Als Armenpfarrer und Gründer der Vinzi-Werke wurde er weit über die Grenzen von Graz hinaus bekannt: Wolfgang Pucher ist, wie nun bekannt wurde, im 85. Lebensjahr nach einem medizinischen Notfall im Urlaub verstorben.
Wie die Vinzi-Werke am Donnerstag mitteilen, ist Pfarrer Wolfgang Pucher im Urlaub in Kroatien nach einem medizinischen Notfall verstorben. Die Rettungskette sei zwar sofort in Gang gesetzt worden, der Steirer überlebte aber nicht. Er hinterlässt einen Bruder und dessen Familie.
Mit einem „Slum“ konfrontiert
Vor 60 Jahren wurde Pucher zum Priester geweiht, vor 50 Jahren wurde er Pfarrer in Graz-St. Vinzenz und war mit einem „Slum“ konfrontiert. 800 Menschen hätten in vier Häusern unter unvorstellbaren Umständen, zwischen Gewalt, Alkohol und Arbeitslosigkeit, gelebt: „Die Gegend in der Heßgasse war als Delogiertensiedlung bekannt. Als ich mich dort engagiert habe, gab es viele Gegner“, berichtete er erst vor wenigen Wochen im „Krone“-Interview von seinen Bemühungen, für die Menschen am Rand der Gesellschaft etwas zum Positiven zu verändern.
Dem Gegenwind hat er standgehalten und die Entfernung des Straßenschildes bewirkt. Bis zuletzt lag die Tafel mit der Aufschrift „Heßgasse“ in seinem Büro und erinnerte an ein „schreckliches Stigma“.
„Niemand wollte helfen“
Auch die Zeit des Bosnienkriegs konnte Pucher nicht vergessen. Die Männer, die Anfang der 90er geflüchtet und am Grazer Hauptbahnhof angekommen waren, hatte er bildlich vor Augen. „Es waren über 100 Burschen, denen niemand helfen wollte. Ich habe sie in Zelten untergebracht, die auf dem Sportplatz der Vinzenzpfarre aufgestellt wurden.“ Wieder konnte Pucher nicht wegschauen. „Mit diesem Zeltdorf sind wir dann bekannt geworden.“
Gegen Widerstände initiierte Pucher in den 90er-Jahren das „Vinzidorf“ in der Pfarre St. Leonhard, ein Ort für obdachlose Männer, wo sie auch Alkohol konsumieren dürfen. Mittlerweile gibt es viele Einrichtungen seiner Vinzi-Werke, von den Vinzi-Märkten bis zur Notschlafstelle „VinzTel“ - und das auch außerhalb der Steiermark, etwa in Wien, Salzburg und Hostice (Slowakei). Täglich werden 1400 Personen mit Essen bzw. Lebensmitteln versorgt, 450 Menschen finden eine Unterkunft.
Kurz vor 70er lag Pucher „im Sterben“
Kurz vor seinem 70. Geburtstag fing sich Pucher eine schwere Lungenentzündung ein. „Ich lag im Sterben“, sagte er damals. Nun gab es keine Rettung mehr. Die Familie, die Pfarre, der Orden und die Vinzi-Werke sind dabei, das Begräbnis und die Feierlichkeiten zu organisieren. Am Donnerstagabend fand um 18.30 Uhr ein erstes Beten zu seinem Gedenken in der Pfarrkirche Graz-St. Vinzenz statt.
Vinzenz-Einrichtungen bleiben offen
„Wir sind in tiefer Trauer. Dennoch möchten wir betonen, dass alle Einrichtungen und Projekte trotz dieser Ausnahmesituation ihre Arbeit weiter fortführen und Menschen am Rande der Gesellschaft in ihrer Not auffangen. Wir bitten alle Menschen, die uns bisher verbunden waren, uns auch weiterhin zu unterstützen“, betonen Peter Pratl, Obmann der Vinzenzgemeinschaft Eggenberg, und Amrita Böker, Koordinatorin der VinziWerke.
Landeshauptmann, Bürgermeisterin, Bischof: Alle trauern
Aus allen politischen Lagern kamen am Donnerstag Beileidsbekundungen: Landeshauptmann Christopher Drexler (ÖVP) und sein Stellvertreter Anton Lang (SPÖ) würdigen die Vinzi-Werke als „eine der bedeutendsten Strukturen zur Hilfe armer Menschen in Graz und der Steiermark“. Pucher „war ein kritischer Geist, der auch den Mut besaß, auch in aktionistischer Weise auf die Situation armer Menschen hinzuweisen.“ Legendär ist eine Aktion 2011, als sich der Pfarrer als Bettler in die Grazer Herrengasse setzte, um gegen das damals herrschende Bettelverbot zu demonstrieren.
Die kommunistische Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr zeigt sich „traurig und bestürzt. Ich denke in diesen Stunden daran, dass wir so vieles gleich gesehen und gemeinsam gemacht haben. Wie groß der Verlust für die Stadt Graz ist, das ist noch gar nicht abzusehen.“ Sie hoffe, dass sein „Erbe der Menschenfreundlichkeit“ bestehen bleibe.
Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl bezeichnet Pucher als „unermüdlich laufenden Motor in unserer Diözese“. Und er sagt: „Mit seiner Umtriebigkeit hat er viele gefordert, aber dadurch auch Großartiges bewirkt.“
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