Musikpreis-Jammer

Amadeus Award: Zur Schieflage der Musiknation

Musik
11.09.2009 07:31
Zum zehnten Mal ist in der Nacht auf Freitag die Verleihung des "Amadeus Austrian Music Award" über die Bühne gegangen. Zum zweiten Mal im Privatfernsehen übertragen und mit einem neuen Konzept und neuer Ausrichtung gab die einzige österreichische Musik-Award-Show heuer erstmals gezielt Newcomern und auch weniger bekannten Künstlern eine Plattform. Aus dem stets belächelten "Verkaufspreis" wurde ein "echter Musikpreis", der lauter denn je den Anspruch stellt, ernst genommen zu werden. In einem Land wie Österreich bedeutet das aber nicht automatisch, dass der Ruf auch erhört wird...
(Bild: kmm)

Zum zehnten Jubiläum war dem Amadeus Award heuer eine Frischzellenkur verordnet worden. Erstmals bestimmte statt den nackten Verkaufszahlen eine auf die einzelnen Kategorien aufgeteilte Fachjury über die Nominierungen. Talent, Sympathie und vor allem musikalische Handwerkskunst sollten entscheidend sein. Über die Gewinner in 12 der 13 Kategorien, die erstmals internationale Künstler komplett aussparten und dafür wirklich alle Facetten der österreichischen Musiklandschaft nacheinander aufblitzen ließen, durfte schlussendlich das Publikum per Internetvoting entscheiden - ein weiteres, gewagtes Novum.

Das Musik-zentrierte Auswahlverfahren zeigte dabei in vielen Kategorien gnadenlos den Unterschied zwischen dem, was in den Ohren der Musikexperten (respektive des votierenden Publikums) preisverdächtig klingt, und was das Jahr über die Geldbeutel der Industrie zum Klinge(l)n brachte und in den Radio-Playlists landete. Und es zeigte auf, was sowohl "Garagenbands" als auch eingesessene Künstler seit Jahren bemängeln: Dass viele gute Musiker viel zu wenig bekannt sind, von Massenmedien zu wenig bekannt gemacht werden bzw. keine geeignete andere Plattform haben, auf der sie sich nicht "à la Ö3 oder FM4" für eine Schiene entscheiden müssen oder ihre Seele an ein Unternehmen verkaufen. Ob da ein Award hilft, sei dahingestellt. Sicher ist: Er kann nicht schaden.

Die Absatzzahlen konnten in einem Land, wo schon 10.000 CD-Verkäufe für eine goldene Schallplatte reichen, während gleichzeitig Live-Konzerte und die Sommer-Festivals boomen, sowieso nicht auf ewig das einzige Kriterium bleiben. Künstler wie Anna F. ("Best Pop") haben bewiesen, dass man sogar ohne Album landesweit Bekanntheit erlangen kann. Die Steirerin stürmte heuer mit dem Ohrwurm "Time Stands Still" das Formatradio, tourte mit Lenny Kravitz und konnte bei all dem offenbar auf Unterstützung aus der Wirtschaft zählen, was u.a. eine Großbank und einen Energy-Drink-Produzenten ganz oben auf ihre Dankesliste katapultierte.

Wenn Welten aufeinanderprallen: Die Gewinner
Im bunten Gewinnerreigen und den durchwegs hervorragenden Live-Auftritten (Leitung: Thomas Rabitsch) beim diesjährigen Amadeus prallten jedenfalls Welten aufeinander. Und das geänderte Konzept brachte so manch skurrile Konstellation: Christina Stürmer, die schon einen ganzen Schrank voll "Amadeusse" zu Hause hat, war durch das neue System irgendwie durchgerutscht. Denn obwohl die achtfache Award-Gewinnerin ein erfolgreiches Album veröffentlicht hatte, gab's nicht einmal eine Nominierung. Mit ihrer Band eröffnete sie aber die Veranstaltung und gab zumindest ein Lebenszeichen. Den Award in der ersten Kategorie "Best Song" heimste die ehemalige "Starmania"-Teilnehmerin Vera Böhnisch ein, die (über einen Umweg nach Deutschland) letztes Jahr mit der Hit-Single "Dear Ladies" wieder Fuß in der Heimat fasste. Ihr folgte der argentinisch-österreichische Schlagersänger Semino Rossi, der sich per Videoeinspielung für seinen "Best DVD"-Award bedankte. Die kürzeste Rede - ein kaum hörbares "Danke" - lieferte die als "österreichische Björk" titulierte Sängerin Soap&Skin in der Kategorie "Alternative".

Texta empfingen den HipHop-Award, wiesen aber kritisch darauf hin, dass sie heuer "nur eine Single hatten". Schließlich zeigte man sich aber dann doch gewürdigt. Die Kategorie "Schlager" gewannen die Seer, deren herzlichen Dankesworten ein Knochenbrecher-Auftritt der Metal-Band The Sorrow (Gewinner "Hard'n'Heavy") folgte. Nachdem das Duo Die Strottern als bester Jazz-Act ausgezeichnet wurde, kassierte die Wiener Band Kreisky den FM4-Award und musste sich gleichzeitig entschuldigen, den Modus des User-Votings im Vorhinein kritisiert zu haben. In der Kategorie "Volkstümliche Musik" gewann Marc Pircher den Award und ließ es sich nicht nehmen, dem lieben Gott für die Volksmusik zu danken, "von der man halt noch leben kann". Seine Zunft vereint ja bekanntlich mit Abstand die meisten CD-Käufer auf sich, leider passt der etwas hochnäsige Kommentar zu gut zum Image des Realitätsverweigerers, das man der Musikantenstadl-Kaste unter Ausblendung ihrer durchaus existenten Musikalität so gerne aufdrückt. Das "Best Album 2009" kommt von Herbstrock, den Newcomern von 2008. In der Kategorie "Electronic & Dance" gewannen Bunny Lake.

Ob sich für die Gewinner durch den Amadeus ein Karriereschub bzw. eine gesteigerte Bekanntheit ergibt, bleibt abzuwarten. Für die Award-Organisatoren ist die Sache aber mit der Preisübergabe erledigt, was eigentlich schade ist. Zum Beispiel ein in den nächsten Tagen nachgeschossener Sampler mit ausgewählten Songs der Gewinner oder vielleicht gar mit einem musikalischen Gesamtüberblick auf die Nominierten wäre ein starkes Statement mehr in Richtung "echter Musikpreis" und könnte vielleicht so manchen CDs-kaufenden Österreicher auf den Geschmack der Heimat bringen.

Eine Party zur Schieflage der Musiknation
Was den Amadeus heuer besonders österreichisch machte, war aber nicht nur im positiven Sinne die musikalische Vielfalt, die ins gesellschaftlich ebenso vielschichtige Österreich gut passt. Die Schieflage der Musiknation, dieses Minderwertigkeitskomplex-beladene Verhältnis zu international jedem Vergleich standhaltenden Talenten, die das wiederum frustriert und vom Erfolg abhält, dokumentierten Puls4-Moderator Michael Ostrowski, ein paar der Künstler in ihren "Dankesreden", ja teils sogar die Laudatoren. Sie alle machten das, was dem Österreicher oft passiert, wenn Pathos und Stolz gefordert wären: granteln, spötteln, verulken, zynisch sein oder mit Seitenhieben ablenken. Weil's eh scho' wurscht is?

Der böse ORF bekam sein Fett weg, weil er den Amadeus nicht mehr überträgt und auf Ö3 kaum heimische Künstler spielt. Abgesehen von den Volksmusikern und den Pop-Künstlern zeigte aber eigentlich niemand wirklich Freude über seinen Award. Die einzigen seriösen Laudatios hielten Falco-Entdecker Markus Spiegel bei der Königskategorie "Best Album" und Musiklegende Wickerl Adam nebst Kollegen beim Lebenswerk-Award - doch gerade dabei spendete das viel zu sehr mit Steh-Gesprächen und den auch während der Fernsehübertragung angebotenen Gratis-Getränken beschäftigte Fach-Publikum wenig Aufmerksamkeit. Als Dödel des Abends mussten Jermaine Jackson und die Stadt Wien herhalten. Vor allem Jackson kassierte laufend Spott für sein sich abzeichnendes "Tribute"-Fiasko ("Jermaine richtet schöne Grüße aus, er unterzeichnet gerade den Vertrag mit US5…" oder "Wir hätten am 26. noch Zeit…"), dem die Musik- und Konzertveranstalterszene seit Anbeginn mit heftiger Kritik begegnet. Mit den anfangs für den Event zugesagten 600.000 Euro städtischem Finanzzuschuss könnte man aber in der Tat einige Musik-Karrieren zünden.

Trotz alledem: Gratulation! Die hehren Ziele, die guten Vorsätze, Österreichs einzigen Musikaward musikalischer, demokratischer und vor allem für Newcomer und Künstler mit Originalität chancengerechter und fördernder zu gestalten, wurden erreicht bzw. umgesetzt. Das Raunzen und Jammern, das Neidisch-sein, das nach außen gekehrte Sich-selbst-nicht-schätzen, in das man sich in Österreich aber nicht nur in diesem Bereich bereitwillig verrennt, hat man allein damit aber nicht abwürgen können. Die Ermutigung des Abends bleibt die Botschaft des posthum für sein Lebenswerk geehrten Hansi Lang: "Keine Angst!"

von Christoph Andert

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