Rote Asyl-Debatte

Kaisers „Meinung“ und „nicht akkordierter“ Brief

Innenpolitik
04.06.2025 12:26

Bahnt sich eine Wende in der roten Asylpolitik an? Immer mehr SPÖ-Granden können einer Änderung der Europäischen Menschenrechtskonvention im Bereich der Migration einiges abgewinnen. Nach Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser und dem ehemaligen Tiroler SPÖ-Landesparteivorsitzenden Georg Dornauer spricht sich auch Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil dafür aus. Aus Sicht von Bundesparteichef Andreas Babler handelt es sich aber lediglich um Einzelmeinungen.

Am Rande des Ministerrats hielt der rote Vizekanzler einerseits fest, dass es sich bei dem offenen Brief von Bundeskanzler Christian Stocker gemeinsam mit acht weiteren EU-Staaten, die eine Debatte über eine Neuauslegung der EMRK im Bereich der Migration anstoßen wollen – krone.at berichtete –, um keine mit dem Koalitionspartner akkordierte Aktion gehandelt habe. Anderseits betont Babler, dass die „Meinung der SPÖ“ eine andere sei. Bei Kaisers Ausführungen zum Thema handle es sich um dessen Meinung. Er habe mit ihm auch schon ein Gespräch diesbezüglich geführt, sagte Babler.

Peter Kaisers Blog-Eintrag ist offenbar nicht nur eine Einzelmeinung innerhalb der SPÖ.
Peter Kaisers Blog-Eintrag ist offenbar nicht nur eine Einzelmeinung innerhalb der SPÖ.(Bild: APA/GERD EGGENBERGER)

Kaiser fordert „unideologische Diskussion“
Kaiser hatte am Dienstag in seinem Blog eine „offene Diskussion“ über die EMRK-Frage gefordert. Wer die EMRK auf den Prüfstand stelle, stelle nicht ihre Werte infrage, sondern versuche, sie an neue Herausforderungen anzupassen, damit sie nicht zur Zielscheibe demokratiefeindlicher Kräfte werde. „Ich rufe daher zu einer offenen, unideologischen Diskussion auf: Lassen wir nicht zu, dass extreme Positionen von Rechts wie Links diese wichtige Debatte kapern. Lassen wir stattdessen Raum für Besonnenheit, für Expertise, für vorausschauende Verantwortung. Eine Demokratie ist stark, wenn sie bereit ist, sich selbst zu reflektieren und ihre Instrumente weiterzuentwickeln – und sie ist gefährdet, wenn sie sich in Formalismen verkriecht und Debatten verweigert“, appellierte der Landeshauptmann.

Doskozil: „Viel zu lange ,Placebo-Diskussionen‘ geführt“
Ebenfalls eine „ernsthafte Initiative für mehr Abschiebungen“ und damit eine Anpassung der EMRK will der burgenländische Amtskollege Kaisers. Doskozil sagte am Mittwoch dazu, es seien alle Initiativen zu begrüßen, „die ernsthaft gemeint sind und zu konkreten Lösungen führen“. Die von Stocker angestoßene Debatte sei aus seiner Sicht „ein Symptom für das nationale und internationale Versagen in der Asylpolitik“. Doskozil will „klare, rechtsstaatliche Maßnahmen zur Senkung der Asylquote und für eine konsequentere Abschiebepraxis“, viel zu lange habe man in Österreich „Placebo-Diskussionen“ geführt, meinte er.

Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil begrüßt „ernsthafte Initiativen“.
Burgenlands Landeschef Hans Peter Doskozil begrüßt „ernsthafte Initiativen“.(Bild: APA/HANS KLAUS TECHT)

Dornauer: „Das ist längst überfällig“
Unterstützung für den Vorstoß Kaisers kam auch aus Tirol. Der ehemalige SPÖ-Landesparteivorsitzende Dornauer nannte gegenüber dem Online-Medium „exxpress“ eine Überprüfung der EMRK „längst überfällig“, diese sei zur „Einbahnstraße für Asylmissbrauch“ geworden. Nach dem Statement Dornauers meldete sich am Dienstag „seine“ Landespartei zu Wort und war alles andere als erfreut. „Die Aussagen des Abgeordneten Georg Dornauer in diesem Zusammenhang geben in keiner Art und Weise die inhaltliche Haltung der SPÖ Tirol wieder“, ließ Klubobfrau Elisabeth Fleischanderl wissen.

Ludwig sieht „keinen Änderungsbedarf“
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hielt am Rande der Präsentation der roten Wiener Regierungsriege fest: „Ich sehe keinen Änderungsbedarf bei der Europäische Menschenrechtskonvention. Von daher ist diese Diskussion eigentlich für mich erledigt.“

NEOS: „Menschen wollen keinen Kontrollverlust mehr“
Der pinke Koalitionspartner von ÖVP und SPÖ findet die Initiative auf EU-Ebene übrigens ebenfalls positiv. Außenministerin und NEOS-Chefin Meinl-Reisinger erklärte am Mittwoch: „Ich habe sie nie so verstanden, auch vom Herrn Bundeskanzler nicht, dass er grundsätzlich die Menschenrechtskonvention infrage stellt, sondern davon ausgeht, dass wir handlungsfähig sein wollen.“ Die Menschen würden den „Kontrollverlust“ und die irreguläre Migration „in diesem Ausmaß“ jedenfalls nicht mehr wollen, so Meinl-Reisinger. Handlungsfähigkeit des Staates und der EU müsse gegeben sein, aber auf Basis der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. 

FPÖ warnt vor „Nebelgranaten“, Grüne vor Rechtsstaat-Gefährdung
Für FPÖ-Verfassungssprecher Michael Schilchegger werden mit der aktuellen Debatte „wieder Nebelgranaten gezündet“, während „das Asyl- und Zuwanderungschaos“ Österreich weiter an den Rand der Belastbarkeit bringe. Die Grünen sehen ihrerseits bei Kaiser einen „befremdlichen Kniefall vor rechtspopulistischen Kräften“. „Wer an der Europäischen Menschenrechtskonvention rüttelt, sägt an den tragenden Grundpfeilern unseres Rechtsstaates“, warnte die Nationalratsabgeordnete und Kärntner Landessprecherin Olga Voglauer.

Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen den Mitgliedern des Europarats. Inhalte sind zum Beispiel das absolute Verbot von Folter und Todesstrafe, das Recht auf ein faires Verfahren sowie das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Die Konvention steht in Österreich im Verfassungsrang und ist Teil des Vertrags über die EU.

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