Fehler mit Folgen

Schneckentempo statt Hochgeschwindigkeit

Ausland
25.10.2007 12:00
Berechnungsfehler mit Folgen: Weil eine Baufirma in Barcelona an einer falschen Stelle gebohrt hat, ist ein Tunnel beschädigt und die meistbefahrene Eisenbahnstrecke in ganz Spanien lahmgelegt worden. 160.000 Pendler müssen nun mindestens zwei Wochen lang von der Bahn auf Busse umsteigen und große Zeitverluste auf dem täglichen Weg zur Arbeit in Kauf nehmen. Viele steigen auf das Auto um und bleiben in endlosen Staus stecken. Das Verkehrschaos in der zweitgrößten Stadt Spaniens hat Folgen bis in die hohe Politik. Ministerpräsident Jose Luis Rodriguez Zapatero wird am Mittwoch kommender Woche im Parlament zur Rechenschaft gezogen.

Die zweiwöchige Schließung der Bahnstrecke, die von Süden in die 1,8-Millionen-Stadt hineinführt, ist kein Einzelfall. Seit Monaten wird die Eisenbahn in Barcelona von einer Serie von Pannen heimgesucht. Mal wurden Strecken wegen Erdrutschen gesperrt, mal fielen Züge wegen gerissener Oberleitungen aus. Die Pendler in der katalanischen Metropole stehen fast täglich vor der Frage: "Fährt mein Zug heute oder fährt er nicht?"

Schneckentempo statt Hochgeschwindigkeit
Ausgelöst wurden die Pannen zumeist durch die Arbeiten zum Bau einer Hochgeschwindigkeitsbahn (AVE), die Barcelona mit Madrid verbinden soll. Statt Hochgeschwindigkeit gibt es für die Katalanen bisher jedoch nur Schneckentempo. Die jüngste Panne ereignete sich, als eine unterirdische Betonmauer mit einem Hochdruckverfahren ins Erdreich gezogen wurde. Damit sollte das Terrain für den Bau eines AVE-Tunnels gefestigt werden. Dabei wurde jedoch die Wand eines bereits bestehenden Bahntunnels eingedrückt - und das an einem Knotenpunkt unweit des Hauptbahnhofs.

Verfrühtes Ende
Die Bahnen, die aus südlicher Richtung nach Barcelona kommen, enden nun in den Vorstädten, und die Fahrgäste müssen in Busse umsteigen. Eine Gruppe ausländischer Studenten schaute ziemlich ratlos drein, als ihr Zug bereits in Sant Vicenc de Calders (50 Kilometer südlich von Barcelona) seine Endstation hatte. Schließlich fand sich ein Einheimischer, der den ahnungslosen Fremden in gebrochenem Englisch weiterhalf: "This train is finish."

Buschauffeure auf Irrwegen
Für den Ersatzverkehr ließ die Bahn eine Flotte von 200 Bussen aus ganz Spanien heranschaffen. Pendler aus Vorstädten wie Sitges oder Vilanova, die sonst mit der Vorortbahn in 50 Minuten an ihrem Arbeitsplatz waren, benötigen nun über zwei Stunden. An den ersten Tagen kam es immer wieder vor, dass die Chauffeure der Ersatzbusse sich verfuhren und den Pendlern zu einer "Stadtrundfahrt" verhalfen, weil sie sich in Barcelona nicht auskannten.

1,6 Millionen Stunden Zeitverlust
Die Gewerkschaft UGT rechnete aus, dass die Pendler durch das Bahn-Chaos insgesamt 1,6 Millionen Stunden Zeit verlieren, für die sie keine Entschädigung erhalten. Die Bahngesellschaft Renfe erlaubte, dass die Züge und Busse auf den betroffenen Strecken gratis benutzt werden dürfen, erntete damit aber bei den frustrierten Katalanen Hohn und Spott. "Nun gibt es das Chaos umsonst", witzelte die Zeitung "La Vanguardia". Ein Pendler meinte: "Das hilf mir gar nichts. Ich muss früher aufstehen und komme trotzdem zu spät zur Arbeit."

Chaos mit Folgen für die Politik
Die sozialistische Zapatero-Regierung könnte das Chaos in Barcelona teuer zu stehen kommen. Bei den anstehenden Parlamentswahlen könnte sie für die Fehler der Bahn die Quittung erhalten. Die betroffenen Vorstädte zählen zum "roten Gürtel" um Barcelona mit den Hochburgen der Sozialisten. Bei der Wahl im kommenden März dürfte mancher sozialistische Stammwähler es sich anders überlegen.

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