehabe gesprochen. Haben Peter Pilz und Stefan Petzner den U-Ausschuss nicht auch ein bisschen als Bühne für ihre Selbstdarstellung missbraucht?
Glawischnig: Der U-Ausschuss ist sicher auch ein Ort, wo viel auf die Brust geklopft wird. Pilz und Petzner, die haben beide einen sehr eigenen Stil. Aber Peter Pilz ist Aufklärungsarbeit einfach ein Herzensanliegen, das hat er schon bei Lucona und Noricum unter Beweis gestellt. Da hat er historische Verdienste. Stefan Petzner hingegen kommt aus einer Partei, die in erster Linie verwickelt war in diese Skandale. Das ist schon ein Riesenunterschied.

"Krone": Spricht Peter Pilz für die Grünen, wenn er sagt, dass "der Boulevard" käuflich und korrupt ist?
Glawischnig: Darüber habe ich mit ihm gesprochen. Wir waren uns sehr einig, dass Kritik sehr präzise sein muss. Pauschale Vorwürfe sind kein Stil der Grünen.

"Krone": Frau Glawischnig, vor elf Tagen hat Ihr oberösterreichischer Kollege Rudi Anschober sich öffentlich zur Krankheit Burn-out bekannt. Wussten Sie, wie es ihm geht?
Glawischnig: Ich habe mir schon im Sommer Sorgen um ihn gemacht. Ich bin froh, dass er diesen Schritt gemacht hat. Er hat sich das tausend Mal überlegt. Ich wünsche ihm von ganzem Herzen, dass er das bewältigt.

"Krone": Wie ist das bei Ihnen? Haben Sie durch Kinder und Karriere auch eine 100-Stunden-Woche?
Glawischnig: Bei mir ist das anders. Meine Tage sind aber genauso voll. Und meine Kinder holen mich ja total auf den Boden zurück... Einerseits ist das sehr anstrengend, aber auf der anderen Seite gibt es mir unglaublich viel Lebensfreude, zwei so entzückende Söhne zu haben – und einen großartigen Papa dazu.

"Krone": In einem halben Jahr sind Sie 44. Werden Sie mit 50 noch in der Politik sein?
Glawischnig: Schwer zu sagen (denkt nach).

"Krone": Was geht jetzt durch Ihren Kopf?
Glawischnig: Ich möchte als Spitzenkandidatin in die Wahl gehen und noch einmal Bundessprecherin werden. Ich möchte später einmal noch etwas anderes machen in meinem Leben... Zurück zu den Wurzeln vielleicht, als NGO im internationalen Bereich.

"Krone": Die Gastwirtstochter aus Kärnten könnte ja auch ein Wirtshaus aufmachen.
Glawischnig: Ja, das könnte ich mir schon vorstellen. Ich möchte gerne mit meinem Mann was gemeinsam machen. Mein Traumberuf war ja Musikerin.

"Krone": Also eine singende Wirtin?
Glawischnig: Fürs Singen ist der Volker zuständig. Aber ich könnte ja dazu spielen (lacht).

Portrait Eva Glawischnig:
Geboren am 28.2.1969 in Villach als Gastwirtstochter; die Eltern sind freiheitlich-konservativ. Als 18-Jährige spielt Eva Glawischnig in einer Band, mit dem Song "Gelati" schafft sie es in die Hitparade. Nach Jusstudium und Arbeit für Global 2000 wechselt sie als Umweltsprecherin zu den Wiener Grünen. Seit 2009 ist sie grüne Bundessprecherin. Verheiratet mit ATV-Life-Moderator Volker Piesczek, zwei Söhne (Sebastian ist 3, Benjamin 6).

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