Gedenken in Wien

1175 Arbeiter starben für unsere Billig-Mode

Wien
23.04.2023 22:15

Es war das schwerste Unglück der modernen Textilindustrie: Am 24. April 2013 stürzte die Textilfabrik Rana Plaza, in der auch weltweit tätige Marken für uns hier im Westen billige Kleidung produzieren ließen, in Bangladesch ein. 1175 Menschen starben, über 2000 wurden laut den Recherchen von NGOs verletzt. Anlässlich des zehnten Jahrestages lädt die Clean Clothes Kampagne - bestehend aus 13 Plattform-Organisationen - und weitere Vertreter der Zivilgesellschaft am Montag in Wien zum gemeinsamen Gedenken an die verunglückten Arbeiterinnen und Arbeiter ein.

Rana Plaza gilt als schwerste Katastrophe der Textilindustrie und sorgte für einen weltweiten Aufschrei. Mindestens 29 weltweit tätige Marken ließen den Recherchen der Menschenrechts-NGO Südwind und der Clean Clothes Kampagne in den Fabriken Kleidung produzieren, darunter auch hierzulande beliebte Marken wie Primark, Mango oder Kik.

„Anfangs gaben viele Firmen vor, nicht gewusst zu haben, dass im Rana Plaza auch ihre Kleidung produziert wurde. Hier waren vor allem Aktivist:innen dafür verantwortlich, die Marken zu identifizieren, indem sie in den Trümmern nach Kleidungsstücken gruben“, wie Südwind-Kommunikationsleiter Vincent Sufiyan gegenüber krone.at erklärt. Südwind begleitet das Thema von Beginn an. „Zwei Kolleginnen waren 2013 vor Ort und haben ebenfalls in den Trümmern Kleidung, unter anderem mit Kik-Etiketten gefunden und mit Angehörigen der Textilarbeiter:innen gesprochen“, so Sufiyan.

Anhaltende Missstände in der Textilproduktion
„Die Anzahl an tödlichen Unglücken konnte seither zwar vermindert werden, ein Ende der Ausbeutung von Mensch und Natur für Billig-Mode ist aber weiterhin nicht in Sicht. Die Branche wird immer noch dominiert vom Fast Fashion-Konzept, das Arbeiter:innen unterdrückt und mit einer enormen Ressourcenverschwendung einhergeht“, kritisiert Gertrude Klaffenböck, Südwind-Expertin für globale Lieferketten und Koordinatorin der Clean Clothes Kampagne in Österreich.

Textilindustrie ist auch zweitgrößter Umweltverschmutzer weltweit
„Um Unternehmen für Missstände in die Pflicht zu nehmen, braucht es endlich ein starkes Lieferkettengesetz. Weder die freiwillige Selbstverpflichtung noch der aktuelle EU-Gesetzesentwurf reichen dafür aus“, so Klaffenböck. Die Fashion-Branche wird nicht nur wegen ihrem Umgang mit den Arbeitnehmenden kritisiert, laut einer im Jahr 2020 im Journal „Nature Reviews Earth & Environment“ publizierten Studie ist sie auch der zweitgrößte Umweltverschmutzer weltweit nach der Ölindustrie. Zu den zentralen Problemen zählen der hohe Wasserverbrauch, die Wasserverschmutzung, der Ausstoß an Treibhausgasen und Berge an Müll.

Die weltweite Textilindustrie produziert pro Jahr rund 1,2 Milliarden Tonnen an CO2-Äquivalenten. Einem EU-Bericht zufolge verursacht sie damit zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen - mehr als die internationale Luftfahrt und Seeschifffahrt zusammen. Im Jahr 2011 verursachten Herstellung und Nutzung von Kleidung dem Beratungsunternehmen Carbon Trust zufolge 850 Millionen Tonnen CO2. Oft reist ein Kleidungsstück 20.000 Kilometer, bis es in Europa ankommt.

Auch Mikroplastik aus Kleidung landet im Meer. Fast ein Drittel der Gesamtmenge an Mikroplastik, das am Ende im Meer landet, sind Plastikfasern von Textilien, die aus Polyester bestehen - sagt die Organisation International Union for Conservation of Nature (IUCN). Eine halbe Million Tonnen Mikroplastik gelangt durch das Waschen von Kleidungsstücken mit Synthetikfasern in die Meere.

Lieferkettengesetz fehlt immer noch
Gefordert wird heute dringender denn je ein strenges EU-Lieferkettengesetz, das Unternehmen menschen-, arbeitsrechtliche und umweltrechtliche Sorgfaltspflichten entlang der gesamten Lieferketten vorschreibt. Auch Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky erinnert anlässlich des 10. Jahrestages des Unglücks in Bangladesch an die Notwendigkeit eines Österreichischen Lieferkettengesetzes. Unternehmen einer bestimmten Größe sollen dabei verpflichtet werden, ihre Lieferketten laufend auf eine mögliche Verletzung von Menschen-, Arbeits- und Umweltrechten zu überprüfen.

Diese Forderungen Wiens seien nach wie vor aufrecht, da in Österreich auf Bundesebene bis heute kein Lieferkettengesetz beschlossen wurde, so Czernohorszky. „Dieses tragische Ereignis machte wieder einmal deutlich, wie wichtig es ist, darauf zu achten, wo und unter welchen Bedingungen die bei uns angebotenen Waren produziert worden sind - nicht nur bei Textilien“, so der Klimastadtrat mit Blick auf Rana Plaza.

Gedenkkundgebung „10 Jahre Rana Plaza“ in Wien
Die Clean Clothes Kampagne und weitere Vertreter der Zivilgesellschaft laden indes diesen Montag zum gemeinsamen Gedenken an die verunglückten Arbeiterinnen und Arbeiter ein. Mit Rede- und Musikbeiträgen und symbolischer Erinnerung an die 1175 verstorbenen Textilarbeiter.

Wann: Montag, 24. April 2023 
17:30 - 19:30 Uhr 
Wo: Platz der Menschenrechte, Museumsquartier, 1070 Wien 

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