Lebendige Aufarbeitung

Südweststeiermark: NS-Projekt geht an die Schulen

Steiermark
09.12.2025 18:00

Vier Jahre lang wurde die Südweststeiermark unter Schirmherrschaft des Grazer Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung auf Spuren der NS-Zeit durchleuchtet. Schlusspunkt ist nun ein knapp 50-seitiger Leitfaden, der in den Schulen zum Nach- und Weiterdenken anregen soll.

Grundlage ist das Kompendium „Die Südweststeiermark im NS-Regime“, das unter Federführung des Historikers Markus Rieger-Roschitz den Stand der Forschung zusammenfasst und Lücken aufzeigt. Und davon gab es vor allem im Bezirk Leibnitz einige. Der einstimmige Beschluss im Regionalvorstand zur fundierten historischen Aufarbeitung war der folgerichtige Startschuss, wie der Langer Bürgermeister Joachim Schnabel bei der Präsentation am Dienstag betonte. Dabei stand neben der wissenschaftlichen Analyse auch die Weitervermittlung im Mittelpunkt: „Es geht darum, mit Schülern in Kontakt zu treten und ihnen Instrumente in die Hand zu geben“, um sich den dunklen Kapiteln der Vergangenheit zu nähern und Diskussionen loszutreten.

3000 Zeitgeschichte-Reader für Schüler in Leibnitz und Deutschlandsberg
So werden ab sofort rund 3000 Stück des druckfrischen Readers an höheren und mittleren Schulen in den Bezirken Leibnitz und Deutschlandsberg verteilt. Zielgruppe sind Schüler ab 13 Jahren – und deren Lehrer, denn neben den historischen Abrissen zu insgesamt zehn Themenbereichen wie Grenzland-Ideologie, Kindheit und Jugend im NS-Staat, Terror, Widerstand und Verfolgung sind jeweils Informationen für Pädagoginnen und Pädagogen enthalten. Hier finden sich Anregungen, wie die Schüler durch Debatten, „Dachbodenforschung“ und Überlegungen zum Umgang mit totalitären Tendenzen unserer Zeit tiefer in die Materie eintauchen können.

„Katalysatoren“ im Kampf gegen Fake News
„Schulen sind Katalysatoren“, sagt die Zeithistorikerin Barbara Stelzl-Marx, Leiterin des Boltzmann-Instituts. „Wir brauchen neue Formen der Vermittlung, da immer weniger Zeitzeugen zur Verfügung stehen.“ Besonders wichtig ist ihr dabei der Brückenschlag in Gegenwart und Zukunft und hier vor allem der Kampf gegen Fake News, „der uns im Institut bereits stark beschäftigt“.

Zeithistorikerin Stelzl-Marx und Bürgermeister Schnabel, flankiert von den Autoren Philipp ...
Zeithistorikerin Stelzl-Marx und Bürgermeister Schnabel, flankiert von den Autoren Philipp Lesiak (li.) und Markus Rieger-Roschitz(Bild: RMSW)

19 Erinnerungsorte in den beiden Bezirken, zusammengefasst auf einer  handlichen Faltkarte, stellen sich nach der professionellen Aufarbeitung durch die Historiker nun dem kritischen Blick der Schüler. Das Spektrum reicht von Schloss Lannach ganz im Norden der Region, wo im „Institut für Pflanzengenetik“ der SS ab 1943 KZ-Häftlinge und Zeugen Jehovas zum Arbeitseinsatz herangezogen wurden, bis Schloss Trautenburg in Leutschach, das im November 1944 von einer Fliegerbombe getroffen wurde.

Ausgewählte Erinnerungsorte mit Bezug zum NS-Regime

  • Das ehemalige Lager des Reichsarbeitsdienstes in St. Oswald im Freiland war Schauplatz der Ermordung von fünf auf der Koralm operierenden Partisanen.
  • Schloss Schwanberg: Vom damaligen „Gau-Pflegeheim für Geisteskranke“ wurden Dutzende Patienten zuerst in den Grazer Feldhof, dann in die Tötungsanstalt Hartheim gebracht.
  • Das bischöfliche Schloss Seggau wurde zwar nicht beschlagnahmt, musste aber als Saatvermehrungsstelle herhalten. Ab 1942 wurden hier 34 „Ostarbeiter“ eingesetzt.

Gegengewicht zur omnipräsenten Römerzeit
„Wir wollen die Schüler anhand von Originalquellen zum Arbeiten bringen“, beschreibt Historiker Philipp Lesiak den Zugang zur schwierigen Materie. Stelzl-Marx ergänzt, dass auch die seit einiger Zeit in Umlauf befindliche und etwa in Gemeindeämtern und Tourismusbüros aufliegende Faltkarte zur Bewusstseinsbildung beitragen soll: „In der Region sind vergleichbare Karten zur Römerzeit sehr präsent, sogar in Buschenschenken stößt man auf sie. Mit unserem Projekt soll auch die NS-Zeit greifbarer werden.“

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