"Juristendeutsch"

Bauern ertrinken in der Formular-Flut der EU-Bürokratie

Salzburg
25.04.2010 11:27
"Wir ertrinken in der Bürokratie!" - Salzburgs Bauern verzweifeln vor immer größeren Haufen von Formularen. Neuester Auswuchs der Regelungswut: Allen Landwirten flatterte ein "Merkblatt mit Ausfüllanleitung" in die gute Stube. Auf 64 Seiten (!) wird ihnen erklärt, was heuer bei Mehrfachanträgen zu beachten ist.

"Unsere Politiker versprechen immer einen Abbau der Bürokratie – aber davon ist in der Landwirtschaft keine Rede", meint der Bio-Bauer Franz Trickl aus Eugendorf verärgert. Und Georg Eßl aus Kuchl stimmt ihm völlig zu: "Viele ältere Bauern sagen, das ganze Formularunwesen interessiert sie überhaupt nicht mehr."

64 Seiten in Bürokraten-Kauderwelsch
In den vergangenen Tagen sorgten die Agrar-Bürokraten erneut für ein verständnisloses Kopfschütteln. In den Briefkästen der Landwirte landete ein "Merkblatt mit Ausfüllanleitung" von der Agrar-Markt-Austria. Wer denkt, so ein Merkblatt wäre nur ein paar Seiten dick, irrt sich freilich ganz gewaltig: Stattliche 64 Druckseiten hat dieser Wegweiser durch den Dschungel der Formulare – und ist oft genug in unverständlichem Bürokraten-Kauderwelsch verfasst.

Ein Beispiel gefällig? "Im Rahmen der Kompression können die vorhandenen Zahlungsansprüche der Nationalen Reserve zugeführt und im Gegenzug komprimierte Zahlungsansprüche zugeteilt werden", heißt es etwa. Nähere Hinweise muss sich ein betroffener Bauer extra im Internet runterladen."Viele Kollegen sagen, sie haben früher 20 Jahre keine Hilfe von der Kammer gebraucht. Aber seit wir bei der EU sind, geht ohne die Hilfe der Kammer rein überhaupt nichts mehr", berichtet Eßl. Die Regeln zur Gülle-Ausbringung sind so kompliziert, "dass 80 Prozent aller Anträge ohne Hilfe sicher schiefgingen."

Und die Bürokraten halsen alle Verantwortung den Bauern auf. Noch einmal der empörte Eßl: "Bei mir gab es Probleme, weil zwar alles korrekt ausgefüllt war, aber der Computer im Antrag Flächen nicht anerkannt hat – das ist erst bei der Auszahlung aufgefallen, weil ich weniger Geld bekam. Und jetzt muss ich mühsam einen Einspruch machen, damit ich zu meinem Geld komme."

"Kommunismus, der uns unterjocht mit Formularen"
Empörte Landwirte wettern sogar: "Der Kommunismus ist untergegangen, dafür haben wir einen modernen Kommunismus, der uns unterjocht mit Formularen, die unverständlich sind." Da will Eßl einhaken: "Bei Maria Theresia durften Gesetze nicht in Kraft treten, die für Bürger unverständlich waren – das sollte auch bei uns für die ganzen Formulare gelten." Einen entsprechenden Antrag will er jetzt in der Kammer stellen.

Wie hilflos alle dieser Bürokratie gegenüber sind, erfahren Bauern gleich zu Beginn im 64-seitigen Merkblatt: Nicht einmal wer das genau durchliest, ist abgesichert. Alle Erklärungen sind "rechtlich unverbindlich", heißt es dort trocken...

von Robert Redtenbacher, Kronen Zeitung

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