Live in der Simm City

Watain: Für einen Abend in der Höhle des Teufels

Wien
09.05.2023 10:21

Montagabend wurde die Simm City zwar nicht in Blut und Feuer, aber in satanische Dunkelheit getaucht. Die schwedische Black-Metal-Band Watain kehrte 13 Jahre nach dem letzten Gig wieder nach Wien zurück und bewies, dass eine intensive und mitreißende Show auch ohne große Effekte funktionieren kann.

Zwei große umgedrehte Kreuze stehen an der Bühnenfront, flankiert von metallenen Adlerschwingen, die vom Bandlogo und Schlangenköpfen verziert sind. Dahinter ragen rostig wirkende Rechtecke mit Einschnitten in den Himmel. Ihnen umgebunden sind Tierknochen, die zwei auf einen Pfahl gesteckten Skelett-Schädel erinnern - wie das gesamte Bühnensetting - ein bisschen an die drohende Post-Apokalypse oder zumindest „Terminator 2“. Dazu hat sich Sänger Erik Danielsson bündig hinter seinem Posten am Mikrofon ein überdimensionales Geweih richten lassen, vor dem er diverse satanische Rituale mit Rauch, Kelchen und Gebeinen veranstaltet, um der diabolischen Show noch eine Extraform an morbider Spiritualität zu verleihen. Willkommen in der Simm City zu Watain, der derzeit nicht größten, aber sicher spannendsten und dunkelsten Black-Metal-Band in der Oberliga des Genres.

(Bild: Andreas Graf)

Unbequem aus Prinzip
13 Jahre sind ins Land gezogen, seit die Schweden das letzte Mal in Wien gastierten. Damals im wesentlich kleineren, aber gut gefüllten Viper Room, wo der exorbitante Einsatz von Schweineblut für ein ganz besonderes Odeur sorgte und die Band als Outro einen enervierenden Fliegenschwarm in Hyperlautstärke durch die Boxen wabern ließ, der ein gemütliches Aftershow-Bier noch nicht einmal im Ansatz ermöglichte. Dabei machen Watain seit mittlerweile 25 Jahren nur das, was den Black Metal einst Ende der 80er-Jahre und in seiner skandinavischen Ausformung ab 1992 immer als USP auszeichnete: Er schert sich nicht um Konventionen, will aufrütteln und verstören und ist in seiner harschen und kompromisslosen Ausformung bewusst gegen den Mainstream und die Massen gebürstet. Unbequeme Musik mit unbequemer Atmosphäre - quasi die Quintessenz der Kunstfreiheit.

(Bild: Andreas Graf)

In der Simm City vor rund 350 Fans und Schaulustigen fahren Watain am Montagabend aber nur mit einem „Light-Programm“ auf. Keine opulente Feuershow, keine Blutspielereien, sondern nur die pure, ungefilterte Musik - die dafür in massiver Lautstärke eher dürftig gemischt aus dem Äther knallt. Der Verfasser dieser Zeilen hat das Quintett über die Jahre in unterschiedlichsten Ausformungen gesehen. In Paris, wo sich der Geruch von brennenden Knochen ins Gewand fraß und Frontmann Erik Feuer spuckte oder im norwegischen Bergen, wo die Street-Crew der Band die beschauliche Stadt mit Werbezetteln plakatierte, die mit altem Schweineblut auf Strommasten oder Zäunen befestigt wurde. Olfaktorisch gewöhnungsbedürftig, so wie auch der darauffolgende Auftritt in einer finsteren Höhle. Es ist aber durchaus auch ein Qualitätsmerkmal, wenn eine Band ohne derlei Mummenschanz zu überzeugen weiß, wie hier und heute in Wien.

(Bild: Andreas Graf)

Hungrig nach dem Ursprünglichen
Die sich aus sieben Alben zusammensetzende Setlist durchleuchtet alle Facetten des feurigen Treibens. Von der famosen, progressiven Platte „The Wild Hunt“ hätte sich so mancher mehr erwünscht als nur den Opener „Night Vision“, dafür tragen Watain in anderen Fällen sehr gerne sehr dick auf. „Ecstasies In Night Infinite“ erweist sich als rasendes Klanginferno, das hymnische „Sworn To The Dark“ lebt mitunter vom textsicheren Publikum und bei „Devil’s Blood“ trägt Danielsson seinen Kelch mit dem markanten Bandlogo über sich und mengt dem mit eiskalten Riffs und polterndem Drumming unterlegtem Sound eine kräftige Portion Mystizismus bei, der anderen Bands fehlt oder sonst eher mit Fremdschäm-Faktor exorziert wird. Wo etwa die Branchenprimusse Mayhem durch den Netflix-Erfolg der norwegischen Black-Metal-Dokumentation „Lords Of Chaos“ längst ihr sprichwörtliches Feuer verspielt haben, merkt man Watain noch zu jeder Zeit den Hunger zum Ursprünglichen und Kantigen an.

(Bild: Andreas Graf)

Ihre an chaos-gnostische Glaubensansätze streifenden Kompositionen vermengt die Band aber nicht nur mit Blastbeat-Ausritten, sondern auch mit viel Melodie und melancholischen Moll-Momenten. So sind die Songs nicht ausschließlich von reiner Brutalität gezeichnet, sondern mit vielen Facetten und Finessen durchzogen, die man am Plattenteller im Wohnzimmer genauer herausfiltern kann. Mit ihrer Mischung aus Satanismus, obskurer Diabolik, nietenbestückten Lederjacken, Corpsepaint-Gesichtsbemalung und wilden Songs erreichen Watain seit jeher auch den breiteren Geschmack. Ihr Album „The Wild Hunt“ eroberte vor zehn Jahren gar Platz eins der schwedischen Albumcharts, auch im deutschsprachigen Raum sind sie immer wieder in oberen Gefilden zu finden. 2011 gab es für das Meisterwerk „Lawless Darkness“ den schwedischen Grammy in der Kategorie „Hard Rock/Metal“. Inspirationen findet die Band genauso bei Legenden wie den Rolling Stones oder Beatles, wie auch bei Szene-Urgesteinen wie Bathory oder Dissection.

Eigene Welt
Zudem hat man auch richtige Hits im Köcher. Das rhythmische „Malfeitor“ etwa, allabendlich ein Highlight der Show, wäre auf seine pure Essenz runtergebrochen bestimmt auch ein guter Pop-Song. Watain gestalten mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mittel nur eben eine wildwuchernde, alles zerberstende Schlachtplatte aus dem bekömmlichen Grundkonstrukt. Beim opulenten Rausschmeißer „Waters Of Ain“ lässt es sich Danielsson dann doch nicht nehmen, die ersten Reihen mit etwas Blut zu „taufen“. Die Bürokratie und Regelungen mögen das Effekthascherische hierzulande unterbinden, doch Black Metal findet im besten Fall fernab jedweder Regeln und Verordnungen statt. Manchmal reichen auch kleine Rebellionen, um sich eine Prise Freiheit zu erarbeiten. Oder wie Danielsson einst in einem Interview erklärte: „Black Metal hat nichts mit der Welt zu tun, wie ihr sie kennt.“

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