Unglaubliche Story

Sprint-Wunder Rangl: Von der Hölle direkt zu Olympia?

Sport
02.07.2013 09:12
Seinen leiblichen Vater kennt er nicht. Der Stiefvater war Schwerstalkoholiker, der regelmäßig handgreiflich wurde. Körperlich lag er zwischenzeitlich völlig darnieder. Erst seit Jänner trainiert der 23-jährige Marco Rangl aus Eisenstadt professionell - schon im Februar lief er die Konkurrenz bei den Hallen-Staatsmeisterschaften über 60 Meter in Grund und Boden. Trainer und Gegner sind immer noch baff. Die unglaubliche Geschichte eines Wunder-Sprinters, der 2016 bei Olympia mitmischen will.

Am Wiener Universitätssportzentrum Schmelz herrscht reger Betrieb. Am Fußballplatz zangeln bei strahlendem Sonnenschein eher mäßig begabte Studenten um die Wette. Auf der Laufbahn analysieren eher überdurchschnittlich begabte Leichtathleten die Trainingseinheit. Einer von ihnen trägt eine rote Trainingsjacke, sie droht von den monströsen Oberarmen, die sie verhüllt, jede Sekunde zerfetzt zu werden. Als Zwischendurch-Snack "vernichtet" der Mann eine ganze Salatgurke in Rekordzeit.

"Fast jeden Tag höre ich den Doping-Vorwurf"
Es ist Marco Rangl, mit dem wir zum Interview verabredet sind. Er ist ein höflicher junger Mann, dessen beängstigend austrainierter Körper ständig bewegt werden will. Ruhephasen machen den 23-Jährigen sichtlich unrund. Umso nerviger, dass der Oberschenkel zwickt und derzeit hauptsächlich Krafttraining auf dem Programm steht. Als ob seine Muskelberge nicht ohnehin schon mächtig genug wären. Auf die Standardfrage hat Marco nur so gewartet. Nein, er nehme keine Dopingmittel, sicher nicht. "Den Vorwurf muss ich mir fast täglich anhören", schmunzelt er leicht gequält. "Ab und zu habe ich es mit diversen Nahrungsergänzungsmitteln versucht, es dann auf Anraten meines Trainers aber wieder bleiben lassen."

Seine Muskelberge sind eher das Resultat hervorragender Genetik und harten Trainings. Schon als Zehnjähriger stemmte der Burgenländer Gewichte. Allerdings nicht, weil er damals schon die Karriere als Sprinter im Kopf hatte. Rangls früher Hang zur Hyperaktivität rührt eher von extrem schwierigen Familienverhältnissen her. Sein Stiefvater, ein psychisch kranker Alkoholiker, machte Marco die Kindheit und seiner Mutter das Leben zur Hölle. Der Hass auf den Stiefvater setzte Kräfte und Aggressionen frei, die abgebaut werden wollten.

"Anstrengendes Kind"
Marco sei "ein anstrengendes Kind" gewesen, "das mir sicherlich die eine oder andere Herausforderung geliefert hat", erklärt Rosemarie Sadjed, seine Volksschullehrerin, im Gespräch mit krone.at: "Im Hinterkopf hatte ich aber immer eine Art intuitives Wissen, dass er eigentlich ganz anders ist. Bereits damals ahnte ich, dass sich hinter diesem eher vorlauten und aggressiven Gehabe ein sensitives Kind verbirgt. Sensitiv ist jemand, der Gespür für Verletzendes hat, und Marco hat sich selbst mit Sicherheit verletzt gefühlt."

Aus dem sensitiven Kind wurde ein HTL-Abbrecher und Amateur-Kicker. Sein Antritt war damals schon fast übermenschlich. "Ich war überall der Schnellste - egal, wo ich gespielt habe", erklärt Rangl. Nicht selten musste er sich häkerln lassen, zu schnell für den Ball zu sein. 

Im Video oben tritt Redakteur Michael Fally übrigens zum Sprint-Duell mit Rangl an. Auch dabei zeigt sich Marcos unglaubliche Antrittsgeschwindigkeit deutlich.

Trainer staunten
Nach einer Knieverletzung und einem körperlichen Totalabsturz ließ er das semiprofessionelle Gekicke bleiben. Durch Zufall landete er auf der Schmelz, wo er die Trainer prompt in Staunen versetzte. Die 20 Meter "fliegend" lief er auf Anhieb so schnell wie noch kein "Schmelzler" vor ihm. "Mein jetziger Trainer hat mir gesagt, dass ich Potenzial für die Europameisterschaften hätte", meint Marco, der wenige Wochen später für eine der größten Sensationen in der rot-weiß-roten Leichtathletik-Geschichte sorgen und sich den Staatsmeister-Titel über 60 Meter in der Halle sichern sollte.

Mit grippalem Infekt zum Staatsmeistertitel
Der Finallauf ist immer wieder beeindruckend anzusehen. Obwohl in Sachen Technik den Konkurrenten deutlich unterlegen, sprintete er auf den ersten 30 Metern einen unglaublichen Vorsprung heraus. Erst gegen Ende des Rennens verkrampfte er, sodass es "nur" zu einem knappen Sieg reichte - der freilich umso erstaunlicher anmutet, als Marco an jenem Tag körperlich auch noch alles andere als fit war. "Es ging mir damals privat nicht gut. Außerdem hatte ich schwere Magenkrämpfe und Durchfall. Nach einem nicht optimalen Vorlauf bin ich vor Enttäuschung in der Aula gelegen und wollte gar nicht mehr aufstehen, als mein Trainer sagte, dass ich in Kürze ja schon wieder laufen müsse."

"Sport hat mein Leben gerettet"
Mit dem Staatsmeistertitel waren die privaten Probleme wie weggewischt. "Seither geht's mir gut, ich bin hoch motiviert", erklärt er: "Der Sport hat mir wohl das Leben gerettet."

Sechsmal pro Woche, manchmal mehrmals täglich wird jetzt trainiert. Seinen Zenit hat er noch lange nicht erreicht. Potenzial gibt es laut Trainer noch massig abzuschöpfen. Sein unmittelbares Ziel: das WM-Limit zu knacken. Und dann gibt's da noch einen großen Traum: Olympia 2016. "Darauf arbeite ich hin, das will ich unbedingt erreichen." Marcos Augen glänzen. Ganz so, als wüssten sie, dass das letzte Kapitel der unglaublichen Geschichte Marco Rangls noch nicht geschrieben ist.

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