Ohne Maulkorb

Warum reden wir nicht einfach darüber?

Tina rückt wöchentlich Themen in den Fokus, die nicht immer angenehm sind. Ihren Zuhörern spricht die junge Frau damit oft aus der Seele.

(Bild: Christina Rossi)

Die junge Psychologin Tina (27) aus Dornbirn spricht in ihrem Podcast „Don’t shhh - let’s talk“ ganz offen über Tabus und plädiert für mehr Toleranz. Das Format kommt bestens an.

„Ich glaube, es gibt viele junge Menschen wie mich, die Zuhause sitzen und sich alleine mit ihren Problemen fühlen“, erzählt Tina im „Krone“-Gespräch. Ende des vergangenen Jahres ging die Dornbirnerin durch eine schwierige Phase - sie hatte sich von ihrem langjährigen Freund getrennt. Trost fand sie in einem Podcast. „Als ich gehört habe, was die junge Frau gerade durchmacht, konnte ich mich damit identifizieren und merkte, dass ich mit meinen Sorgen doch nicht alleine war." Geteiltes Leid ist halbes Leid. Dieses alte, aber durchaus wahre Sprichwort war einer der Gründe, der die 27-Jährige selbst zum Mikrofon hat greifen lassen. Ein anderer ist der Umstand, dass es immer noch Themen gibt, über die in unserer Gesellschaft kaum geredet wird - darunter sexuelle Aufklärung, Krankheiten und Tod. Diese betreffen zwar jeden, dennoch sind sie immer noch mit einem Tabu behaftet. „Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leute in Vorarlberg nicht reden - ganz besonders nicht miteinander. Und über schwierige Themen erst recht nicht. Dabei wäre das so wichtig“, klagt die junge Psychologin.

Mut zur Authentizität und Selbsttherapie
Das Schlüsselerlebnis war für sie der viel zu frühe Tod ihres Vaters, der an Krebs erkrankt war. Erst mit der eigenen Aufarbeitung des Schicksalsschlags und einer Familientherapie konnte die 27-Jährige Frieden damit schließen. „Ich erzähle in meinem Podcast viel Persönliches und ich weiß, dass Mut dazu gehört. Ich habe auch lange damit gerungen, wie viel ich preisgeben soll, aber nur so ist mein Podcast authentisch und kann auch anderen Betroffenen helfen.“ Letztlich sei das Anfang des Jahres gestartete Projekt auch eine Art Selbsttherapie: „Als ich die erste Folge aufgenommen habe, war ich extrem nervös. Ich war schweißgebadet und habe sicher 30 Anläufe gebraucht, bis ich wirklich zufrieden war“, so Tina.

Tina macht ihr Projekt großen Spaß - auch wenn es mit viel Arbeit verbunden ist.

(Bild: Christina Rossi)

Themen aus der Schmuddelecke holen
Jeden Freitag um 20 Uhr geht eine neue Ausgabe von „Don’t shhh - let’s talk“ online. Angst, dass ihr die Themen ausgehen, hat sie nicht. Als Gesprächspartner dienen Tina Experten und Freunde, die ihre Geschichte mit ihr teilen. Nicht selten geht sie auch selbst auf Recherche - so hat sie etwa jüngst eine „Sex-positive-Party“ in Wien besucht. „Alle haben mich für verrückt erklärt, als ich alleine auf diese Party gegangen bin. Im Grunde handelt es sich dabei um einen ganz normalen Technoclub, nur dass viel Haut gezeigt wird und es die Möglichkeit gibt, in einem Darkroom Sex zu haben.“

Woman Listening Music Media Entertainment Relaxation Concept

(Bild: Rawpixel Ltd.)

Viel Zuspruch von den Hörern
Die angehende Sexualberaterin will mit ihrem neugierigen Zugang aber nicht nur Aufklärungsarbeit leisten, sondern auch Missstände ansprechen. Für diesen engagierten Ansatz bekommt sie von ihren Hörern aus dem Ländle viel Zuspruch: „Am meisten hat mich überrascht, dass ich von Menschen angesprochen oder angeschrieben wurde, die mir einfach nur für den Podcast danken wollten.“ Dieses Feedback ist die größte Motivation, dass Projekt fortzuführen. Wobei es durchaus herausfordernd ist, neben einem Fulltime-Job einem derart aufwändiges „Hobby“ nachzugehen. Tina hofft, mit ihrem Podcast einen positiven Beitrag zu einer offeneren Gesellschaft zu leisten: „Ich bin zwar nur ein einzelner Mensch, aber wenn ich nur einer Person helfen kann, damit sie sich besser verstanden fühlt, habe ich mein Ziel erreicht."