Efgani Dönmez:

“Türkei sorgt für Chaos vor der Haustüre Europas”

Oberösterreich
12.04.2017 09:43

Efgani Dönmez (40) arbeitete sich vom Gastarbeiterkind zum ersten Mandatar mit Migrationshintergrund im Parlament hoch. Nach Querelen mit seiner Partei, den Grünen, bekam er kein Mandat mehr. Der türkischstämmige Linzer gilt als Migrationsexperte. Im "Krone"-Interview kommentiert er die Vorgänge in der Türkei und wie sich diese auf unser Land auswirken.

"Krone": Wir verfolgen gebannt die antidemokratischen Entwicklungen in der Türkei. Was geschieht da eigentlich?
Efgani Dönmez: Die Türkei galt lang als Vorzeigebeispiel für eine Vereinbarkeit von Islam und Demokratie. Mittlerweile ist dieses zarte Pflänzchen zunichte gemacht worden. Die Politik der AKP entzweit nicht nur die türkische Gesellschaft, sondern auch die Türken, die in ganz Europa verstreut sind.

"Krone": Die Türkei legt sich mit vielen Ländern an...
Efgani Dönmez: Ja, das sorgt für Chaos vor der Haustüre Europas. Ausgenommen sind die reichen arabischen Golfstaaten, vor allem Saudi Arabien und Katar - alles sehr reaktionäre, islamistische Länder, die enge finanzielle und ideologische Beziehungen zur Türkei und zum Balkan pflegen.

"Krone": Die Türken in Österreich galten lange als Beispiel für gelungene Integration. Bekommt das Bild Kratzer?
Efgani Dönmez: Ja, leider. Es gibt heute auch in Europa ein reaktionäres nationalistisch-islamistisches Milieu. Das verändert unsere Gesellschaft, das sollten wir nicht unterschätzen. Den aufgeklärten, säkularen Türken wird der Atem abgeschnürt. Fast alle unsere Großparteien haben Vertreter aus bekannten reaktionären Gruppierungen in ihren Parteistrukturen. Sie halten aber ihre schützende Hand darüber. Das führt zu einem doppelbödigen Spiel und zu vielen Scheindiskussionen.  Unsere Politik reagiert leider nur, anstatt wirklich zu handeln.

"Krone": Was sind mögliche Motive bei den Parteien dahinter?
Efgani Dönmez: Es ist eine Mischung aus Kalkül und Naivität. Kalkül, weil diese Leute für eine Partei innerhalb kürzester Zeit viele Wählerstimmen mobilisieren können. Und Naivität, weil Einflüsse von nationalistisch-islamistischen Kräften sicher keine kulturelle Bereicherung für uns sind. Im Gegenteil.

"Krone": Ich sehe, dass Kinder und Jugendliche - die Mädchen mit Kopftuch - am Wochenende in türkische Ortsvereine in unseren Gemeinden gehen. Was passiert dort?
Efgani Dönmez: Sie sind angehalten, am Wochenende, oft auch in den Ferien, den Koran-Kurs zu besuchen. Sie müssen auswendig lernen, rezitieren und werden hier von Leuten unterrichtet, die nicht immer eine pädagogische oder theologische Ausbildung haben. Sie werden hier auch mit Gedankengut konfrontiert, das sie gar nicht verstehen können. Man kann sich ausrechnen, was dabei rauskommen kann.

"Krone": Sind diese Vereine denn wirklich unabhängig?
Efgani Dönmez: Wir wissen genau, dass viele dieser Vereine verlängerte Arme der politischen Parteien aus der Türkei oder anderen Ländern sind. Es sind Brückenköpfe einer nationalistisch-reaktionären Gesinnung in Europa. Das Vereinsrecht wird missbraucht, wir hätten aber ausreichend Gesetze, dem einen Riegel vorzuschieben.


"Krone": Wie sollen wir in Österreich damit umgehen?
Efgani Dönmez: Es gibt viele aufgeschlossene, offene Türken. Wir können differenzieren. Wir sollten aufhören, die Menschen in Herkunft, Religionszugehörigkeit und Ethnien einzuteilen. Unsere Werte der Aufklärung - Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit, Gleichstellung und Selbstbestimmung von Mann und Frau - sind hart erkämpft worden. Wer für diese Werte eintritt, ist in einer offenen Gesellschaft eine Bereicherung, egal, woher er stammt. Wer unsere Toleranz aber missbraucht, um hier eine islamistische Agenda - und damit eine reaktionäre Gesellschaftsordnung zu implementieren - ist eine Gefahr. Ihm sollte das Aufenthaltsrecht entzogen werden.

"Krone": Sie haben sich vom Arbeiterkind hochgearbeitet. Hat jeder in Österreich die Chance, etwas zu werden?
Efgani Dönmez: Ja, ich halte nichts von der Opferrolle. Es wird einem nichts geschenkt, wenn man Mustafa oder Fatma heißt, schon gar nicht. Grundsätzlich kann jeder in diesem Land eine gute Ausbildung machen und die Universität besuchen, wenn er nur will.

"Krone": Was ist Ihr Glaube?
Efgani Dönmez: Ich bin Moslem mit alevitischen Wurzeln und will aufrichtig durch das Leben gehen. Von politisiertem Glauben halte ich nichts.

"Krone": Leben Sie gefährlich?
Efgani Dönmez: Ich muss mit Übergriffen rechnen. Aber ich versuche dennoch immer, die Visionen, die ich habe, in die Realität umzusetzen.

Elisabeth Rathenböck, Kronen Zeitung

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