Wiener Volksoper

Mozarts „Figaro“ für Weltfrieden und Feminismus

Kultur
23.05.2025 11:43

Lotte de Beer holt ihre „Figaro“- Inszenierung vom Festival in Aix-en-Provence an die Volksoper. In der im Sommer 2021 herausgekommenen Produktion setzt die Volksopern-Direktorin lustvoll auf Humor. Die Wiener Premiere ist am Samstag.

„Krone“: Wie lustig darf „Le Nozze de Figaro“ sein? Wie viel Slapstick verträgt Mozart? 
Lotte de Beer: 
Mozart hat den Slapstick in seine Oper hinein komponiert. Das ist richtiger Commedia dell’arte Humor. Man hört in der Musik, wenn sich jemand verschluckt, wenn einer hinter den Stuhl springt oder jemand eine Ohrfeige bekommt. Das kann man gar nicht hinaus inszenieren. Es ist sehr selten, dass Musiktheater so witzig ist.

Wo ist das revolutionäre Potenzial heute? 
In „Le Nozze di Figaro“ geht es um Sex und Macht. Das Stück hat seinen Wert, weil wir wieder diskutieren, wo hier die Grenzen liegen. Das hat in unserer Zeit auch zu einer Art Revolution geführt, nämlich durch MeToo. Das merkt man bei der Geschichte des Grafen, der immer noch denkt, er kann auf dem Recht auf die erste Hochzeitsnacht bestehen – und plötzlich sind alle gegen ihn. Das ist genau das Denken von manchen Boomern, die glauben, dass ihre Welt die perfekte war.

Ich habe selbst als Praktikantin erlebt, dass man nur ja nicht allein in einem Raum mit jemandem sein wollte, lieb lächelt, aber schaut, dass immer andere Leute um dich herum sind. Um nicht in eine Situation zu kommen, wo man Nein sagen muss. Denn dann könnte man womöglich körperlich in Gefahr kommen oder berufliche Nachteile erfahren.

In Lotte de Beers „Figaro“-Inszenierung gibt es viel zu Lachen.
In Lotte de Beers „Figaro“-Inszenierung gibt es viel zu Lachen.(Bild: Marco Sommer)

Der Graf hat in Ihrer Inszenierung eine große Präsenz und Dominanz. Wird er gar zur Hauptperson? 
Das ist für mich hundertprozentig Susanna. Aber der Graf ist natürlich das Problem. Wenn man über die toxische Kombination von Sex und Macht nachdenkt, hat das viel mit der eigenen Biografie zu tun, damit, wer man ist, mit der hierarchischen Position, dem Geschlecht, in welcher Zeit man groß wurde. So ist auch mein Konzept entstanden. Bei einem Dinner mit einer bunten, gemischten Gesellschaft kam es zu einer MeToo-Diskussion und die Ansichten darüber waren so unglaublich unterschiedlich, dass ich alle diese Blickwinkel separat pro Akt zeigen wollte. In der Ouvertüre sind wir noch ganz in der Commedia dell‘arte.

Susanna (Lauren Urquhart) kriegt einen Stromschlag und Figaro (Michael Arivony) freut's.
Susanna (Lauren Urquhart) kriegt einen Stromschlag und Figaro (Michael Arivony) freut's.(Bild: Marco Sommer)
Wenn der Diener Graf spielt: Michael Arivony (Figaro) in Sitcom-Deko.
Wenn der Diener Graf spielt: Michael Arivony (Figaro) in Sitcom-Deko.(Bild: Marco Sommer)
Ein gestrickter Wunderbaum fürs Finale.
Ein gestrickter Wunderbaum fürs Finale.(Bild: © Marco Sommer / Volksoper Wien)

Der erste Akt zeigt dann die Perspektive des Grafen. Warum im Stil einer Sitcom? 
Es ist eine Anspielung auf die Cosby-Show. So eine 80er-Jahre-Sitcom, wo man mit Augenzwinkern jemandem auf den Hintern klopft, weil man das eben so macht. Der zweite Akt gehört Susanna, einer Working-Class-Frau, die ein unglaubliches Multitasking schafft. Sie hat einen übergriffigen Chef am Hals, eine depressive Chefin, einen Teenager übervoll mit Hormonen, einen Haushalt, die eigene Hochzeit. Nach der Pause sind wir in der hermetischen Welt der Gräfin, eine ganz nihilistische, wo alle Hoffnung schon verflogen ist.

Und der vierte Akt? 
Da irren alle irgendwie herum. Aber es endet in Vergebung. Denn einfach nur die Machtverhältnisse umzudrehen, wird die Probleme der Welt nicht lösen. Das Einzige, was uns bleibt, ist, einander anzuhören und zu sagen, es tut mir leid, ich vergebe dir. Deshalb zeige ich den letzten Akt auch aus zwei Perspektiven. Aus der der jüngsten und der ältesten Frau: Barbarina und Marcellina.

Warum müssen die bei Ihnen stricken? 
Sie bilden eine Gemeinschaft und stricken für den Weltfrieden und den Feminismus. Und für ein Community-Feeling. Sie stricken Blumen, einen wunderbaren Baum und sie stricken Anzüge für sich selbst, die sehr Gender-Bender (bewusst gegen gesellschaftliche Geschlechterrollen und Stereotypen, Anmerkung) sind, denn alle Geschlechter sind willkommen.

Ihre Inszenierung ist recht pikant. Wie viele über die Bühne hüpfende lebensgroße Penisse verträgt das Volksopern-Publikum? 
Das müssen wir uns jetzt mal anschauen. Bestimmt gibt es eine Gruppe Leute, die sagen, das will ich nicht sehen. Aber ich fände es verkehrt, einen „Figaro“ zu konzipieren, mit der Idee, ich muss einen konservativeren Teil des Publikums befriedigen. Es ist ein revolutionäres, ein provokantes Stück. Das war es immer.

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