Der Einsatz von automatisierten Gesichtserkennungen bei einer Demo beschert der Polizei Kritik von Datenschützern. Der NGO epicenter.works fehlt dafür die Rechtsgrundlage, sie legte bei der Datenschutzbehörde Beschwerde ein.
Rund 140 Personen waren rund um die Demonstration gegen die Gaskonferenz von 27. bis 29. März 2023 in Wien festgenommen worden. Die Demo wurde letztlich gewaltsam aufgelöst, wofür sich die Landespolizeidirektion Wien den Vorwurf überschießender Polizeigewalt anhören musste. Gegen zahlreiche Demonstranten wurden Verfahren eingeleitet.
Unter ihnen war auch N., der sich vor Ort – wie viele andere – nicht ausweisen wollte. Die Polizisten machten daraufhin Fotos von ihm. Danach wurde ein Verfahren eingeleitet. Wie gegen insgesamt 165 Klimaaktivistinnen und -aktivisten im Zusammenhang mit der Demo gegen die Gaskonferenz wurde auch gegen ihn das Verfahren eingestellt.
Erst auf dezidierte Nachfrage bei der Polizei, wie seine persönlichen Daten verwendet wurden, stellte sich heraus: Die Identifikation erfolgte mittels automatisierter Gesichtserkennung. Dafür fehlt laut epicenter.works die rechtliche Grundlage, die NGO legte in seinem Namen Beschwerde ein.
Mit Stand März 2020 waren in der Datenbank des BMI Datensätze von über 600.000 Personen gespeichert – mittlerweile dürften es einige mehr sein. Laut Europäischem Gerichtshof darf der Einsatz solcher Tools nicht beliebig ausgeweitet werden. Über acht Prozent der österreichischen Bevölkerung weise aber jedenfalls auf eine derartige Ausweitung hin, heißt es von der Datenschutz-NGO.
Gesichtserkennung fehlerhaft
Diese Technologie ist dabei keinesfalls fehlerfrei. Im Herbst 2023 wurde ein Österreicher in Serbien zwei Monate in U-Haft behalten, da gegen ihn ein internationaler Haftbefehl vorlag, ausgestellt von der Staatsanwaltschaft Graz. Ihm wurde vorgeworfen, Chef einer Falschgeldbande zu sein. Der Vorwurf stützte sich auf ein Video einer Supermarkt-Überwachungskamera. Er wurde letztlich freigelassen, als seine Unschuld festgestellt wurde.
Auch im konkreten Fall seien Personen falsch identifiziert und Verfahren gegen Menschen eingeleitet worden, die gar nicht an der Demo teilnahmen, so die NGO.
Gefahr von Willkür
N. fordert für den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware klare Regeln: „Solche Gesichtserkennungssoftwares sind rechtlich hochproblematisch und sollten eigentlich nicht zum Einsatz kommen – und wenn es zwingend notwendig erscheint, dann nur unter klaren Regeln und keinesfalls gegen politische Demonstrationen.“
Das sieht auch Sebastian Kneidinger von epicenter.works so: „Wir sehen in Ländern wie Ungarn, wie Gesichtserkennung auch gezielt zur Einschränkung von Protesten eingesetzt werden kann. Solche Entwicklungen dürfen in einer Demokratie keinen Platz haben“.
EU-Richtlinie nicht anwendbar
Grundsätzlich wurde mit dem AI Act ein EU-Gesetz geschaffen, um risikoreiche KI-Einsätze wie Gesichtserkennung einzuschränken bzw. zu verbieten (etwa Echtzeit-Gesichtserkennung im öffentlichen Raum). Davon ausgenommen sind jedoch Angelegenheiten der „nationalen Sicherheit“.
Kneidinger bemängelt das: „Die Gefahren durch den unkontrollierten Einsatz Künstlicher Intelligenz zeigen sich längst in der Realität. Genau deshalb braucht es verbindliche Regeln wie den AI Act, um Grundrechte effektiv abzusichern.“
Das Innenministerium sieht diese Rechte naturgemäß abgesichert. Der entsprechende Passus sei jedoch überholt und enthalte keine Ausführungen zum Einsatz Künstlicher Intelligenz, so die Datenschützer.
Karner: „Keine Abgleiche in Echtzeit“
In der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage zum Fall des in Serbien inhaftierten Mannes, hielt Minister Gerhard Karner (ÖVP) fest: „Durch den digitalen Bildabgleich erfolgt keine Identifizierung, diese erfolgt immer durch einen Menschen. Weitere Maßnahmen aufgrund des Abgleichergebnisses bedürfen staatsanwaltschaftlicher Anordnungen bzw. einer gerichtlichen Bewilligung. Es erfolgen keine Abgleiche in Echtzeit. Diskriminierungen aufgrund der Hautfarbe, Geschlecht oder anderer Faktoren sind dadurch ausgeschlossen.“
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