Regisseur Janusz Kica inszeniert im Theater in der Josefstadt Arthur Schnitzlers „Das weite Land“ sprachmächtig, klar und entschleunigt. Getragen wird der Abend von zwei intensiven Darstellern – Bernhard Schir und Maria Köstlinger.
Die Seele ist ein weites Land. Im Theater in der Josefstadt ist sie das aktuell auch in jeder Hinsicht. Regisseur Janusz Kica gibt dem Schnitzler-Klassiker viel Raum und Zeit, um seine verbalen Flügel in voller Pracht aufzuspannen. Die schwarze Drehbühne wird einzig von einer kahlen Wand geteilt, die Szenerie ist bis auf ein paar Gegenstände leer. Nur die schlichten Kostüme in der Ausstattung von Karin Fritz atmen einen Hauch Nostalgie. Zentrales Requisit ist hier die Sprache, der Star dieser Aufführung das Stück selbst.
Treffsichere Affektstudien
Arthur Schnitzlers in Szenen gepackte Lebensklugheit und seine treffsicheren Affektstudien sind hier ausgeleuchtet bis in den letzten Winkel der menschlichen Seelenlandschaft. Regisseur Kica bringt diesen emotionalen Sezierkurses zum Strahlen, nichts verstellt die Sicht auf das Stück. Und darin kann der angewandte Tiefenpsychologe Schnitzler nicht verleugnen, ein Zeitgenosse von Sigmund Freud gewesen zu sein. In jeder gesprochenen Zeile – und in all den bedeutungsvollen Pausen dazwischen – ist der Nährboden einer Zeit spürbar, aus dem Freuds Psychoanalyse entstanden ist.
Dass sich Schnitzlers Sprach-Wucht entfalten kann, liegt vor allem an zwei Darstellern. Wie ein Zweigestirn umkreisen sie sich den ganzen Abend, ohne einander je zu erreichen: Bernhard Schir als eindringlicher Fabrikant Friedrich Hofreiter, der unter Eindruck, zu früh in seinem Leben jung gewesen zu sein, durch das Stück taumelt. Er ist getrieben von einem Wechselbad an Emotionen: zum Abenteuer, zur blutjungen Erna (burschikos jugendlich: Johanna Mahaffy) und zu seiner unterkühlten Ehefrau. Dass sich als stärkste dieser Regungen die eiskalte Eitelkeit durchsetzt, mündet ins finale Drama.
Maria Köstlinger ist als seine Ehefrau Genia bemüht, jedes aufkeimende Gefühl eindrucksvoll wie erfolglos hinter einer noblen Maske zu verschanzen. Es sind diese niedergerungenen Seelentiefen, die rund um diese beiden tödliche Konsequenzen haben.
Dieses „Weite Land“ ist eine entschleunigte Insel der Zeitlosigkeit. Sie bildet einen scharfen Kontrast zu einer schnelllebigen Gegenwart, in der die kurzatmige Seele eher durch grelle Bilder taumelt, als die eigene Weite zu erkunden. Auch das darf, ja muss Theater sein: ein in Momenten äußerst wahrhaftiger, aus der Zeit gefallener Sehnsuchtsort.
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