Als langjährig tätiger Rechtsanwalt verfolge ich die so genannte Inseratenaffäre auch in Bezug auf ihre politische Bedeutung, die zum Rücktritt von Sebastian Kurz und einer großflächigen Regierungsumbildung führte. Die Hoffnungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, Sebastian Kurz als Mastermind zu überführen, haben sich bisher nicht einmal durch die Aussagen von Sabine Beinschab, die sich der Anklagebehörde als Kronzeugin andiente, erfüllt. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat sich nun in der vergangenen Woche bemüßigt gesehen, die frühere Familienministerin Sophie Karmasin durch das Bundeskriminalamt verhaften zu lassen, obwohl doch mit Sicherheit anzunehmen war, dass Frau Karmasin jeder Ladung zur Einvernahme freiwillig Folge geleistet hätte. Als ob diese wohl unangemessene Härte nicht schon genug wäre, beantragte die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft nach zweitägigem Verhör die Verhängung der Untersuchungshaft über Frau Karmasin wegen angeblicher „Tatbegehungsgefahr“. Tatbegehungsgefahr bedeutet nichts anderes als Wiederholungsgefahr. Abgesehen davon, dass nach der Lage des Verfahrens weder Frau Karmasin noch Kunden auch nur im Traum daran dächten, weitere Umfragen durchzuführen oder zu beauftragen, hat Frau Karmasin ihren Beruf als Meinungsforscherin laut Zeitungsmeldungen schon seit Monaten an den Nagel gehängt. Trotz all dieser wohl jegliche angebliche Wiederholungsgefahr ausschließenden Umstände fand die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft einen Richter, der über Frau Karmasin die Untersuchungshaft wegen angeblicher Tatbegehungsgefahr verhängte. Ich habe seither mit vielen Kollegen meines Standes gesprochen und nicht einen gefunden, der die Entscheidung des Richters hätte nachvollziehen können. Stattdessen keimt die Vermutung auf, dass Frau Karmasin durch die Haft psychisch gebrochen werden soll, um sie zu Aussagen, die Sebastian Kurz belasten, zu zwingen. In Wahrheit wurde meiner Einschätzung nach die gesetzlich verpönte Beugehaft in der Verkleidung einer Untersuchungshaft wegen „Tatbegehungsgefahr“ verhängt. Ich kann unter diesen Umständen nur sagen: „Gute Nacht, Rechtsstaat.“
Dr. Michael Krüger, Rechtsanwalt, Wien
Erschienen am Mi, 9.3.2022
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