Letlive haben geschafft, was in den vergangenen sechs Monaten zuvor keiner anderen Band gelungen ist: Sie haben die amerikanischen Rocker von Dark New Day und deren großartige Akustik-EP "Black Porch" aus meiner Heavy Rotation verdrängt. Ich nehme es ihnen nicht übel. Musik ist schließlich immer dann am schönsten, wenn man neue Facetten an ihr entdecken kann.
Und davon bieten Letlive reichlich. Die fünf Mannen aus Los Angeles sind in den USA längst keine gänzlich Unbekannten mehr, doch erst mit ihrem Wechsel im Februar dieses Jahres zu Epitaph Records, dem Indie-Label von Bad-Religion-Gitarrist Brett Gurewitz, dürfte ihnen nun auch international größere Aufmerksamkeit zuteilwerden.
Das breite Publikum werden Letlive allerdings auch künftig nicht für sich gewinnen. Dafür sind sie schlichtweg zu laut, zu schrill, zu aufgeregt. Wer genauer hinhört, wird jedoch begeistert sein, mit welcher Leichtfüßigkeit Jason und Co. zuckersüße Melodien in ihre vor Energie nur so strotzenden Lärm-Tiraden einstreuen. Genie und Wahnsinn liegen eben dicht beieinander.
Diese Gegensätzlichkeit ist es dann auch, die "Fake History" so unglaublich hörenswert macht. Am deutlichsten wird das vielleicht auf "Muther", dem – zugegebenermaßen jedoch – ruhigsten Song: Auf den Tobsuchts-Anfall der Strophe folgt hier der hinreißendste und eingängigste Refrain des Albums, was auch an der sanften Frauenstimme liegen dürfte, die dabei Unterstützung leistet, ehe der Song zu beschwingten Jazz-Klängen ausklingt.
"Muther" ist allerdings nur ein Beispiel von vielen, denn unter den insgesamt 14 musikalischen Gefühlsausbrüchen findet sich kein einziger ohne Ohrwurm-Qualitäten. Grund genug für Freunde der gepflegten Punk/Hardcore-Unterhaltung also, Letlive eine Chance zu geben. Bei mir haben sie ihre Spitzenposition auf dem MP3-Player bislang jedenfalls erfolgreich verteidigt.
9 von 10 Punkten
von Sebastian Räuchle
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