"In krassen Fällen"

Empörung über VP-Bodenseer nach Todesstrafen-Sager

Österreich
18.04.2012 13:54
Ein Facebook-Eintrag des Tiroler Wirtschaftskammer-Präsidenten Jürgen Bodenseer (Bild) lässt derzeit die Wogen hochgehen. Er hatte sich in einer Umfrage in dem sozialen Netzwerk offen für die Wiedereinführung der Todesstrafe als Mittel zur Bestrafung von Kinderschändern ausgesprochen. ÖVP-Chef Michael Spindelegger wies die Forderung ebenso wie FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache am Mittwoch zurück. Tiroler SPÖ, Grüne Wirtschaft und BZÖ fordern indessen Bodenseers Rücktritt.

"Wie sollen Kinderschänder bestraft werden?" - so lautete die Fragestellung einer Umfrage auf Facebook. Erstmals berichtete dann der Ötztaler Tiwag-Kritiker Markus Wilhelm auf seiner Homepage darüber, dass sich der Tiroler Wirtschaftskammer-Präsident in der Umfrage für die 1950 abgeschaffte Todesstrafe als Mittel zur Bestrafung von Kinderschändern ausgesprochen hatte. Wilhelm dokumentierte per Screenshot auch Bodenseers Kommentar auf Facebook: "Ich wäre in krassen Fällen bei voller Zurechnungsfähigkeit für die Wiedereinführung der Todesstrafe."

Parteichef Spindelegger wies den VP-Funktionär daraufhin am Mittwoch in die Schranken und stellte zugleich auch gleich klar, dass derartige Forderungen nicht Gegenstand von Volksbefragungen bzw. -abstimmungen sein können. Die Grund- und Freiheitsrechte stünden nicht zur Disposition, so Spindelegger.

Strache "grundsätzlich dagegen"
Auch FPÖ-Chef Strache ließ wissen, dass er den Wunsch Bodenseers, Kinderschänder in "krassen Fällen" mit dem Tod zu bestrafen, nicht teile. "Wir sind grundsätzlich gegen die Todesstrafe", machte er am Mittwoch in einer Pressekonferenz den Standpunkt der Freiheitlichen klar. Allerdings kann Strache verstehen, wenn angesichts des Themas "die Emotionen überkochen". Verbrechen an Kindern sind für für den FPÖ-Obmann zwar "unfassbar", eine Einführung der Todesstrafe sei für seine Partei jedoch tabu.

Tiroler SPÖ: "Aufklärung verschlafen"
Vertreter des Koalitionspartners der Tiroler ÖVP in der Landesregierung, der SPÖ, forderten indessen Bodenseers Rücktritt. Der VP-Politiker habe offenbar die Aufklärung verschlafen, meinte etwa SPÖ-Landesgeschäftsführerin Christine Mayr am Mittwoch. Die Abschaffung der Todesstrafe sei "ein Meilenstein in der menschlichen Kulturgeschichte, sie ist ein zivilisatorischer Fortschritt", so Mayr. Sie zu hinterfragen, zeuge von einem sehr bedenklichen Weltbild.

Bodenseers Forderung werde "niemals eine demokratische Mehrheit finden", stellte auch BZÖ-Bündniskoordinator Markus Fauland klar. Gerade die USA seien ein Beispiel dafür, dass die Todesstrafe, abgesehen vom humanitären Aspekt, auch wirkungslos in der Kriminalitätsbekämpfung sei, so Fauland.

Eine Rücktrittsaufforderung kam auch aus der Grünen Wirtschaft. "Dass ein Wirtschaftskammer-Präsident und hochrangiger ÖVP-Politiker die Wiedereinführung der Todesstrafe fordert, ist einzigartig und absolut unerträglich", meinte deren Landessprecherin Angelika Hörmann. "Jürgen Bodenseer muss sofort zurücktreten", sagte Hörmann in Richtung WKÖ-Präsident Christoph Leitl.

WKÖ-Präsident Leitl: "Private Einzelmeinung"
Leitl distanzierte sich mittlerweile von der Aussage seines Tiroler Länderobmannes. "Es handelt sich um eine private Einzelmeinung", ließ er ausrichten. Die Aussage würde in keinem Zusammenhang mit einer wirtschaftlichen Interessenvereinigung stehen. Leitl betonte zudem, voll hinter den Bestimmungen der Bundesverfassung sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention zu stehen.

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