EU-Fortschrittsbericht

„Türkei hat sich deutlich von der EU entfernt“

Ausland
17.04.2018 16:19

„Die Türkei hat sich deutlich von der Europäischen Union entfernt.“ Zu diesem Schluss kommt die EU-Kommission in ihrem am Dienstag von Erweiterungskommissar Johannes Hahn vorgelegten Bericht für die Kandidatenländer. Auch die Zukunftsperspektiven werden nicht optimistisch gesehen: Unter den derzeitigen Umständen können keine Verhandlungskapitel im Zuge der Beitrttsgespräche eröffnet werden. Die österreichische Bundesregierung tritt bereits seit Längerem für ein Ende der Beitrittsverhandlungen, die derzeit ohnehin auf Eis liegen, ein.

„Ernsthafte Rückschritte“ habe die Türkei in den vergangenen Jahren in den Bereichen Justiz, öffentliche Verwaltungsreform, Grundrechte und Meinungsfreiheit verzeichnet, beklagt der Bericht und führt dies auf den gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 zurück. Aus diesem Grund fordert die EU-Kommission die Aufhebung des Ausnahmezustands. Ohne Verlängerung würde dieser am 19. April auslaufen. Allerdings erwarten Beobachter, dass das türkische Parlament am Mittwoch grünes Licht für weitere drei Monate geben wird.

Ausnahmezustand: Einschränkung der Rechte, Massenverhaftungen
Seit der Einführung des Ausnahmezustands wurden mehr als 150.000 Menschen in Untersuchungshaft genommen, 78.000 wurden festgenommen. Mehr als 150 Journalisten sind noch immer im Gefängnis, zusammen mit einer großen Anzahl von Schriftstellern, Menschenrechtsaktivisten, Anwälten und gewählten Vertretern“, heißt es in dem Länderbericht. Mehr als 110.000 Beamte seien entlassen worden, rund 40.000 seien wieder eingestellt worden. Die auf den Ausnahmezustand gestützten 31 Dekrete seien von einer Kontrolle durch das Parlament und die Justiz ausgenommen, kritisiert die EU-Kommission. Sie hätten die bürgerlichen und politischen Rechte deutlich eingeschränkt.

„Fehlende Gewaltenteilung“
Mit dem Referendum von 2017 sei die Türkei in ein Präsidialsystem umgewandelt worden. Der Europarat habe das Fehlen einer ausreichenden Gewaltentrennung ebenso bemängelt wie die Gefahr für die Trennung der Zuständigkeiten zwischen Exekutive und Justiz, heißt es in dem EU-Bericht. Im Parlament habe sich der Spielraum für Dialog weiter verringert, weitere Abgeordnete der prokurdischen HDP seien festgenommen worden, zehn von ihnen hätten ihr Mandat verloren.

Als weitere Kritikpunkte werden die Militäroperation gegen die Kurden in Nordsyrien bzw. die Spannungen mit Griechenland und anderen EU-Mitgliedern angeführt. Keine Fortschritte habe es auch bei der Normalisierung der Beziehungen zu Zypern gegeben.

Keine Fortschritte beim Kampf gegen Korruption
Das türkische Leistungsbilanzdefizit bleibe hoch. Anlass zur Sorge gebe auch die gestiegene Inflation und der Wertverlust der Lira. Keine Fortschritte gebe es auch im Kampf gegen die Korruption. Die Zahl von Verurteilungen ist laut EU-Kommission weiterhin niedrig, vor allem in Fällen auf höheren Ebenen.

Flüchtlingsdeal positiv angemerkt
Als Ausnahme in dem sehr kritischen Bericht gilt die Umsetzung des Flüchtlingsdeals mit der EU. Die Türkei halte weiterhin ihre Verpflichtungen, die im März 2016 vereinbart wurden, ein.

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