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13.11.2025

Wintersport Salzburg

Bischofshofen: Wo der Kopf über den Sieg entscheidet

Die Paul-Außerleitner-Schanze ist mehr als das Finale der Vierschanzentournee - sie ist ein Prüfstein für mentale Klarheit, Konzentration und innere Haltung.

Austragungsort des finalen Springens der Vierschanzentournee    Foto: Ingo Jensen

Toni Innauer kennt diesen Ort wie kaum ein anderer. Als Olympiasieger, Ex-National- und Cheftrainer, Autor & Sportphilosoph weiß er: Wer hier bestehen will, muss nicht nur technisch, sondern auch geistig auf der Höhe sein. In Bischofshofen entscheidet oft der Kopf über den Flug - zwischen Tausenden Zuschauern, Fernsehkameras und dem Druck des letzten Springens.

Wie bereitet man sich als Athlet mental auf die Paul-Außerleitner-Schanze vor?
Toni Innauer: Bischofshofen hat aufgrund des langen, flachen Anlaufs einen besonderen "Rhythmus“. Man ist viel länger in der Hocke, und es fehlt der Auftaktdruck des Radius. Das kann vorher visualisiert werden. Die Athleten helfen sich dabei auch mit den Videos der Helm-Kamera-Springer, um sich noch intensiver und "taktsicherer“ in die Abläufe hineindenken zu können. Da die mentale Energie nach einer strapaziösen Tournee ohnehin auf Reserve läuft, ist es wichtig, nicht durchgehend ans Springen und den Wettkampf zu denken. Bewusste Ablenkung durch andere Aktivitäten wie Lesen oder ein Spaziergang helfen genauso wie Gespräche über schanzenferne Themen.

Gute Springer wissen, dass sie "ihr Pulver frühzeitig verschießen", wenn sie dauernd an den Wettkampf denken. Konzentriert in kurzen Etappen auf das Ereignis fokussieren, und dann wieder komplett loslassen, ist viel besser. Man kann eben nicht über die Brücke gehen, bevor man am Ufer steht...

Gibt es mentale Tipps aus dem Skispringen, die sich generell bewährt haben?
Lernen Sie eine einfache Form der Meditation, um sich zu entspannen und in diesem Zustand bevorstehende Herausforderungen visualisieren zu können.
Üben Sie Kopfkino! Spielen Sie Abläufe immer wieder in allen Details durch, unter Einbeziehung möglichst vieler Sinne und in bestärkender Form durch.
Lernen Sie dadurch, ihre Emotionen besser zu kontrollieren und unter Belastung umsichtiger und entschlossener zu sein.

Rechnen Sie damit, dass Verhaltensänderungen viele Wiederholungen benötigen. Rückschläge sind kein Scheitern, sondern erwartbare Hindernisse auf dem Weg zum Projekterfolg. Missglückte Sprünge lehren uns auch etwas über die Beschaffenheit der Wirklichkeit und (noch) mangelnde persönliche Anpassung.

<i><b>"Hier ist man viel länger in der Hocke, und es fehlt der Auftaktdruck des Radius. Das kann vorher visualisiert werden."</b></i><br/>Olympiasieger Toni Innauer 1980 Gold in Lake Placid (USA), <br/>1976 Silber in Innsbruck <br/>   Foto: Ingo Pertramer
"Hier ist man viel länger in der Hocke, und es fehlt der Auftaktdruck des Radius. Das kann vorher visualisiert werden."
Olympiasieger Toni Innauer 1980 Gold in Lake Placid (USA),
1976 Silber in Innsbruck 
   Foto: Ingo Pertramer

Wie kann man innere Haltung trainieren - auch ohne Schanze und Medaillen?
Gute Bücher liefern immer wieder wunderbare Inspiration. Abendliches Nachdenken, Niederschreiben in Form eines Tagebuches: Bilanz ziehen über den Tag: Was ist mir geglückt? Wem war ich nützlich? Wobei habe ich mich bewährt, mich selbst überrascht? Was habe ich wann gelernt. Wofür bin ich dankbar. Worauf freue ich mich morgen? Was nehme ich mir vor? Was ist morgen wichtig? Wie bereite ich mich vor, um mich nicht von Nebensächlichkeiten ablenken zu lassen? Wie belohne ich mich, wenn es geschafft ist?

Im Spitzensport passiert das systematisch zwischen Sportlern und ihrem Betreuerteam wie Trainern, Physiotherapeuten, Sportpsychologen, Material-Technikern, Mediensprechern. Im Alltag müssen wir das mit uns selbst ausmachen und natürlich mit Familie, Freunden und Mitarbeitern.



von Susanne Zita