Teuerung, Sanktionen

Nationalrat: Hitzige Debatte, viele Ordnungsrufe

Politik
21.09.2022 12:55

Das neue Parlamentsjahr hat am Mittwoch trotz herbstlicher Temperaturen hitzig begonnen: Im Rahmen einer „Aktuellen Stunde“ der SPÖ zu Auswirkungen der Inflation auf Pensionisten schenkten sich die Fraktionen gegenseitig ordentlich ein, was mehrere Ordnungsrufe zur Folge hatte. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) kritisierte es als „frivol“, zu behaupten, dass die Zahlungen der Regierung nichts nutzen. Die FPÖ blieb mit ihrem Wettern gegen die Russland-Sanktionen isoliert.

Die Regierung beschließe bloß Einmalzahlungen, statt die Teuerung zu bekämpfen, warf SPÖ-Sozialsprecher und Gewerkschafter Josef Muchitsch ÖVP und Grünen vor. „Ihre Politik (...) ist falsch“, meinte Muchitsch, der auch ein wenig Tirol-Wahlkampf einstreute: „Sie werden am Sonntag so richtig eine auf den Deckel bekommen, und das haben Sie sich auch verdient mit der Politik, die Sie betreiben.“ Auch im Zusammenhang mit den Pensionisten unterstellte Muchitsch der Regierung, die Krisengewinner zu beschützen, statt den Menschen zu helfen. Aus SPÖ-Sicht müsste die Berechnung für die gesetzliche Pensionserhöhung geändert werden, indem die Inflationsrate von Jänner bis Dezember herangezogen wird (derzeit August bis Juli), was heuer voraussichtlich 8,4 Prozent wären - „das ist notwendig und das ist leistbar“.

Rauch äußerst empört, Wöginger steht ihm zur Seite
Sozialminister Rauch gab sich ob der harschen roten Kritik erzürnt. Es sei aufgrund der internationalen Faktoren eine „vollkommene Illusion“ zu glauben, die österreichische Regierung allein könne es schaffen, Inflation und Teuerung zu bekämpfen. Nur von Einmalzahlungen zu reden, „halte ich für etwas frivol“, meinte Rauch außerdem, und „noch frivoler“ sei es, zu behaupten, dass diese einer Alleinerzieherin oder einem Pensionisten nichts nutzen. „In welcher Welt leben Sie?“, fragte Rauch die SPÖ. Die Beträge ermöglichten es, die Rechnungen zu zahlen, „das ist Soforthilfe“. Zudem würden Sozialleistungen wie die Familienbeihilfe künftig wertangepasst - was kein roter Sozialminister zusammengebracht habe, vergaß Rauch nicht zu erwähnen.

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Es ist aufgrund der internationalen Faktoren eine vollkommene Illusion zu glauben, die österreichische Regierung allein könnte es schaffen, Inflation und Teuerung zu bekämpfen.

Sozialminister Johannes Rauch (Grüne)

Die Erhöhung der Pensionen müsse natürlich in einer Höhe stattfinden, die die Inflation abgelte. Gesetzlich wären das 5,8 Prozent, die Forderung der Pensionisten sei bekanntlich höher, und die Gespräche seien im Laufen, meinte Rauch. Heute am frühen Nachmittag findet die zweite Verhandlungsrunde dazu statt. Einmal mehr ließ der Minister durchblicken, dass die Steigerung für kleine Pensionen höher ausfallen dürfte. Acht bis zehn Prozent Erhöhung würden allerdings strukturell im Budget 4,5 Milliarden Euro ausmachen, und es sei auch Verantwortung der Regierung, auf den Haushalt zu achten.

„Die Pensionistinnen und Pensionisten können sich auf diese Bundesregierung verlassen“, sprang ÖVP-Klubobmann August Wöginger dem Minister bei. Unter roten Bundeskanzlern sei die Anpassung der Pensionen nicht so üppig gewesen, unterstrich er. Wöginger verwies auch genüsslich auf das rot regierte Wien und die dortigen Gebührenerhöhungen, für die „der Sheriff von Nottingham, der Bürgermeister Ludwig“ (Michael, SPÖ, Anm.) verantwortlich sei.

Fragwürdiger SPÖ-Konter
Nicht minder deftig antwortete SPÖ-Mandatarin Eva Maria Holzleitner. Sie erinnerte etwa an einen Fall vergangenes Wochenende in Graz, wo ein 75-jähriger Mann zuerst seine 71-jährige Ehefrau und anschließend sich selbst erschossen haben soll - „aus Not“, meinte Holzleitner. Menschen würden sich das Leben nehmen, weil die Bundesregierung nicht reagiere, warf sie der Koalition an den Kopf. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), der im Zuge der Debatte gleich mehrmals Ordnungsrufe erteilte, bat dringend darum, „sich zu mäßigen“, sowohl am Rednerpult als auch in den Abgeordnetenreihen.

NEOS vermissten Arbeitnehmer in der Debatte
NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger verstand nicht, warum die SPÖ nur über Pensionisten reden will, aber nicht über die Arbeitnehmer - das sei „purer Klientelismus“. Aus pinker Sicht müsse man die Steuern und Lohnnebenkosten senken.

FPÖ teilte kräftig aus
Mit FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch ging es dann laut und angriffig und in Folge auch mit Ordnungsrufen weiter. Die Sanktionen gegen Russland müssten beendet werden, denn sie schadeten nur der heimischen Bevölkerung, aber das zu sagen, sei die Regierung „zu feig“. Die Einmalzahlungen „verpuffen sofort“, und bei der Pensionserhöhung agiere eine „wildgewordene Jugendstaatssekretärin“ gegen die „Generation, die unseren Wohlstand erarbeitet hat“, wetterte Belakowitsch. „Mit Ihrer Politik machen Sie den Kontinent kaputt.“ „Letztklassig“ sei es zu behaupten, dass es der Bevölkerung hier durch die Sanktionen schlechter gehen sollte, während täglich in der Ukraine Menschen sterben, konterte die Grüne Abgeordnete Bedrana Ribo.

An den Russland-Sanktionen rüttelte auch FPÖ-Klubchef Herbert Kickl in der darauf folgenden „Aktuellen Europastunde“. Er warnte vor „Mangelwirtschaft a la DDR“. Es drohe die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, so Kickl, der das Vorgehen der Regierung im Einklang mit der EU als erbärmlich wertete. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ließ dies nicht gelten. Man müsse für Wohlstand und Sicherheit im Land sorgen, gleichzeitig aber eine klare Haltung gegen den Völkerrechtsbruch Russlands einnehmen. „Hören Sie auf, die österreichische Gesellschaft zu spalten“, rief sie Kickl zu.

Umweltaktivisten sorgten für Unterbrechung
Kurz unterbrochen wurde die Debatte durch ein Grüppchen Umweltaktivisten von „Extinction Rebellion“. In Flugblättern, mittels Gesang und eines Transparents verlangten sie auf der Besuchertribüne die Umsetzung der Empfehlungen des Klimarats,

Angelobung zu Beginn
Zu Beginn der Sitzung nahm Nationalratspräsident Sobotka die Angelobung des neuen ÖVP-Abgeordneten Karl Schmidhofer vor. Er folgt auf Gabriela Schwarz, die im Zuge der steirischen Regierungsumbildung Volksanwältin geworden ist.

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