Renzi zurückgetreten

Zwei „Sieger“ wollen in Rom in die Regierung

Ausland
05.03.2018 20:04

In Europa wächst die Sorge um Italien. Zwar hat die Parlamentswahl in Italien keinen klaren Sieger hervorgebracht. Doch gleich zwei erfolgreiche populistische Parteien, die „Lega“ und die „Fünf Sterne“-Bewegung, beanspruchen jeweils die Regierung für sich. Ein wochenlanges Gerangel um die Macht steht bevor. Matteo Renzi trat als Chef der Sozialdemokraten zurück, bleibt der Partei jedoch erhalten.

„Wir sind die absoluten Gewinner“, begründete der „Fünf Sterne“-Spitzenkandidat Luigi Di Maio in Rom den Wahlerfolg. Die „Fünf Sterne“ waren auf rund 32 Prozent gekommen und sind damit die stärkste Einzelkraft geworden. Allerdings kommen sie nicht auf eine Regierungsmehrheit.

Aber auch die rechtspopulistische „Lega“ beanspruchte die Führung für sich. Millionen Italiener hätten seine Partei beauftragt, das Land „von der Unsicherheit und Instabilität zu befreien“, die Ex-Regierungschef Matteo Renzi und Brüssel zu verantworten hätten, sagte Matteo Salvini in Mailand.

„Nicht Berlin, nicht EU entscheidet über uns“
„Über Italien entscheiden die Italiener“, so Salvini. „Nicht Berlin, nicht Paris, nicht Brüssel“ und auch nicht die Finanzmärkte.

Die Anti-Immigrations-„Lega“ war bei der Wahl im Bündnis mit der konservativen „Forza Italia“ von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi angetreten und schaffte es auf rund 18 Prozent. Sie überholte dabei die „Forza“, die auf 14 Prozent kam. Allerdings verpasste diese Allianz mit gesamt etwa 37 Prozent ebenfalls die Regierungsmehrheit im Parlament. Für eine Regierungsmehrheit an Mandaten wären etwa 40 bis 42 Prozent der Stimmen notwendig.

Ob es eine Koalition zwischen der „Lega“ und der ebenfalls europakritischen „Fünf Sterne“-Bewegung geben könnte, war zunächst unklar. Laut „Lega“-Chef Salvini werde es keine „seltsamen Bündnisse“ geben. „Mitte-rechts hat gewonnen und kann regieren“, donnerte der „Lega“-Chef.

Linkes Lager großer Verlierer
Der 31-jährige „Fünf Sterne“-Spitzenkandidat Luigi Di Maio sagte dagegen: „Wir sind offen für alle politischen Kräfte.“ Er hatte in der Vergangenheit die Rechte aber als „prinzipiellen politischen Gegner“ bezeichnet.

Nach der historischen Niederlage der Sozialdemokraten zog Parteichef Renzi die Konsquenzen und gab seinen Rücktritt bekannt. Die regierende PD war auf rund 19 Prozent abgestürzt.

Macron: Schuld ist der Migrationsdruck
Frankreichs Präsident Macron wertet den Sieg der populistischen und EU-kritischen Parteien als die Reaktion auf den Migrationsdruck. Europa habe Italien allein gelassen. Europa dürfe, so der Präsident, nicht nur schöne Ideen vertreten, sondern dürfe auch die Brutalität der Realität nicht außer Acht lassen.

Michael Pichler/Kronen Zeitung

Kommentar von Kurt Seinitz: Hahnenkämpfe statt Sanierungspolitik

Italien hat einen Sieger, die „Anti-System“-Parteien, und leistete sich einen Verlierer: den europäischen Steuerzahler, der vielleicht schon bald tief in die Tasche greifen muss.

Die eine Protestbewegung (gegen alles), „Fünf Sterne“, wurde stärkste Einzelpartei. Als Fundamentalopposition will sie (vorerst einmal?) keine Koalition.

Die andere Anti-System-Partei, die „Lega“ (gegen Ausländer), wurde der stärkste Faktor in dem Bündnis von Berlusconi. Ihr Führer Salvini kann jetzt dem Cavaliere einen endgültigen Tritt ins Altenteil verpassen.

Wenn „Lega“, „Fünf Sterne“ und andere Irrläufer die ultimative Populisten-Allianz schlössen, kämen sie zusammen auf über 50 Prozent. Dann gute Nacht, Europa! Kein europäischer Rettungsschirm könnte Italien auffangen.

Ob Beppe Grillo, Salvini, Berlusconi, Di Maio, Renzi: Italiens politische Landschaft wird mehr denn je von Hahnenkämpfen eitler Egomanen geprägt statt von einer Sanierungspolitik.

Es wird ungemütlich in Europa werden, wenn „Fünf Sterne“ und „Lega“ teure Wahlversprechen durch noch mehr Schulden finanzieren. (Derzeitiger Schuldenstand: 132%, Nr. 2 nach Griechenland.)

Die Migrationskrise hat wesentlich zur Zerstörung des alten Systems und zur Abwendung von der EU beigetragen. Die Italiener werden aber nicht den Schritt der Briten nachvollziehen.

Wer denkt, die deutsche Regierungsbildung war schon schwierig, kann nun in Italien das Gruseln lernen.

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