„Austrocel“-Gasunfall

Niemand hatte Augen auf das Desaster-Rohr

Gericht
03.08.2023 23:11

Außer dem Geschäftsführer wollte auch am zweiten Verhandlungstag im Prozess um den tödlichen Chemie-Unfall im Halleiner AustroCel-Werk niemand für das Desaster verantwortlich sein. Am 2. Juni 2021 starb bekanntlich ein Arbeiter (54), weil ein Hochdruckrohr explodierte und heißes Schwefeldioxid austrat. Das Rohr war statt drei Millimeter nur 1,8 Millimeter dicht und korrodiert. Wartungen und Überprüfungen? Fehlanzeige!

Wer genau für die Kontrolle des Rohres zuständig gewesen ist, wurde auch am Donnerstag intensiv diskutiert. Folgt man den Aussagen im Prozess, gab es im Unternehmen dafür keine klaren Regelungen. „Vor dem Unfall hat man sich nichts gedacht“, so ein Techniker. Eine Führungskraft erklärte: „Ich habe nach dem Unfall mit langjährigen Mitarbeitern geredet. Es konnte sich keiner daran erinnern, dass an dieser Anlage jemals Arbeiten stattgefunden haben.“

(Bild: Markus Tschepp)

Besonderes Augenmerk lag auf der Rolle eines TÜV-Prüfers. Wenig zimperlich wurde er ins Kreuzverhör genommen. Der Diplomingenieur kontrollierte jahrelang die Druckkessel der Zellstoffkocherei samt zugehörigen Rohren. Aber den Abschnitt, in dem der Unfall passiert ist, hat er nicht inspiziert. „Mir wurde von der Firma gesagt, dass es sich um Rohre mit niedrigem Gefahrenpotenzial handelt!“ Daher sei er gesetzlich nicht zur Prüfung verpflichtet gewesen. Die Richterin wollte daraufhin wissen: „Und Sie haben sich darauf verlassen?“ Der Techniker beteuerte: „Es gab keinen Grund zu zweifeln!“

(Bild: Tröster Andreas)

Ingenieur gibt keine Fehler zu
Doch die Defekte seien offensichtlich gewesen, warf der Opferanwalt ein: „Sie standen über Jahre knapp davor und wollen das nicht gesehen haben?“ Der Ingenieur verneinte. Sonst hätte er ja davor gewarnt. Ein Verteidiger wollte wissen: „Sind Sie wirklich der Meinung, dass Sie alles richtig gemacht haben?“ Der Ingenieur erkundigte sich, ob er die Frage beantworten müsse. Dann meinte er: „Ich glaube nicht, dass ich Fehler gemacht habe!“

Der sichtlich gereizte Opferanwalt empfahl dem Ankläger, nun auch gegen den TÜV-Prüfer zu ermitteln - wegen Falschaussage und fahrlässiger Tötung. Vertagt!

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