Experten einig

“Verengung der Politik” durch zu große Widerstände

Österreich
04.11.2011 08:02
Vertreter aus Politik und Wirtschaft haben am Donnerstag in der Wiener Wirtschaftskammer über den Reformstau in der österreichischen Politik diskutiert. Konsens am Podium: Der Gestaltungswille ist zwar vorhanden, wird aber durch zu große Widerstände gelähmt. Anlass der Debatte war die Präsentation der "winquadrat"-Ergebnisse. Auf dieser Zukunftskonferenz hat der Uni Management Club im Mai gemeinsam mit Studierenden, Unternehmen und Institutionen Reformpläne geschmiedet.

Für SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Laura Rudas (Bild) sind weniger die demokratisch legitimierten Interessensvertreter etwa der Pensionisten oder der Beamten mit ihrem Einfluss auf Politik und Medien bedenklich, sondern die "nicht demokratisch legitimierten Wirtschaftseliten", etwa die Banker. Besonders in der Bildungspolitik gehe es in Österreich viel zu langsam weiter, kritisierte sie am Donnerstagabend. Statt eine sachliche Diskussion zu führen, würden Vorschläge von anderen Parteien reflexartig abgelehnt.

Kritik an "Verengung der Politik"
"Österreich war schon liberaler und weltoffener", konstatierte der Lobbyist und Berater Dietmar Ecker und erinnerte an die 90er-Jahre. Neben der seitdem erfolgten "Verengung der Politik" durch zu viel Einfluss von Funktionärs-, Gruppen- und Länderinteressen sowie einer zunehmend europafeindlichen Haltung sieht er auch eine "Boulevardisierung der Medien" mit Sorge. Eine kleinbürgerliche Politik mit vielen Vertretern aus geschützten Bereichen verteidige Pfründe und stemme sich gegen Reformen, etwa in der Bildungspolitik und im Pensionsbereich. Aber auch in Europa gebe es keine Führungspersönlichkeiten mehr, was sich am schwachen Krisenmanagement zeige.

Für Westbahn-Geschäftsführer Stefan Wehinger, der in Kürze als Konkurrent der staatlichen ÖBB den Bahnbetrieb auf der Westbahnstrecke zwischen Wien und Salzburg aufnimmt, stand naturgemäß der Wettbewerb im Vordergrund. Dieser sei durch den Eingriff der Politik in das Bahnwesen erschwert worden, meinte der frühere ÖBB-Manager. "Die ÖBB wurden für die nächsten zehn Jahre in Watte gepackt." Wehinger vermisst langfristige Konzepte: Statt eines 20-Jahres-Plans für den öffentlichen Verkehr werde immer nur weitergewurstelt. Probleme wie das schrumpfende Eigenkapital der ÖBB würden nicht angegangen, kritisierte er.

Nur Bedienung der eigenen Klientel
Auch Markus Heingärtner, Geschäftsführer des Management Club, vermisst den Gestaltungswillen in der österreichischen Politik. Jede Partei bediene ihre Klientel, von den ÖBBlern bis zu den Beamten. Mächtige Interessensvertretungen, Kammern und Bundesländer würden Reformen schon im Ansatz stoppen. Die Politik verwalte daher nur mehr eigentlich vergangene Systeme, statt Österreich durch notwendige Reformen etwa im Pensionsbereich für die Zukunft fit zu machen, so seine Analyse.

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