Er hat viel erlebt

Pfarrer Pucher ist 80: „Ich war nie ein Heiliger“

Steiermark
31.03.2019 16:35

Wolfgang Pucher ist so etwas wie das soziale Gewissen von Graz. Dank ihm muss in der steirischen Hauptstadt niemand mehr auf der Straße schlafen. Heute ist er 80 Jahre alt. Der streitbare Pfarrer über seine Kindheit, seine erste Liebe, seine Zeit in der Türkei, Widerstände, gegen die er ankämpfen musste, eine schwere Krankheit, die er nur knapp überlebte, und seine Nachfolgerin.

„Ich bin geboren in Hausmannstätten“, beginnt Pucher zu erzählen. Die Mutter war Schneiderin, der Vater Schuhmacher. „Aufgewachsen bin ich in Zerlach, einem kleinem Dorf in der Oststeiermark.“ Er habe schon als Bub gewusst, dass er Priester werden will, sagt Pucher - „ein Heiliger war ich aber nie“. Nach der 3. Klasse flog er vom Bischöflichen Knabenseminar. „Ich hatte sieben ,Fleck’“, sagt Pucher ganz offen, „ich war nicht faul, ich konnte mir nur nichts merken - das ist bis heute so.“

Für Pucher brach damals eine Welt zusammen. „Ich hab bitterlich geweint. Ich hab gedacht, ich kann nicht Priester werden.“ Dem Präfekten tat der kleine Wolfgang leid: „Er brachte mich auf das Internat der Lazaristen.“ Zur Schule ging Pucher fortan im Carneri-Gymnasium. „Ich war auch dort ein furchtbar schlechter Schüler. In Alt-Griechisch habe ich immer abgeschrieben“, kann er heute darüber lachen.

„Meine erste Liebe“
So schlecht er in der Schule war, als Student sei er „kein Sandler“ gewesen, sagt Pucher, „ich habe alle Prüfungen mit Auszeichnung bestanden“. 1963 wurde er von Bischof Josef Schoiswohl zum Priester geweiht, 1966 wurde er Kaplan in der Kirche zur Schmerzhaften Mutter - „meine erste Liebe“, sagt Pucher.

1969 ging er nach Istanbul, war dort Erzieher am österreichischen St. Georgs-Kolleg. „Die Schüler waren alle Moslems“, sagt Pucher, der bis heute Türkisch spricht. Die vielen Straßenkinder in Istanbul kriegt Pucher nicht und nicht aus dem Kopf: „Ich wollte ihnen helfen“ - doch der liebe Gott hatte etwas anderes mit ihm vor

Pucher wurde Pfarrer von St. Vinzenz. „Am 2. Juni 1973 habe ich meine erste Predigt gehalten“, erinnert er sich daran, als ob es gestern gewesen wäre. Ende der 1970er-Jahre machte er von sich reden, als er die Zustände in der Delogiertensiedlung in der Heßgasse anprangerte. Dort hausten 800 Menschen „wie in einem Slum“.

1992 ließ er am Sportplatz seiner Pfarre Zelte für 100 Flüchtlinge aus dem ehemaligen Jugoslawien aufstellen. Sie waren am Hauptbahnhof gestrandet, doch keiner wollte ihnen helfen. Im Jahr darauf wurde das Vinzidorf gegründet. Der Rest ist Geschichte.

Er ließ sich nicht unterkriegen
Anfangs waren alle gegen ihn. Er werde nie vergessen, wie er einmal bei einer Bürgerversammlung niedergeschrien wurde, so der streitbare Pfarrer. „Ein Lokalreporter, der damals auch vor Ort war, hat gesagt, er habe noch nie so einen Hass gesehen.“ Doch Pucher ließ sich nicht unterkriegen. Auch kirchenintern war der „Rebell der Nächstenliebe“, wie er einmal genannt wurde, umstritten, schreckte er doch nicht davor zurück, sogar dem Bischof öffentlich die Meinung zu sagen.

Vor zehn Jahren, kurz vor seinem 70. Geburtstag, fing sich Pucher eine schwere Lungenentzündung ein. „Ich lag im Sterben“, sagt er. Wie wird das werden, wenn er einmal nicht mehr ist? „Keine Sorge“, wiegelt Pucher ab, „Nora Musenbichler (seine rechte Hand, Anm.) wird das alles weiterführen - auf sie ist Verlass.“

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