Lokalaugenschein:

Sind Greifvogelschauen Tierquälerei?

Steiermark
12.09.2022 08:00

Greifvogelshows seien reine Tierquälerei - zumindest, wenn es nach der Tierschutzorganisation Vier Pfoten geht. Die „Krone“ hat eine solche Schau am Wilden Berg in Mautern besucht.

„Putzi“ scharrt hörbar in seinem Gehege in den Startlöchern. Der höchst imposante Gänsegeier weiß ganz genau: Die Zuschauer haben Platz genommen in dieser schönen Arena hoch oben am Wilden Berg, der Falkner steht bereit - seine Show beginnt. Und als Laie kann man nur sagen: Es wirkt, als würde der mächtige Vogel seinen Auftritt genießen und fast etwas angeben.

Ganz knapp schwebt er über den Köpfen seines Publikums, das sich beinahe in einer Szene von „Game of Thrones“ wähnt, hin auf die behandschuhte Hand seines Falkners. Der darin, Falknertrick Nr. 1, natürlich einen Leckerbissen hält. „Putzi“ nimmt ihn erst gar nicht - gar so hungrig scheint der Greifvogel nicht zu sein.

Tierschützer: „Vögel werden ausgehungert“
Doch genau diesen Vorwurf machen die Vier Pfoten den Vogelschauen: Die imposanten Tiere würden so ausgehungert werden, dass sie quasi aus reiner Verzweiflung bei diesem Zirkus mitmachen. Ein Vorwurf, der bei dem erfahrenen Falkner Rudi Offenbacher nicht gut ankommt. „Warum fliegt ein Vogel? Zur Nahrungsbeschaffung, das ist in der Natur nicht anders als bei uns. Das heißt aber nicht, dass man ihn davor hungern lässt, das weise ich scharf von mir“, echauffiert er sich.

Vertrauen aufbauen ist hohe Kunst
„Die Tiere werden athletisch gehalten, auch in der Natur sind sie schließlich nicht immer pappsatt. Der Vogel weiß einfach, in der Hand des Falkners ist etwas, das er mag, also fliegt er dort hin.“ Nachsatz: „Und vor allem, weil er ihm vertraut. Dieses Vertrauen aufzubauen, ist die hohe Kunst.“

„Küken werden Eltern nicht weggenommen“
Und würde nicht, dem zweiten Vorwurf der renommierten Tierschutzorganisation entsprechend, darauf beruhen, dass man die Küken den Elterntieren wegnimmt und sie völlig fehlgeprägt auf den Menschen fokussiert. Offenbacher: „Unsere Vögel stammen von ausgewählten Züchtern, verbringen ihre Aufzucht bei den Eltern. Dann erst beginnen wir mit ihnen zu arbeiten.“ Nachsatz: „Zumindest wir machen das halt so.“

Das Training dauert meist sechs Wochen bis zwei Monate. Und beruht eben darauf, dass der Flugkünstler weiß, dass er beim Falkner Futter bekommt. Nachsatz: „Wenn er nicht fliegen will, fliegt er auch nicht. Sei es, weil das Wetter nicht passt, er keine Lust oder auch keinen Gusto hat.“

Auch Wildtiere schätzen Gewohnheiten
Vor allem Adler, Bussard und Geier treibt es nicht selten stundenlang in die Freiheit. Warum sie dort nicht einfach bleiben, vogelfrei sozusagen? „Das könnten sie auch, wir finden sie zwar über die Sender, das heißt aber nicht, dass sie nicht weiter und wegfliegen könnten.“ Aber: „Auch so ein Tier mag Gewohnheit. Sein Futter verlässlich zu bekommen, die Sicherheit vor Feinden im Gehege, das spürt der Vogel auch.“

Einmal ist ein Falke entflogen, Offenbacher fand nur noch seine zerfetzte Leiche, „den Spuren zufolge war er von einem Habicht getötet worden. Das ist so in der Natur, in einer Voliere passiert das nicht.“

„Wir halten uns streng an die Vorschriften“
In Gefangenschaft werden die Tiere auch meist älter als in der freien Wildbahn. Und das nicht allein, „wir halten sie artgerecht in Paaren, züchten aber nicht weiter.“ 17 Vögel sind in Mautern zu Hause, neben Kapfenberg und der Riegersburg einer von drei steirischen Standorten, wo es Greifvögelschauen gibt.

Hier stehe des Vogels Wohl an erster Stelle. Kein Besucher darf dem Tier zu nahe kommen oder gar streicheln. Auch Hunde, vor denen sich die Wildtiere fürchten, werden verbannt. „Wir halten uns streng an jede einzelne Vorschrift.“

„Mit Tierwohl hat so eine Show nichts zu tun!“
Tierschutzombudsfrau Barbara Fiala-Köck sieht die Sache problematisch: „Warum fliegt ein Vogel? Weil er Hunger hat! Die Kunst des Falkners ist es, den Vogel so zu füttern, dass er so hungrig ist, dass er fliegt. Aber grad nicht so schwach, um es nicht zu schaffen - das hat mit Tierfreundlichkeit nichts zu tun!“

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Diese Schauen sind in der Steiermark bis zum Verwaltungsgericht abgehandelt worden. Wir haben das Maxium herausgeholt, das für Vögel machbar war.

Tierschutz-Ombudsfrau Barbara Fiala-Köck hat keine Freude mit der Praxis und sieht sie rein als Touristenattraktion.

Außerdem: „Vielfach nimmt man Falken mit einer Haube den Sehsinn. Oder hält die Vögel ohne Artgenossen. Das alles ist nicht mehr zeitgemäß.“ Doch die Problematik sei schon bis zum Verwaltungsgericht gegangen, „in Folge wurden die Bestimmungen verschärft. Aber es muss sich wirklich jeder überlegen, ob er sich so eine Show anschaut - mit Tierwohl hat sie nichts zu tun“.

„Putzi“, mittlerweile 23 Jahre alt und ein alter „Hase“ im Showgeschäft, tangiert das wenig. Er scharrt schon wieder in den Startlöchern. Hungrig - aber vielleicht eher nach Aufmerksamkeit.

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