Neue „Krone“-Serie

Hoffnung für Kranke: Ein Tag unter Pflegerinnen

Tirol
13.11.2022 16:00

Ihr Tätigkeitsfeld ist oft unterschätzt, ihre Bedeutung jedoch immer größer: Einen Tag lang packte „Krone“-Redakteurin Nicole Greiderer mit Krankenpflegerinnen im 12-Stunden-Dienst mit an und machte sich ein Bild vom vielseitigen Beruf.

„Schreiben Sie eine Ode an diese Station!“ Frau Mayer (alle Patientennamen geändert) attestiert der neurologisch-hämato-onkologischen Sonderstation der Innsbrucker Klinik „nicht fünf, sondern sechs Sterne!“, als ich ihr ihre Chemotablette bringe. Das Medikament wird die ältere Dame in den nächsten Stunden nicht anrühren. Seit Wochen klagt sie über Übelkeit, Ursache wurde bis dato leider keine gefunden.

Auch das ist Thema bei der Übergabe um 7 Uhr Früh. Jeden ihrer aktuell 16 Patienten besprechen Stationsleiterin Cornelia „Conny“ Innerhofer und ihre Kolleginnen durch, bevor sie um 7.45 Uhr mit den ersten Runden durch die Zimmer starten. Medikamente, Frühstück, Vitalzeichenkontrolle. In einer zweiten Runde dann Körperpflege – „damit niemand zu lange warten muss“, erklärt die stellvertretende Stationsleiterin Lisa Haselwanter auf dem Weg zum Blutdruckmessen bei Herrn Dachser.

Der Krebspatient war mit seinen Ende 80 eigentlich recht fit, aber dann kam eine Covid-Infektion dazwischen. Jetzt wirkt er gebrechlich – und als ich die Blutdruckmanschette um seinen dünnen Arm lege, fürchte ich, ihm weh zu tun. Schließlich packt Lisa mit an und zeigt mir, dass meine Angst unbegründet war. „Die sind okay“, befindet sie mit einem Blick auf die Werte. „Auf Wiederschauen, Herr Dachser.“ Wir müssen weiter. Bis zur Visite um 9.30 Uhr müssen wir fertig sein.

Zitat Icon

Man kann den Patienten die Zeit so viel schöner machen, bevor sie sterben.

Stationsleiterin Cornelia Innerhofer

Enge Beziehung zu Patient macht die Arbeit so schön
„Leider haben wir oft die Zeit nicht, mit den Menschen länger zu reden. Dabei wäre das wichtig“, bedauert Pflegerin Lea. Das enge Verhältnis zu ihren Schützlingen ist der Grund, warum die Krankenschwestern ausgerechnet auf dieser Station so gerne arbeiten. Obwohl das Leben gerade hier oft zeigt, wie unfair es sein kann. „Aber hier baut man viel mehr Beziehung zu den Patienten auf“, erklärt mir Lisa. „Viele kommen öfter, da kennen wir uns schon“, ergänzt Kollegin Zumi. Um dann unumwunden hinzuzufügen: „Umso trauriger ist es, wenn sie sterben.“

Doch vor dem Tod wird gelebt. Mit Harmonie und einer gehörigen Portion Humor verbreiten die Pflegerinnen Wärme und Fröhlichkeit, wie ich sie hier nie für möglich gehalten hätte. Vor gedrückter Stimmung habe ich mich zu Unrecht gefürchtet. Wer hier einen Tag verbringt, weiß auch, was gutes Arbeitsklima ist. Zu Mittag gegessen wird gemeinsam. Immer wieder fällt jemandem am Tisch eine Anekdote aus dem Arbeitsalltag ein, die meisten davon urkomisch. Ich lerne, dass nicht nur eine Erfolgsstory eine schöne Geschichte sein kann, sondern auch eine mit traurigem Kern. „Man kann den Patienten die Zeit so viel schöner machen, bevor sie sterben“, meint Conny.

„Dass sie so belastet sind, merkt man ihnen nicht an“
Einer von vielen Aspekten, den die Pflegerinnen an ihrem Beruf schätzen. „Die Arbeitszeiten sind auch super.“ Zumi liebt die Vier-Tage-Woche und, dass sie dank dieser bis zu sechs Tage am Stück frei hat. „Dass man am Ende des Tages weiß, was man geschafft hat“, macht es für Conny aus; ein großes Plus ist für sie auch die Verantwortung.

Besonders heikel ist zum Beispiel das Anhängen einer Chemotherapie. Bevor Lisa das bei Herrn Puch macht, zieht sie sich extra dicke Handschuhe an. „Name? Geburtstag?“, fragt sie ihn. Wir kontrollieren zu zweit, ob der Beutel wirklich für diesen Patienten bestimmt ist. An der falschen Stelle würde das heilsame Gift fatale Schäden anrichten.

Die Gewissenhaftigkeit, die die Schwestern auch bei Dokumentation, Sauberkeit und Austausch untereinander an den Tag legen, macht sich bezahlt: „Ich fühle mich hier sehr sicher“, versichert mir Frau Hornedl. Sie ist für ihre 7. Chemo da. „Hinein gehe ich nicht gerne. Aber wenn ich dann da bin, dann geht es mir gut.“ Sie ist voll des Lobes: „Davor habe ich höchsten Respekt. Dass die Pflegekräfte so belastet sind, merkt man ihnen nicht an.“

Kleine Erfolgsmomente mit großer Wirkung
Mit dem Abend wird es ruhig auf der Station. Die ersten Kolleginnen sind um 16.30 Uhr gegangen. Wer bis 19 Uhr Dienst hat, bereitet die Medikamente für die Nacht vor. „Dann machen wir die Patienten fertig für die Nacht“, umreißt Lisa.

Neu6/Häm3

  • Neurologische/Hämato-Onkologische Privatstation der Inneren Medizin V mit sechs Betten für neurologische Erkrankungen und zwölf für Blut-Krebspatienten.
  • 19 Pflegekräfte bzw. 15,75 Vollzeitäquivalente, davon ein Mann.
  • 17 diplomgeprüfte Gesundheits- und Krankenpflegekräfte, eine Pflegefachassistenz, eine Pflegeassistenz.
  • Das Pflegeteam ist jung, nur drei Mitglieder sind über 40 Jahre alt.

Vorher ist es Zeit, noch einmal nach Frau Mayer zu sehen, der weiterhin übel ist. Jetzt soll sie für eine Untersuchung einen ganzen Krug mit einem Medikament trinken. Die Hälfte hat sie schon, aber ganz glaubt sie nicht daran, dass sie auch den Rest schafft. Da setzt sich Lisa auf das Fenstersims neben dem Bett und findet genau die Worte, die Frau Mayer braucht. Und als wir nach ein paar Minuten das Zimmer verlassen, hebt sie mutig ihr Glas zu einem weiteren Schluck.

„Nach diesen 12 Stunden bin ich völlig geschafft“
Von diesen vermeintlich kleinen Momenten, in denen so viel zurückkommt, hat es heute unzählige gegeben. Nach zwölf Stunden auf der Station bin ich völlig geschafft von den vielen Eindrücken. Aber jetzt verstehe ich, warum viele Krankenpfleger ihren Beruf niemals eintauschen würden. Es ist traurig, dass diese facettenreiche Tätigkeit oft so unter Wert gehandelt wird.

Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Tirol



Kostenlose Spiele