Ex-Premier am Ziel

Zeman erster direkt gewählter Präsident Tschechiens

Ausland
26.01.2013 18:35
Der frühere sozialdemokratische Premier Milos Zeman (68) ist zum ersten direkt vom Volk bestimmten tschechischen Staatspräsidenten gewählt worden. Er setzte sich in der Stichwahl am Freitag und Samstag gegen den liberal-konservativen Außenminister Karel Schwarzenberg (75) durch. Für Zeman stimmten nach Angaben des tschechischen Statistikamtes 54,9 Prozent der Wähler, für Schwarzenberg 45,1 Prozent. Zeman (im Bild mit Tochter Katerina bei der Siegesfeier) wird am 8. März den scheidenden Staatschef Vaclav Klaus auf der Prager Burg ablösen.

Rund 8,5 Millionen Tschechen waren aufgerufen, über den Staatschef zu entscheiden. Der Präsident wurde erstmals in der Geschichte des Landes direkt vom Volk gewählt. Die Wahl des Staatsoberhauptes durch Parlamentsabgeordnete und Senatoren wurde mit einer 2012 verabschiedeten Verfassungsnovelle abgeschafft.

"Will nicht Präsident der Paten-Mafia sein"
Zeman erklärte am Samstagabend, er verspreche, er wolle Präsident der "unteren zehn Millionen Bürger" seines Landes sein, das etwa 10,5 Millionen Einwohner hat. "Ich will nicht Präsident der Paten-Mafia sein, die an unserer Gesellschaft parasitiert und Blut aus ihrem Körper saugt", betonte er.

In Anspielung auf den harten Wahlkampf erklärte er, dieser sei wie das Fußballspiel zwischen den beiden rivalisierenden Prager Mannschaften Sparta Prag und Slavia Prag gewesen. "Jetzt aber kommt das Spiel für die Nationalmannschaft der Tschechischen Republik."

Schwarzenberg-Panne bei der Stimmabgabe
Aus der Auszählung ging hervor, dass Schwarzenberg in der Hauptstadt Prag gewann, während die Regionen - alle übrigen 13 Wahlkreise - für Zeman stimmten. Die beiden Kandidaten hatten ihre Stimmen bereits am Freitag abgegeben. Schwarzenberg sorgte dabei für Aufsehen, weil er den Wahlzettel direkt in die Urne warf, ohne ihn in den dafür vorgesehenen amtlichen Umschlag zu stecken (siehe weitere Bilder). Seine Stimme war deswegen ungültig. "Das ist Pech, aber man kann nichts machen, das ist meine eigene Blödheit", meinte Schwarzenberg vor den anwesenden Medienvertretern.

Benes-Dekrete als heißes Wahlkampfthema
Im teils agressiven Wahlkampf war die Frage der Benes-Dekrete und der Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg das heißeste Thema. Schwarzenberg hatte erklärt, dass die Vertreibung aus heutiger Sicht eine grobe Menschenrechtsverletzung darstelle und sich der damalige Präsident Edvard Benes nach heutigen Standards vor einem Tribunal in Den Haag verantworten hätten müssen. "Sie reden wie ein Sudetendeutscher", hatte Zeman darauf reagiert. Benes gilt in Tschechien als Nationalheld.

Auch der scheidende Präsident Klaus hatte sich in den Wahlkampf eingeschaltet. Der EU-Kritiker bezog klar für Zeman Position. "Mir geht es einfach darum, dass ein Mensch Präsident wird, der zu diesem Land gehört, der Bestandteil dieses Landes ist, der hier sein Leben verbracht hat", in guten wie in schlechten Zeiten, sagte Klaus. Er spielte damit darauf an, dass Schwarzenberg nach der Machtübernahme der Kommunisten 1948 nach Österreich ins Exil ging. Klaus, dessen Amtszeit am 7. März zu Ende geht, kandidierte nicht mehr, weil er schon zwei fünfjährige Amtsperioden hinter sich hat und eine dritte laut Verfassung nicht zulässig ist.

Zeman konnte sich bei der Stichwahl nicht nur auf die Unterstützung seiner traditionellen Linkswähler stützen, gewisse Sympathien genießt er auch bei manchen Konservativen. Dafür kann er auch seinem einstigen Erzrivalen Klaus danken. Obwohl Zeman und der konservative scheidende Staatschef stets auf den gegenüberliegenden Polen der politischen Szene standen, respektierten sie einander als "Männer, die Vereinbarungen immer einhalten". "Ich sehe Milos Zeman als bedeutende Persönlichkeit der tschechischen Politik, woraus ich nie einen Hehl gemacht habe", erklärte Klaus.

Streitbarer Politiker mit irritierenden Aussagen
Der durch seine Sprüche und Bonmots bekannte Zeman, der zum zweiten Mal verheiratet und Vater eines Sohnes aus erster Ehe und einer Tochter aus zweiter Ehe ist, bleibt auch als Politiker in Erinnerung, der mit irritierenden Aussagen für Konflikte in den Beziehungen zum Ausland gesorgt hatte. Viel Ärger handelte er sich in Wien ein, als er 2002 in einem Interview erklärte, je früher Österreich "Jörg Haider und seine postfaschistische Partei los wird, desto besser".

Bald danach bezeichnete Zeman, der fließend Englisch und Russisch spricht, die Sudetendeutschen als "fünfte Kolonne von Adolf Hitler", die mit der Vertreibung noch milde davon gekommen seien. Den Österreichern bleibt Zeman auch als Unterstützer der EU-Sanktionen gegen die schwarz-blaue Regierung und als Ehrengast bei der Inbetriebnahme des südböhmischen Atomkraftwerks Temelin in Erinnerung.

Präsidentenamt in Tschechien hoch angesehen
Das Amt des Staatsoberhauptes ist in Tschechien sehr angesehen. Zu den wichtigsten Befugnissen des Staatschefs, der für fünf Jahre gewählt wird, gehört das Recht, ein Veto gegen Gesetze einzulegen und diese dem Parlament zur nochmaligen Beratung zurückzuweisen. Er ernennt und entlässt den Ministerpräsidenten und - auf dessen Vorschlag - die Regierung sowie die Spitzen des Verfassungsgerichts und der Nationalbank, außerdem beruft er die Sessionen des Parlaments ein.

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