DarkSky Place in Tirol

Wer die Sterne sehen will, braucht die Dunkelheit

Tirol
28.10.2023 19:00

Unsere Milchstraße bewundern können - das ist leider nicht mehr vielen Menschen vergönnt, zu hell sind mittlerweile die Nächte. 83 Prozent der Weltbevölkerung leben unter einem lichtverschmutzten Himmel. Die Non-Profit-Organisation DarkSky zeichnet Plätze mit besonders guter Dunkelheitsqualität aus. Das Tiroler Kaunertal, in dem man Sternenwanderungen angeboten werden, könnte so einer werden.

Sterne sterben nicht leise. Ist ihre Zeit gekommen, explodieren sie zur Supernova. Für kurze Zeit strahlt ein scheidender Stern so hell wie eine ganze Galaxie. Doch das muss er gar nicht, um Menschen voller Ehrfurcht hinaufblicken zu lassen. Vielleicht fühlen wir uns ihnen verbunden, weil auch wir aus Sternenstaub bestehen - nicht nur metaphorisch. Oder weil sie uns schon so lange begleiten: Auf hoher See beugten sich einst Kapitäne und Navigatoren tief über Sternkarten und schauten durch Fernrohre in den Nachthimmel, um die Orientierung auf den Wellen nicht zu verlieren. Sterne fanden ihren Weg in Religionen (Stern über Bethlehem) und in die Astrologie, wenn über Sterndeutung versucht wird, etwas über menschliche Verhaltensweisen zu erfahren oder die Zukunft zu prophezeien. Sterne begleiten uns seit Menschengedenken - doch in letzter Zeit verlieren wir den Blick für sie. Sterne sterben nicht leise - doch unsere Sicht in den Himmel tut es.

Wo die Milchstraße deutlich zu sehen ist
Wer in der Stadt wohnt, hat es wahrscheinlich schon bemerkt. Schaut ein Innsbrucker in den Nachthimmel, kann er wenige hundert Sterne zählen. Das künstliche Licht der Stadt überstrahlt alle übrigen. Doch Tirol hat auch dunklere Plätze, im Kaunertal etwa. Blickt man dort in einer klaren Nacht in den Himmel, sieht man etwa 3000 Sterne. Seit etwa vier Jahren werden im Kaunertal zwischen Juni und September Sternwanderungen angeboten, wie Hobby-Astronom und Sternenwanderer Philip Hughes erklärt. Zur Dämmerung beginnt eine einstündige Wanderung vom Gepatschhaus aus.

Schönes und emotionales Erlebnis
Den Teilnehmern werden Rotlichtlampen gegeben, sodass das Auge den Gewöhnungseffekt an die Dunkelheit nicht verliert. Die Sternenführer geben dann Einblicke in die Geschichte der Astronomie und Mythen zu den Sternbildern. Bergführer Andreas Penz erzählt auch etwas zur Natur in den Bergen. So beeindruckend das Himmelszelt auch ist – die Gletscher haben auch ihre schönen Schätze. Eine aus Zirbenholz gezimmerte Sternenschale lädt zum Liegen ein. „Erst mal kann man dann den Sternenhimmel entspannt genießen. Die Milchstraße ist dann deutlich über uns zu sehen“, beschreibt Hughes. Für die meisten Besucher, so erzählt er, ist ein Nachthimmel dieser Qualität eine Seltenheit und daher ein sehr schönes und emotionales Erlebnis.

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Erst mal kann man dann den Sternenhimmel entspannt genießen. Die Milchstraße ist dann deutlich über uns zu sehen.

(Bild: Leander Rambichler-Praxmarer)

Philip Hughes

Unter lichtverschmutztem Himmel leben fast alle
Mehr als der Hälfte der Menschheit – etwa 60 Prozent – ist es bereits jetzt nicht mehr möglich, die Milchstraße sehen zu können – zu hell sind die Städte mittlerweile. 83 Prozent der Weltbevölkerung und 99 Prozent der Europäer, Nordamerikaner und Japaner leben unter einem lichtverschmutzten Himmel. Einige Plätze gibt es aber noch, die nicht nur dunkel genug, sondern auch zugänglich sind, um von ihnen aus den Sternenhimmel betrachten zu können. Im Kaunertal ist einer von ihnen.

Licht aus im Tiroler Kaunertal: Der Weg zum „DarkSky-Place“
Das Tirol Kompetenzzentrum für Lichtverschmutzung und Nachthimmel setzt sich bereits seit mehr als 20 Jahren für die Eindämmung von Lichtverschmutzung ein. Stefanie Pontasch von der Tiroler Umweltanwaltschaft erklärt: „Lichtverschmutzung ist Überlagerung der natürlichen Dämmerungs- und Nachtverhältnisse mit künstlichem Licht.“ Die Nächte werden künstlich erhellt. Dass wir dadurch keine Sterne mehr sehen können, ist ein Verlust, „schließlich hat die Menschheit seit Urzeiten in die Sterne geschaut. Die Sterne sind unsere Urheimat, unsere Urwurzeln“, beschreibt Pontasch, „doch die Störung der natürlichen Lichtverhältnisse betrifft Menschen, Flora und Fauna.“

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Die Sterne sind unsere Urheimat, unsere Urwurzeln.

Stefanie Pontasch von der Tiroler Umweltanwaltschaft

200 DarkSky Places weltweit
Die Folge sind Vögel, die in den Morgenstunden früher singen und Nachtfalter, die nicht mehr bestäuben. Und auch der Mensch, das „Säugetier“, das anscheinend niemals schläft, braucht eine intakte Nacht für Erholung und Regeneration.Kaunertal will DarkSky Place-AuszeichnungDarkSky heißt eine gemeinnützige Non-Profit-Organisation, die zugängliche Plätze mit hervorragender Dunkelheitsqualität auszeichnet. Weltweit gibt es etwas mehr als 200 solcher Plätze, weiß Pontasch, in Österreich nur einen einzigen, den Sternenpark Attersee-Traunsee. Doch schon bald wird es einen zweiten DarkSky Place geben: Das Kaunertal ist gerade im Zertifizierungsprozess.

Unberührten Nachthimmel für Menschen zugänglich machen
Johannes Kostenzer, Tiroler Umweltanwalt und Leiter des Kompetenzzentrums für Lichtverschmutzung und Nachthimmel: „Der Sternenhimmel spielt in der Entwicklung der menschlichen Kulturen eine elementare Rolle. Das Kaunertal im Herzen der europäischen Alpen ermöglicht uns den Zugang zu diesem Schatz. Wir bemühen uns um die Anerkennung als DarkSky Place, um den unberührten Nachthimmel vielen Menschen zugänglich zu machen und für kommende Generationen zu erhalten.“

Vorhänge zu, Licht aus
Auch touristisch ist das nutzbar, denn „es ist wichtig, dass Menschen die Nacht mit all ihrer Faszination erleben können. Nur wenn wir verstehen, was uns fehlt in den Städten, werden wir bereit sein, Veränderungen zuzulassen.“ Sprich: Wieder mehr Wert auf dunklere Nächte zu legen, also Vorhänge zuziehen, das Licht in Schaufenstern ausmachen.

Zwei Drittel der Wiener Lichtglocke durch nichtöffentliche Lichtquellen
„Lichtglocken großer Städte sind am Horizont hunderte von Kilometern weit zu sehen. Zwei Drittel der Wiener Lichtglocke werden durch nichtöffentliche Lichtquellen (Licht von Geschäften und Fassaden) verursacht, ein Drittel durch öffentliche (Straßenbeleuchtung)“, erklärt Pontasch - doch „positiv möchte ich den Mini-Laden von MPreis im Kaunertal hervorheben, der schaltet die Schaufensterbeleuchtung gar nicht erst ein“, lobt Pontasch.

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