Wie Wien überleben?

„Man darf den Grant nicht zu ernst nehmen“

Wien
01.04.2024 19:00

Die ÖVP-Plakate unter dem Titel Leitkultur sind derzeit in aller Munde. Doch was macht eigentlich die österreichische Kultur aus? Und inwiefern entscheidet sich die Wiener Kultur davon? Das versuchen zwei Schriftsteller aktuell zu klären und die Frage zu beantworten: Wie kann die lebenswerteste Stadt der Welt gleichzeitig die unfreundlichste sein?

In Österreich ist gerade eine Werte-Debatte entbrannt – diesmal unter dem Titel Leitkultur. Worauf müssen sich Zuwanderer einstellen, wenn sie nach Österreich kommen? Integrationsministerin Susanne Raab (ÖVP) hat dazu einige Experten eingeladen.

„Tradition statt Multikulti“?
Im Vorfeld hieß es: „Hier geht es nicht darum, dass wir alle ein Schnitzel essen oder österreichische Musiker hören müssen. Aber Österreich ist ein vielfältiges Land, das eine gemeinsame Basis an Regeln braucht und an die sich jeder halten muss.“ Erste Ergebnisse dieses Prozesses sind Sprüche wie „Tradition statt Multikulti“ (zurückgezogen), „Tradition und Brauchtum“ oder „Integration durch Anpassung“. Dafür hagelt es von vielen Seiten heftige Kritik.

Beobachter der heimischen (Un)kultur
Wofür Österreich aber auch steht, zeigen Andreas Rainer (Wiener Alltagspoet) und Irina (Toxische Pommes) in ihren neuen Büchern. Sie sind penible Beobachter heimischer (Un-)Kultur.

Der Wiener Alltagspoet
Die Wiener leben in der lebenswertesten Stadt der Welt. Und das ist keine neue oder einmalige Auszeichnung – im vergangenen Jahr wurde der österreichischen Hauptstadt zum 11. Mal in Folge (!) in einer Mercer-Studie dieser Titel verliehen – und die Konkurrenz ist groß, immerhin werden 241 Großstädte verglichen. Gleichzeitig wird sie aber auch als unfreundlichste Stadt gehandelt. Wie kann das sein?

Die Bewohner machen die Stadt aus
„Wien ist voller Gegensätze und Widersprüche, die eigentlich überhaupt keinen Sinn machen“, sagt Schriftsteller Andreas Rainer, besser bekannt als Wiener Alltagspoet, der gerade sein neues Buch „Wie man die lebenswerteste Stadt der Welt überlebt“ veröffentlicht hat. In diesem schildert er nicht nur seine eigenen Gedanken zu seiner Heimatstadt, sondern lässt auch jene zu Wort kommen, die die Stadt ausmachen – ihre Bewohner (siehe Grafiken). Und auch hier zeigt sich die Ambivalenz.

Drei Stunden im Kaffeehaus sitzen und nichts tun, gehört zu Wien wie die Melange. „Aber wehe, die nächste U-Bahn braucht länger als drei Minuten, dann ist Feuer am Dach“, so Rainer. Und obwohl die Wiener immer gerne und häufig über „ihre“ Stadt schimpfen, sobald ein schlechtes Wort von einer Person aus den Bundesländern kommt, wird sie lautstark verteidigt.

Aber wie überlebt man denn nun die lebenswerteste Stadt der Welt? Rainer: „Den Grant nicht zu ernst nehmen und die Mentalität zu verstehen versuchen.“

Zitat Icon

Wien ist nach wie vor eine der sichersten Großstädte. Die Gefahr in ein Fettnäpfchen zu treten, ist hier aber am größten.

Andreas Rainer, Schriftsteller

Rot-weiß-rote Stereotype
Knapp 200.000 Fans hat „Toxische Pommes“ auf Instagram. Auf TikTok wurden ihre Videos schon mehrere Millionen Mal angeklickt. Da schlüpft die Satirikerin in die Rolle des Onkels vom Balkan, der seine Wirklichkeit zur Weltpolitik zum Besten gibt. Oder sie nimmt die Brutalität traditioneller deutscher Märchen unter die Lupe. Und immer wieder spielt sie mit rot-weiß-roten Stereotypen. „Ich mag komische Situationen, unangenehme Begegnungen, lustige Beschreibungen und Dinge, die nicht zusammenpassen“, beschreibt sie ihre Art von Humor.

Ein Schlag in die Magengrube
In wenigen Sekunden und oft noch weniger Worten hält sie den Zuschauern den Spiegel vor. Immer mit einer gewissen Portion Selbstironie, oft mit der Präzision eines Schlags in die Magengrube. Der Humor von „Toxische Pommes“ darf wehtun.

Viel ist nicht bekannt über die junge Frau. „Toxische Pommes“ heißt im wahren Leben Irina und arbeitet als Juristin in Wien. Auf Wikipedia erfährt man noch, dass sie 1990 im ehemaligen Jugoslawien geboren wurde und mit zwei Jahren nach Österreich kam. Jetzt ist ihr Debütroman „Ein schönes Ausländerkind“ (Zsolnay Verlag) über Migration, innerfamiliäre Beziehungen und „vermeintlich richtige“ Integration erschienen. 

Verbinden und spalten
Entwurzelung ist eines der zentralen Themen. Was bedeuten Heimat, Zuhause, Wurzeln für die Neo-Schriftstellerin? Irina: „Heute schenke ich ihnen weniger Bedeutung, vor allem, weil mir bewusst geworden ist, dass sie einen Menschen nicht vollständig oder endgültig definieren. Natürlich sind Traditionen und gemeinsame Geschichten wichtig, und sie können Menschen auf wundervolle Art und Weise verbinden, leider aber genauso missbraucht werden, um auszugrenzen und zu spalten.“

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