„Krone“-Interview

Jaya The Cat: „Wir pfeifen auf alle Konventionen“

Musik
21.01.2018 07:00

Geoff Lagadec, dem Frontmann von Jaya The Cat, gefällt es in Wien so gut, dass er hier sogar Teile seines aktuellen Albums "A Good Day For The Damned" geschrieben hat. Vor wenigen Tagen begeisterte die multinationale Reggae-Punkrock-Band im Wiener Flex Café und lieferte eine schweißtreibende Show, die sich auch alten Klassikern, Songs mit politischem Zündstoff, Partykrachern und neuen Nummern vermischte. Im Interview davor sprachen Geoff und der britische Gitarrist Karl Smith über die Auffassungsunterschiede zwischen Fans und Band, die Tücken ihres exzessiven Lebensstils, warum Geert Wilders noch immer besser ist als Donald Trump und welche bandinterne Krisen schlechte holländische Frühstückslokale verursachen können.

(Bild: kmm)

"Krone": Geoff, ihr seid in Wien Stammgäste und wart vor der Flex-Show unlängst erst letzten Sommer live im Chelsea. Stimmt es eigentlich, dass du Teile eures aktuellen Albums „A Good Day For The Damned“ in Wien geschrieben hast?
Geoff Lagadec: Das ist korrekt. Ich war damals im Hotel „Fürstenhof“ und das hatte eine richtig coole Atmosphäre. Aber ich glaube, mittlerweile ist der Besitzer ein anderer und seit dem Umbau hat es seinen Charme von damals verloren. Es gab so viele Bilder von Bands und Künstlern, die Wände strahlten Kultur aus. Wir haben unsere Touren oft in Wien beendet und dann blieb ich meist noch drei oder vier Tage hier. Die Kellner waren Bohemians, die kein Problem mit Drogen hatten – einfach ein guter Platz, um kreativ zu sein. (lacht) Ich konnte hier gut schreiben, weil mich auch das Interieur und der Ausblick auf den Westbahnhof inspirierte. Leider ist das heute nicht mehr dasselbe. Einfach nicht mehr mein Ding. Das ganze Personal rennt in Anzügen herum und die Bilder sind weg. Es war einfach das Ende einer Ära.

Mit den vielen Touren und Umzügen lebt ihr sehr nomadenhaft. Wie würdet ihr denn ein Zuhause beschreiben? Was macht es für euch aus?
Lagadec: Wir lieben Bulgarien und Hamburg, Amsterdam ist auch ganz okay. (lacht)
Karl Smith: Überall dort, wo wir sind, haben wir eine gute Zeit. Es gibt immer Leute, die mit uns einen heben und nach den Shows die Bars erkunden. Jede Stadt ist anders, aber wir wurden bislang überall mit offenen Armen empfangen. Ich liebe das Reisen und fühle mich überall dort daheim, wo ich willkommen bin.
Lagadec: Das kommt immer auf den jeweiligen Zeitpunkt des Lebens an. Manchmal ist eine Katze dein Daheim, aber wenn ich gerade keine habe, so wie jetzt, dann ist es vielleicht mein Bier. (lacht)
Smith: Natürlich leben wir einen großen Teil des Jahres aus Koffern in Hotels, aber wir haben uns und seine alle sehr gut befreundet. Du musst dir ein Zuhause einfach erschaffen.
Lagadec: Auf dem neuen Album gibt es eine Zeile mit dem Inhalt „Home Sweet Hotel“ – ich glaube, damit ist alles gesagt. (lacht)

Geoff, du bist schon vor vielen Jahren mit der Band, die seither viele Personalwechsel hatte, von Boston nach Amsterdam gesiedelt. Trotzdem hat es bis 2017 gedauert, bis ein Song namens „Amsterdam“ auf einem eurer Alben auftauchte…
Lagadec: Das ist einfach passiert. Ich weiß vorher nie, was ich auf Papier bringe. Bei diesem Song kam ich besoffen von einer Bar nach Hause und erinnerte mich daran, dass ich mal ganz spät auf die Piste wollte, aber schon alle Lokale geschlossen waren. (lacht) Vielleicht war das auch eine dämliche Entscheidung und ich gehe mit der Stadt hier zu hart ins Gericht, aber so fühlte ich eben.
Smith: Wir hatten auf den älteren Alben schon Songs mit Städtenamen, aber dieses Mal war Amsterdam fällig.

Ist das der Grund, warum du Amsterdam nur „okay“ findest, obwohl alle Touristen diese Stadt lieben?
Lagadec:(lacht) Die Reichen sagen das. Wir lieben Amsterdam schon, aber es ist jetzt keine Stadt für den Durchschnittsverdiener, so viel muss man sagen. Allerdings liegt die Stadt gut, denn durch den Schiphol-Flughafen bist du extrem zentral und sehr schnell überall in Europa.

Warum bist du damals nicht nach Berlin oder London gegangen, wo das Musikgeschäft deutlich stärker floriert als in Amsterdam?
Lagadec: Das ist einfach passiert. Unser erstes Label war in L.A. und das Unterlabel davon war in Amsterdam. Wir trafen dort immer Leute und kannten somit schon einige Menschen. Als es mehr Sinn machte, nach Europa zu ziehen, war es einfach eine Vernunftentscheidung, hinter der nicht viel durchdacht oder geplant war.

Eure Fanbase in Europa ist allgemein sehr groß. Hast du einmal darüber nachgedacht, auch den US-Markt erobern zu wollen?
Lagadec:(lacht) In den letzten Jahren hätte ich dir ganz sicher mit "nein" geantwortet, weil der Aufwand einfach zu groß ist. Sollte sich aber eine vernünftige Möglichkeit bieten, hätte ich heute nichts mehr dagegen einzuwenden. Es ist derzeit eine ziemlich verrückte Zeit, in der die USA leben, die Shows könnten dadurch richtig intensiv sein.
Smith: Ich würde gerne dort touren, habe das noch nie gemacht. Punkshows und der Underground erblühen jetzt wieder, weil die Leute Stimme gegen viele Dinge in ihrem Land ergreifen, die falsch laufen. Ich würde das Land gerne sehen.

Geoff, was ist für dich aus der Musikersicht in Europa so viel anders oder besser als in den USA?
Lagadec: Es geht einfach darum, wie Kunst an sich behandelt wird. In den USA gibt es nur alles oder nichts. Entweder verdienst du Millionen mit irgendwelchen Rap-Videos, oder du spielst in den abgetakelten Clubs und wirst wie Dreck behandelt. Die Clubkultur ist außerdem am Sterben, was die Sache nicht einfacher macht. In Europa geben sie dir etwas Anständiges zu essen, gute Hotelzimmer und schicken dich nicht mit drei Biergutscheinen wieder weg. Die Shows sind überall gleich gut, denn fanatische Leute gibt es dort wie da.

Wenn es um den rebellischen Charakter des Punk gegen das Establishment geht – ist es denn so viel besser, in einem Land zu leben, wo Geert Wilders in der Politik ist als in einem, wo Donald Trump regiert?
Lagadec: Sie sind wahrscheinlich vom Typ her ein- und derselbe Idiot, aber Wilders hat bei weitem nicht so viel Macht wie Trump. Glücklicherweise.
Smith: Zwei Namen, eine Person.
Lagadec: Ich habe auch über Österreich einiges gelesen, ihr habt hier derzeit auch einen ordentlichen Rechtsruck. Wir blicken in Europa sicher keinen allzu angenehmen Zeiten entgegen, das kann ich dir sagen.

Euer letztes Album davor hieß „The International Sound Of Hedonism“. Ist die Zeit des Hedonismus auch für euch vorbei?
Lagadec: Das weiß ich nicht, eine sehr gefinkelte Frage. Für so manchen von uns ist der Hedonismus sicher nicht vorbei. Wir haben immer noch eine gute Zeit und lassen uns das nicht nehmen – auch nicht auf dem neuen Album.

Konzentrierst du dich aber nicht immer stärker auf politische oder sozialkritische Texte, die du mit dem typischen Jaya-The-Cat-Partysound vermischt?
Lagadec: Es kommt immer darauf an, wovon du gerade beeinflusst bist. Hätte dieses aktuelle Album etwa noch ein Jahr länger gebraucht, würde es bestimmt ganz anders klingen. Es wäre sicher noch politischer. Es gibt schon ein paar solcher Songs zu hören, aber die sind eher abgedreht und nicht so direkt an derzeitige Vorkommnisse adressiert. Irgendwann muss man ein Album nun mal fertigstellen, aber Stand jetzt würde mir auf jeden Fall viel mehr zu politischen Themen einfallen, das ich anderen mitteilen würde.

Aber Amsterdam wirkt so friedlich und entspannt, fast wie eine paradiesische Insel mitten im aufgerührten Europa. Kann man dort wohnhaft überhaupt so viel Aggression und Wut für solche Texte kriegen?
Lagadec: Es mangelt uns auf jeden Fall an wirklich guten Frühstückslokalen. (lacht) Was denkst du darüber Karl?
Smith: Wenn du wie Geoff aus Amerika kommst und Freunde in Holland, England und sonst wo hast, dann bist du immer von allen Themen beeinflusst. Seine Familie und auch viele Freunde leben ja noch immer in Amerika, was bedeutet, dass er nur geografisch von den USA entfernt ist. Du informierst dich ja trotzdem täglich über alles, was in deiner Heimat abgeht.
Lagadec: Karl ist aus England und dort herrscht gerade der Brexit, der im Prinzip jedes Dasein in Europa mehr oder weniger durchrüttelt, auf jeden Fall aber beeinflusst. Wir sind einfach international.

Geoff, du hast in Interviews oft gerne betont, du wärst beim Songschreiben ein ziemlich fauler Bastard, weshalb wir vielleicht wieder fünf Jahre auf ein neues Album warten mussten. Wird das mit zunehmendem Alter immer schlimmer oder kriegst du eher mehr Motivationsschübe?
Lagadec: Ich gebe mein Bestes, dass ich schneller bin, aber es gelingt mir nicht immer. Ich will keinesfalls wieder fünf Jahre für ein Album brauchen, deshalb mache ich mir schon jetzt Gedanken über das nächste. Wir sind aber auch wirklich viel unterwegs und wenn du mal daheim bist, dann ist das Letzte, an das du denkst, die Musik.
Smith: Außerdem vergeht die Zeit extrem schnell. Wenn du ein paar Shows spielst und zwischendurch heimkommst, ist ein Monat weg wie nichts. Das ist wirklich extrem.
Lagadec: Wir sind im Februar in Asien unterwegs, aber dann will ich konzentriert weiterarbeiten und bald wieder ein Album präsentieren. Am Vorsatz wird es jedenfalls nicht scheitern.

Jaya The Cat werden in erster Linie als energetische, großartige Liveband definiert. Fühlst du dich missverstanden, wenn dir oft angedichtet wird, dass dich das Songwriting und Albummachen gar nicht so interessiert wie die schweißtreibenden Gigs?
Lagadec: Ich nehme das viel ernster, als die meisten Leute glauben. Alles steht und fällt mit einem guten Song, auch jede Liveshow. Liveshows sind großartig und es ist toll, wenn die Leute all das zu dir zurücksingen, was du bekifft in deiner Badewanne geschrieben hast, aber der kreative Prozess ist extrem wichtig.
Smith: Ein Album sollen die Leute im besten Fall auch sehr lange hören, es soll Bestand haben.
Lagadec: Eine Liveshow, so großartig sie auch sein mag, kannst du einfach nicht festhalten, während ein Album dazu da ist, immer und immer wieder entdeckt zu werden. Du kannst darauf auf einen Punkt kommen und dich mitteilen.
Smith: Wir nehmen auch die Liveshows extrem ernst. Die Leute bezahlen heute rund 20 Euro für uns und ich bin immer ganz hin und weg wenn ich sehe, dass Hunderte oder Tausende so viel bezahlen, um uns zu sehen. Da stehen wir in der Verantwortung.

Könnt ihr euch mit der Band euer Leben finanzieren?
Lagadec: Ja, auch wenn wir uns keinen Porsche leisten können. Aber natürlich machen wir nebenbei andere Sachen, wie zum Beispiel DJ-Jobs oder andere kleine Dinge. Es geht uns aber relativ gut mit der Band.

Obwohl der Reggae immer die Basis eures Sounds war, habt ihr euch mit der Neigung zu Punkrock oder sogar Hardcore eine ziemlich eigene Nische erschaffen, die euch klanglich herausstechen lässt. Hat sich euer Zugang zur Musik an sich über die Jahre verändert?
Lagadec: Wir sind mittlerweile dort angekommen, dass wir absolut das tun, was wir wollen. Als ich mit der Band begann, wollte ich am liebsten wie The Clash klingen, war musikalisch aber nicht wirklich reif und erwachsen. Ich wollte meinen Helden nacheifern und wütende Sachen singen. Das ist immer noch okay, aber wir haben uns natürlich weiterentwickelt. Solange wir aber zusammen spielen und ich singe, wird Jaya The Cat immer als die Band wahrgenommen, die unsere Fans hören wollen.
Smith: Die Leute können sich sehr gut in Geoffs Texte hineinversetzen, er ist ein sehr guter Geschichtenerzähler. Bei uns ist auch jeder im Publikum. Junge Kids, ältere Leute, Frauen, Männer, Punks, Metalheads oder Popfans. Wir haben nicht dieses eine Publikum, sondern eine extrem vielseitige Masse, was wohl an der Musik liegt. Solange Geoff die Songs singt, wird das auch so bleiben.

Ihr strahlt damit auch etwas Verbindendes aus in einer Welt, wo es sehr oft um allzu großes Genre- oder Nischendenken geht.
Smith: Definitiv. Ich liebe es zu sehen, dass wirklich jede Art von Mensch bei uns abgeht. Wir haben keinen stereotypischen Fan und darauf sind wirklich stolz.

Songs sind ja immer auch ein Zeitdokument einer jeweiligen Lebensphase. Schreckt es dich manchmal wenn du liest, was du vor knapp 20 Jahren so an Texten verfasst hast?
Lagadec: Ich denke mir das mittlerweile sogar schon beim neuen Album. (lacht) Ich weiß aber, worauf du hinauswillst, klare Sache. Auf „A Good Day For The Damned“ gibt es auch ein paar irre Texte über Trennungen und solche Erlebnisse. Ich erlebte das selbst in sehr harter Art und Weise mit und möglicherweise denke ich bald mal an diese Texte zurück und frage mich, warum zur Hölle ich Menschen da draußen mit diesem Kram belästige. Vielleicht will ich mich dann auch nicht mehr daran erinnern.
Smith: Eine Trennung ist nun einmal real und außerdem bist du sehr ehrlich, wenn du so ein Erlebnis mit einem Song verarbeitest. Immerhin öffnest du dich und das ist auch ein Grund, warum die Leute sich so auf Geoffs Texte beziehen können. Sie sind echt und aus dem Leben gegriffen.

Wenn so ein Song aber zu einem kleinen Hit wird, dann musst du ihn immer live spielen und im schlimmsten Fall öffnen sich dann immer wieder eigentlich schon verheilte Wunden aufs Neue.
Lagadec: Ich weiß, das ist ja die Krux an der Sache. Ich versuche auch immer mit Ach und Krach so persönliches Zeug zu verhindern und glücklicherweise sind unsere beliebtesten Songs immer politische Fingerzeige gewesen. Das tut auch heute noch gut, sie zu singen. Wenn du gegen etwas ansingst, dass dich nervt und die Leute sich damit identifizieren, ist das immer großartig.
Smith: Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten, dass so ein Song aber wirklich ein Hit ist, dann verändert er sich auch für dich. Wenn Tausende Menschen etwas damit verbinden, dann gibst du ihn ja ab. So kriegst du auch andere Perspektiven darauf und nimmst ihn im besten Fall irgendwann nicht mehr ganz so persönlich.
Lagadec: Du weißt ja nie, was wer anderes mit dieser Geschichte von dir verbindet, das kann auch befreiend oder hilfreich sein.

Ihr nehmt eure Musik und Texte tatsächlich ernster, als viele eurer Fans und Hörer das wohl vermuten würden…
Lagadec: Vielleicht hast du Recht, das kann gut sein. Ich analysiere das aber nicht. Wir haben über die Jahre das Image einer Band bekommen, der einfach alles egal ist und die sich um keine Konventionen schert. Manchmal stimmt das auch zu 100 Prozent, wahrscheinlich sogar meistens. (lacht)
Smith: Das stimmt, aber trotzdem nehme ich mein Leben und die Arbeit in dieser Band ernst.
Lagadec: Ach Mann, ich wollte diesen Satz niemals in einem Interview bringen, aber es ist einfach gut, so ein Image zu besitzen. Es funktioniert auf der Bühne und die Leute finden eine Verbindung zu dir. Tom Waits hat auch den Ruf eines ständig besoffenen Vagabunden, dessen Seele verloren zu sein scheint und in Wirklichkeit ist er seit 25 Jahren trocken und ein absoluter Geschäftsmann.
Smith: Die Leute mögen versoffene Dudes und in gewisser Weise sind wir das wirklich. Wir trinken gerne über den Durst und nehmen Drogen. Aber wir haben eine gute Zeit und vergessen trotzdem nicht darauf, alles ernst zu nehmen.
Lagadec: Manchmal überlegen wir uns schon, wann die Zeit kommt, die Exzesse ein bisschen runterzuschrauben, weil man das wahrscheinlich kein Leben lang durchhält. (lacht)

Habt ihr immer noch die gleiche Energie und Motivation für Partys und Exzesse?
Lagadec: Wir sind wirklich sehr gut in Übung. (lacht) Jeder geht durch verschiedene Phasen. Das letzte Jahre hab ich kaum mehr Drogen genommen. Es war einfach die richtige Zeit, weil ich jeden einzelnen Tag gesoffen habe. Es kann aber sein, dass ich beim nächsten Interview mit dir knietief in irgendwelchen Drogen stecke und nur wirres Zeug schreie. Du kannst dir bei uns nie so ganz sicher sein. (lacht)

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