Während der Eiszeiten lagen die europäischen Alpen unter einer dicken Eisschicht. Klimaschwankungen führten zu großen Veränderungen im Vorkommen der Pflanzen: Sie überlebten die Kälteperioden in Refugien am Rand der Alpen, die sie nach dem Rückgang des Eises erneut besiedelten.
Solche Prozesse der Erdgeschichte lassen sich mit molekularen Analysen als "genetische Fingerabdrücke" nachweisen: Refugialräume und Besiedlungsrouten sind erkennbar als genetische Gruppen innerhalb der Pflanzenarten. In ihrem heutigen Vorkommen spiegelt sich also heute noch die nacheiszeitliche Besiedlungsgeschichte der Alpenpflanzen.
Unterschiede in äußeren Morphologie
Nicht bekannt war bisher aber, ob sich die Eiszeiten auch auf die Strukturen und Lebensweisen von Alpenpflanzen ausgewirkt haben. Ein Team um Jürg Stöcklin am Fachbereich Botanik und Ökologie der Universität Basel hat das jetzt in zwei Publikationen nachweisen können. Bei der Straussblütigen Glockenblume (kleines Bild) und der Kriechenden Nelkenwurz (Bild) haben die Kältezeiten auch für das Auge sichtbare Spuren hinterlassen. Diese Pflanzen, deren Vorfahren die Eiszeiten in unterschiedlichen Refugien überlebten, zeigen genetisch fixierte Unterschiede in ihrer äußeren Morphologie und in wichtigen funktionellen Eigenschaften.
So sind bei der Straussblütigen Glockenblume die Morphologie des Blütenstands und der Blühverlauf bei Pflanzen aus den Ostalpen anders als jene in den Zentral- und Westalpen. Bei der Kriechenden Nelkenwurz haben Pflanzen aus den Westalpen deutlich mehr Ausläufer, dafür aber weniger Blüten als in den Ostalpen, während die Gliederung der Blätter von Westen nach Osten zunimmt.
Pflanzen flexibler als angenommen
Die Basler Botaniker stellten weiters fest, dass die Unterschiede innerhalb einer Art zum Teil eine Folge der natürlichen Selektion sind. Zum Beispiel lässt sich der Blühverlauf bei der Straussblütigen Glockenblume als Anpassung an die unterschiedliche Dauer der Vegetationszeit erklären, mit kurz blühenden Pflanzen in den höheren Lagen mit kürzerer Vegetationszeit.
"Die Ergebnisse sind wichtig, um die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf Pflanzen zu verstehen", sagt Stöcklin. "So haben sich die Eiszeiten positiv auf die innerartliche Biodiversität ausgewirkt." Die Forscher konnten zudem zeigen, dass Pflanzen flexibler sind, als meistens angenommen wird. Klimaveränderungen wirken sich zwar auf die Verbreitung der Arten aus, aber Alpenpflanzen besitzen beträchtliche Fähigkeiten, sich genetisch an die sich ändernden Umweltbedingungen anzupassen.
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