Sieg für Blockierer

US-Schuldenstreit: Obamas Kniefall vor der Tea Party

Ausland
01.08.2011 16:36
Mit der knapp erzielten Einigung im Schuldenstreit sind die USA am Montag in letzter Minute der Zahlungsunfähigkeit entgangen. Doch die Reichen kommen dabei völlig ungeschoren davon, so die Kritik von Finanzexperten. Von Steuererhöhungen für Wohlhabende fehle, trotz Bekräftigung des Präsidenten, jede Spur. Ein konkreter Sparplan sei ebenfalls nicht beschlossen worden. Obama habe vor den Tea-Party-Hardlinern der Republikaner "nahezu kapituliert", schreibt etwa die "New York Times".

Zwar habe die US-Politik im letzten Moment verhindert, dass der Regierung am Dienstag das Geld fehlt, um ihre Rechnungen zu bezahlen, doch seien die USA damit nur knapp den Verhältnissen einer Bananenrepublik entkommen, schreibt der Finanzexperte Fabian Lindner in der Onlineausgabe der "Zeit". Der Preis, den die demokratische Regierung Obamas für die Einigung zahlen musste, ist hoch.

Tea Party ist wahrer Gewinner
Obama habe so gut wie alle Forderungen der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung übernommen: Trotz Rekorddefizits wird es keine Steuererhöhungen geben, zur Konsolidierung des Haushalts werden nur Ausgaben gekürzt, so Lindners Analyse. Die Wohlhabenden werden jedoch vollkommen aus der Verantwortung für die nach der Finanzkrise stark angestiegene US-Schuld genommen.

Die Republikaner, allen voran die Tea Party, sperrten sich erfolgreich dagegen, Steuererhöhungen für Reiche als Teil der Budgetsanierung festzuschreiben. Stattdessen sind deutliche Einschnitte bei den staatlichen Sozialleistungen geplant. Die Einkommensschere wird sich in den USA so weiter öffnen, ist Linder überzeugt.

Radikale schalten weiter auf Blockade
Doch der Tea-Party-Bewegung geht die Einigung immer noch nicht weit genug. Kaum hatten sich die Spitzen von Demokraten und Republikanern nach Rund-um-die-Uhr-Verhandlungen auf einen Kompromiss im Schuldenstreit geeinigt, schalteten sie wieder auf Blockade. Zu viele Ausgaben, zu wenige Kürzungen, urteilte umgehend Michele Bachmann (im Bild links unten), die im Repräsentantenhaus den erzkonservativen Republikaner-Flügel anführt.

Bachmann legte mit ihrer Ablehnung die Marschroute für die Tea Party fest, deren Vertreter im vergangenen November kraftstrotzend in den Kongress eingezogen waren und seitdem mit ihren Maximalforderungen die auf Konsensfindung angelegte politische Kultur der US-Legislative unterspülen. Die Erzkonservativen haben im Schuldenstreit gezeigt, wie Demokratie in ihrer aggressivsten Form ein ganzes Land blockieren kann, kommentierte Gregor Peter Schmitz in der Onlineausgabe des "Spiegel".

Zwar wurde erwartet, dass eine Mehrheit von gemäßigten Demokraten und Republikanern den Deal im Kongress durchwinkt und damit die Zahlungsfähigkeit der USA sicherstellt. Doch Bachmanns Breitseite lässt eine erneute Eskalation des Streits im Herbst befürchten, wenn der Großteil der Budgetsanierung ausgehandelt werden soll.

Unmut auch bei den Demokraten
Aber auch im linken Flügel der Demokraten brodelt es nach der Einigung. "Dieser Deal ist eine Heilung, die so schlecht ist wie die Krankheit", sagte etwa der Abgeordnete Raul Grijalva. Die Anführerin der demokratischen Minderheit im Repräsentantenhaus kündigte kühl an, den Gesetzentwurf mit ihrer Fraktion zu prüfen.

Kommentatoren in den US-Medien nahmen die Einigung bestenfalls verhalten auf. Die Zeitung "Washington Post" schrieb von einer "kurzfristigen Lösung", auf die niemand stolz sein könne. Auch "USA Today" kritisierte, dass grundsätzliche Entscheidungen bei der Budgetsanierung nur aufgeschoben worden seien. Der gemeinsame Plan sei "alles andere als eine Schönheit".

Präsident Barack Obama und die Anführer von Demokraten und Republikanern im Kongress waren dagegen bemüht, ihre Arbeit als Erfolg zu verkaufen. Vertreter beider Parteien hätten letztlich den Weg zum Kompromiss gefunden, lobte Obama.

Zahlungsunfähigkeit nur aufgeschoben?
Als "mageres Ergebnis" empfindet hingegen auch der Linzer Volkswirtschafts-Professor Friedrich Schneider von der Johannes Kepler Universität die nun erzielte Einigung. Die Zahlungsunfähigkeit der USA werde lediglich bis nach 2012 aufgeschoben. Die Einsparungen im Zehnjahresplan seien sehr vage und unkonkret, die US-Schulden könnten nun munter weiter steigen, kritisierte Schneider. Es hätte auch ein konkreter Sparplan verabschiedet werden müssen, der einnahmen- und ausgabenseitig greift.

Er sei zudem "extrem unzufrieden und verärgert" darüber, dass die Kreditwürdigkeit der USA von den Ratingagenturen nicht sofort herabgestuft wurde. Länder wie Griechenland, Portugal oder Spanien wären in einem ähnlichen Fall von den Ratingagenturen sofort abgestraft worden. Irland habe seine Ausgaben tatsächlich reduziert, sei aber sofort herabgestuft worden.

Es sei richtig, dass die USA als größte Volkswirtschaft noch kreditfähig seien, "weil sie das Triple A haben". Würde man die gleichen Maßstäbe anlegen wie an verschuldete europäische Staaten wie Irland, dann hätten die USA ihr Triple A längst verloren, müssten höhere Zinsen bezahlen und die Verschuldung würde weiter steigen, argumentierte Schneider.

Schneider erwartet, dass es durch die nun erfolgte Einigung im US-Schuldenstreit zu einem kleinen Strohfeuer auf den Finanzmärkten kommen wird, "aber wenn es kein ernsthaftes Sparprogramm gibt, wird der Dollar weiter an Wert verlieren".

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