Stümperfehler

RH: Sensible Daten gingen an Telekomfirmen

Österreich
15.09.2008 20:10
Beim Thema Datenschutz sind die österreichischen Behörden offenbar ganz große Stümper: Einem Rechnungshofbericht ist jetzt zu entnehmen, dass die Gerichte allein im Jahr 2006 mehr als nur einmal sensible Informationen über abgehörte Personen an Telekomfirmen weitergegeben haben, obwohl dazu überhaupt keine Notwendigkeit bestand. Selbst die Identität von Vertrauenspersonen wurde den Telekomfirmen enthüllt, in einem Fall wurde sogar der Name eines verdeckten Ermittlers genannt. Die Vorwürfe beziehen sich übrigens auf die Zeit, bevor das neue Sicherheitspolizeigesetz bestimmte Überwachungen auch ohne richterliche Genehmigung erlaubte. Ob gewöhnliche Polizisten beim Datenschutz sorgfältiger sind, sei dahingestellt.

Der Rechnungshof spricht von „gesetzwidrigen Handlungen der Gerichte“. Man hat lediglich stichprobenartig (!) überprüft, ob sich die Gerichte bei der Anordnung von Überwachungsmaßnahmen an die gesetzlichen Vorschriften halten. Ergebnis: In 90 Prozent der Fälle wurden deutlich mehr Informationen an die Telefonfirmen übermittelt, als gesetzlich erlaubt. Damit erfuhren die Telekomfirmen nicht nur die benötigten Informationen (Name und Anschluss des Betroffenen sowie Beginn und Ende der Überwachung), sondern auch den Namen des Beschuldigten und die Tat, derer er verdächtigt wurde. Und das geht die Provider überhaupt nichts an!

Falsche Formulare verwendet
In einigen Fällen wurden laut RH sogar die Namen von Vertrauenspersonen und sowie eines verdeckten Ermittlers an die Firmen übermittelt, obwohl dafür besondere Geheimhaltungsbestimmungen gelten. Grund für die Datenschutzverletzungen war übrigens, dass die Gerichte die falschen Formulare verwendeten und statt der knappen „Mitwirkungsbeschlüsse“ die deutlich umfangreicheren „Anordnungsbeschlüsse“ an die Telekomfirmen übermittelten - was laut Rechnungshof schlicht „gesetzwidrig“ war. Laut Justizministerium wurde das mittlerweile abgestellt.

Die nüchterne Beurteilung der Rechnungshof-Prüfer: „Die Hinweise auf den Einsatz eines verdeckten Ermittlers sowie auf Vertrauenspersonen waren aus Sicht des RH geeignet, deren körperliche Integrität und Sicherheit zu gefährden.“ Und: „Durch die Übermittlung der Anordnungsbeschlüsse wurden darüber hinaus die schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen sämtlicher in diesen Beschlüssen genannter Personen und somit deren verfassungsmäßig gewährleistetes Grundrecht auf Datenschutz verletzt.“

Überwachung? Nur zwischen 9 und 17 Uhr…
Der Bericht geht aber nicht nur mit der Justiz, sondern auch mit den Telekomfirmen hart ins Gericht, denen der Rechnungshof unzureichende Mitwirkung an der Überwachung attestiert. Die gerichtlich angeordneten Maßnahmen wurden von den Betreibern nämlich nicht sofort eingeleitet, sondern nur zu Bürozeiten, wie der Rechnungshof kritisiert. Umgekehrt erfolgte in einigen Fällen auch eine am Freitag angeordnete Beendigung der Telefonüberwachung erst am Montag - das Wochenende über wurden die Gespräche also ohne richterliche Genehmigung abgehört.

Im Bereich des Innenministeriums kommt der Rechnungshof zum Schluss, dass die Ausrüstung für die Videoüberwachung mangelhaft („inhomogen und verbesserungsbedürftig“) ist. Außerdem empfehlen die Prüfer angesichts der geringen Fallzahlen, auch die Durchführung des „kleinen Späh- und Lauschangriffs“ bei der Sondereinheit für Observation zu konzentrieren. Demnach gab es im Jahr 2006 nur einen großen und einen kleinen Lauschangriff, außerdem wurden 56 „Videofallen“ eingerichtet.

Deutlich größer war die Zahl der Telefonüberwachungen: Laut Rechnungshof wurden 2006 3.979 Telefonüberwachungen angeordnet, 2005 waren es noch 4.560 und 2004 3.760 gewesen. In nahezu der Hälfte der Fälle wurde 2006 auch der Gesprächsinhalt abgehört (1.866 Inhaltsüberwachungen), in 798 Fällen wurde nur der Standort eines Mobiltelefons festgestellt, 1.315 Telekomüberwachungen betrafen Vermittlungsdaten.

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