Live im Happel-Stadion

Red Hot Chili Peppers und Iggy Pop rockten Wien

Musik
15.07.2023 00:32

Das Dreigespann aus Red Hot Chili Peppers, Iggy Pop und King Princess sorgte vor rund 45.000 Fans Freitagabend im Wiener Ernst-Happel-Stadion fast für Festivalfeeling. Drei unterschiedliche und sich doch sehr ähnliche Künstler. Die Männer in der Runde waren gerne nackt und am Boden. Hits gab es auch zuhauf.

(Bild: kmm)

Vor sieben Jahren waren die kalifornischen Funk-Rocker Red Hot Chili Peppers zuletzt bei uns zu Gast - damals dafür gleich zweimal. Nach einer umjubelten, aber auch nicht unbedingt fehlerfreien Show am Nova Rock gab es im Herbst einst ein Wiedersehen in der randvollen Wiener Stadthalle. In der Zwischenzeit ist so einiges passiert, das die Peppers erstmals auch hierzulande zu einer Stadionband gedeihen ließ. 2019 hat sich Kultgitarrist John Frusciante zum bereits dritten Mal der Band angeschlossen, weil er wohl genug von seinen weirden Elektro-Experimenten hatte. Sein langjähriger Ersatz Josh Klinghoffer wurde dafür prompt und relativ unromantisch des Feldes verwiesen. Als Fan trug er die Entscheidung zumindest nach außen hin mit Fassung. Dazu veröffentlichte die Band 2022 mit „Unlimited Love“ und „Return Of The Dream Canteen“ zwei Alben, die sich weltweit bis an die oberste Chartspitze vorarbeiteten.

Große Karriere voraus
Rund 45.000 Fans haben sich bei schweißtreibenden Sommertemperaturen zum Beginn der zweiten großen Hitzewelle eingefunden, werden bei leichtem Wolkenaufzug aber davor noch mit einem famosen Vorprogramm beglückt. Die US-Amerikanerin Mikaela Mullaney Straus aka King Princess eröffnet den Abend mit zwischen Mainstream- und Indie-Bereich mäandernden LGBTQ-Pop, der nicht nur Harry Styles positiv aufgefallen ist, sondern ihr auch schon Auftritte im Vorprogramm von Florence + The Machine oder Shawn Mendes einbrachte. Mit Songs wie „Cursed“, „I Hate Myself, I Want To Party“ oder dem abschließenden Ohrwurm „1950“, mit dem ihr vor fünf Jahren der flächendeckende Durchbruch gelang, überzeugt sie, wenn auch noch vor wenig Anwesenden. Dass ein solches Set perfekt in einen Club wie dem Wiener WUK oder die Arena passt - geschenkt. Hoffentlich gibt es bald ein Indoor-Wiedersehen.

Musikfans werden auf dieser Tour eigentlich mit zwei Headlinern beglückt, denn nach einer kurzen Umbauphase entert Punk-Urvater Iggy Pop die Bühne, präsentiert einmal mehr stolz seinen ledrig-gestählten nackten Oberkörper und liefert trotz chronischem Hüftleiden eine Hammer-Performance, die natürlich nicht an Highlights geizt. Das schwarze Jackett hielt zumindest fünf Sekunden am markantesten Oberkörper der Rockgeschichte. Der Stooges-Klassiker „Raw Power“ wird seinem Namen zu jeder Sekunde gerecht, „The Passenger“ und „Lust For Life“ bringen die zahlreichen Anwesenden ordentlich auf Touren und mit dem unsterblichen Klassiker „I Wanna Be Your Dog“ hat er auch die wenigen jüngeren und nicht kundigen Fans in seinen Bann gezogen.

Iggy ist wie guter Wein
Überraschendes Highlight: das hingebungsvoll knackige „Frenzy“. Immer wieder wälzt sich die Legende am Boden, spuckt auf ebenjenen oder tritt nonchalant den Mikroständer gen Schlagzeuger. An der zu dieser Zeit bereits gut gefüllten Stadionkulisse hat Iggy sichtlich Freude, bis er sich nach einer glanzvollen Dreiviertelstunde wie ein Gorilla auf die Brust hämmert und noch einmal eine gehörige Portion Testosteron ausschüttet, die irgendwie so ganz und gar nicht zu ihm und dem Rest des Treibens passt. Nach seiner Glanzvorstellung im Wiener Konzerthaus vor knapp einem Jahr ist somit klar - Iggy altert wie guter Wein und ist mit 76 an der Spitze seiner Livequalitäten. Dafür sorgen auch ein Bläsersatz und eine perfekt eingespielte Band.

Die Red Hot Chili Peppers starten eine gute halbe Stunde später ohne Umschweife mit einer instrumentalen Jam-Einlage ins Set. Erst nach knapp zehn Minuten betritt dann auch Sänger Anthony Kiedis, anfangs noch mit Netzhemd, die Bühne und ist - es ist bei ihm auf Tournee nicht das erste Mal - sichtbar verletzt. Das linke Bein steckt in einer kniehohen Orthese, beim rechten ist das Knie ebenfalls geschient. Als ob das noch nicht reicht, würfelt es den Frontmann schon während der ersten Minuten beim Tänzeln auf den Hintern, der spontane Unfall geht aber glücklicherweise glimpflich über die Bühne und der ansonsten topfitte und körperlich gestählte 60-Jährige lässt sich in den folgenden 100 Minuten nichts von dieser leichten Panne anmerken. Ein bisschen Fahrtwind nimmt die Band dann aber selbst raus, denn nach dem hitlastigen Beginn mit „Around The World“ und „Snow ((Hey Oh))“ verfallen die Peppers gar sehr ins Experimentelle.

Zähe Mittelstrecke
Immer wieder setzt der mit einem markanten Jimi-Hendrix-Tattoo ausgestattete Flea zum Basssolo an, Gitarrist John Frusciante, ewig adoleszent im Comic-T-Shirt und kurzer Hose, darf zwischendurch sogar einmal kurz singen (autsch) und der stets gut gelaunte Chad Smith gibt auf seinem Drum-Thron samt Bandlogo den menschlichen Rhythmus-Kitt. An die psychedelisch-abgedrehten Visuals, die von der pompösen Videowand erstrahlen, gewöhnt man sich im Laufe der Zeit, auch wenn sich der Sinn des Ganzen nicht so recht zu erkennen gibt. Die Peppers halten sich während ihres Sets nicht mit Ansagen oder Geschichtenerzählen auf, sondern lassen die Musik für sich sprechen. Die wird vor allem im Mittelteil der Show zu einer Geduldsprobe. „Throw Away Your Television“, das solierte Iggy-Pop-Cover „Neighborhood Threat“ und „Reach Out“ plätschern so dahin. Zeit für Klobesuche und Biernachschub um schlanke sieben Euro.

Dann aber die Überraschung - das selten gespielte „Soul To Squeeze“, bekannt aus der Erfolgskomödie „Coneheads“ und auf keinem regulären Album der Kalifornier zu hören, bringt mit einem feinen Rhythmus plötzlich wieder Schwung ins Oval und leitet langsam eine starke Endphase ein. Das famose „Californication“ ist noch immer nicht abgenutzt, die relativ neue Erfolgssingle „Black Summer“ beweist, dass die Peppers auch gegenwärtig noch relevant sind und bei „By The Way“ gehen Tausende Handys zum Mitfilmen in die Höhe. Von „Under The Bridge“ oder „Can’t Stop“ aber keine Spur. Derartige Hits hätten die zähe Zwischenphase sicher gut aufgelockert. Das abschließende „Give It Away“ geht Kiedis nicht mehr ganz so rasant über die Lippen wie vor gut 30 Jahren, beweist aber noch immer, dass es ein würdiger Signature-Song ist. Die beste Liveband der Welt werden die Peppers in diesem Leben nicht mehr - aber Herzblut und Leidenschaft machten so manches Manko wett.

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