Die großen Ratingagenturen hatten vor dem Ausbruch der Finanzkrise zahlreiche US-Hypothekenpapiere mit sehr guten Bonitätsnoten versehen. Investoren verließen sich auf diese Urteile und griffen zu. Als die Krise ausbrach, verloren aber selbst mit der Bestnote Triple-A ausgezeichnete Papiere schlagartig an Wert.
Im Falle von Standard & Poor's dürften die Risiken bewusst heruntergespielt worden sein. Beweise dafür sollen laut dem Justizministerium unter anderem in internen E-Mails zu finden sein. Grund sei gewesen, dass die Ratingagentur Aufträge habe ergattern wollen. Denn nicht die Anleger hatten S&P mit der Bewertung der Hypothekenpapiere betraut, sondern die verkaufenden Banken. Dieses Geschäftsmodell wird zwar seit Jahren wegen der entstehenden Interessenkonflikte kritisiert, doch ist es bis heute üblich in der Branche.
Außergerichtlicher Vergleich zuvor gescheitert
S&P hatte vor Einreichung der Klage erklärt, eine mögliche Klage sei komplett unbegründet. Niemand habe das volle Ausmaß des Abschwungs am Immobilienmarkt vorausgesehen. Das gelte sowohl für Wettbewerber als auch für Regierungsvertreter. S&P habe sogar schneller als andere Bewerter weitreichende Maßnahmen ergriffen.
Die Klage des US-Justizministeriums gegen S&P stellt das bisher härteste Vorgehen gegen eine Ratingagentur dar. Nach Informationen des "Wall Street Journal" waren zuvor Gespräche über einen Vergleich gescheitert. Es gehe dabei vor allem um das verwendete Bewertungsmodell.
Abwehrfront der Ratingagenturen bröckelt
Die Ratingagenturen stehen seit Jahren in der Kritik, entzogen sich Verfahren aber zumeist erfolgreich mit der Begründung, sie hätten lediglich eine Meinung vertreten und keine Kaufempfehlung abgegeben. Nun scheint die Abwehrfront jedoch zu bröckeln.
Mitte Jänner hatte der deutsche Bundesgerichtshof in Karlsruhe entschieden, dass Ratingagenturen in Deutschland grundsätzlich wegen ihrer Einschätzung verklagt werden können. Zuvor hatte ein australisches Gericht S&P zur Zahlung einer millionenschweren Entschädigung verurteilt, weil die Ratingagentur Anleger in die Irre geführt habe (siehe Infobox). In New York hatte ein Gericht eine ähnliche Klage von Investoren zugelassen.
Sicher geglaubte Hypotheken als Milliardengräber
S&P ist die Nummer eins der Ratingagenturen, doch wird sie zumeist in einem Atemzug mit den Rivalen Moody's und Fitch genannt, wenn es um die Rolle in der Finanzkrise geht. Ratingagenturen hatten im Auftrag von Banken bewertet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass Hypothekenpapiere ausfallen. Diesen Wertpapieren lagen US-Immobilienkredite zugrunde, vor allem für Eigenheime. Die Papiere wurden von den Banken weltweit verkauft.
Die Ratingagenturen waren vor der Finanzkrise in sehr vielen Fällen davon ausgegangen, dass die Schuldner ihre Raten zuverlässig zahlen können - die Papiere bekamen folglich gute Noten. Als der US-Immobilienmarkt jedoch einbrach, gab es massenhafte Ausfälle, und die Papiere erwiesen sich für die Investoren als Milliardengräber. Die Finanzkrise geriet ins Rollen und gipfelte im Zusammenbruch der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008.
Mitschuld an "finanzieller Kernschmelze"
Die drei Ratingagenturen hätten die "finanzielle Kernschmelze" mit ermöglicht, hatte ein Ausschuss des US-Kongresses in seinem Abschlussbericht zur Finanzkrise festgestellt. Zuletzt waren die Ratingagenturen wegen der Abstufungen europäischer Länder in die Schusslinie geraten. Politiker hatten ihnen vorgeworfen, die Schuldenkrise damit noch zu verschlimmern.
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