Leiter der Karlau

Josef Mock: „Möchte mit keinem Häftling tauschen“

Steiermark
18.06.2022 06:00

Josef Mock (64) leitet mit der berüchtigten Karlau die größte Justizanstalt der Steiermark. Anfang Juli geht er nach 44 Jahren im Gefängnis in den Ruhestand. Die „Krone“ hat ihn zum Interview getroffen.

„Krone“: Wie war Ihr Amtsantritt in der Karlau?
Josef Mock: Begleitet von viel Respekt. Ich war beeindruckt von den Dimensionen und der Atmosphäre im gewaltigen Zellenhaus.

In der Karlau sitzen nur schwere Jungs. Kann man da ohne Vorurteile sein?
Ich bin kein Richter. Ein Richter spricht Urteile, wir versuchen, diese umzusetzen und eine positive Richtung vorzugeben. Wir scheitern natürlich manchmal, aber das liegt nicht an uns, sondern an einigen Insassen, die eine komplett andere Vorstellung von Haft haben und sich nicht anpassen wollen.

Welche Ziele hatten Sie beim Amtsantritt?
Es arbeiten hier sehr viele Berufsgruppen wie Justizwachebeamte, Psychologen, Sozialarbeiter und Berufsschullehrer. Ich wollte die Zusammenarbeit fördern, um unser Ziel, die Resozialisierung der Insassen, zu stärken. Daraus sind Leitlinien entstanden, die vor der Karlau auf eine Metallplatte eingraviert sind. Oberste Prämissen sind Menschlichkeit, Respekt und Professionalität. Auch wurde das Leitungsteam unter meiner Führung zur Hälfte mit Frauen besetzt.

Gibt es Insassen, die nicht resozialisierbar sind?
Das kommt leider vor. Das betrifft vor allem Berufskriminelle, Mörder und brutale Menschen, oft auch aus dem Rotlichtmilieu, die es gewohnt sind, ihre Ziele mit heftiger Gewalt durchzusetzen. Da helfen manchmal auch Therapien nichts mehr. Genauso ist es bei manchen Insassen mit gewissen Krankheitsbildern im Maßnahmenvollzug. Sie bauen ihre Gefährlichkeit nur durch das Alter ab.

Oft werden härtere Strafen gefordert. Zu Recht?
Die Strafhöhen sind meines Erachtens durchaus den Delikten angepasst. Ich möchte mit keinem Häftling tauschen, auch nicht in einem noch so modernen Gefängnis. Man ist in seiner Freiheit komplett blockiert, der Tagesablauf ist minutiös durchgeplant. Die Haft ist ein absoluter Verlust der Selbstbestimmung und Deutungshoheit über das eigene Leben. Wer es nicht glaubt, dem kann ich nur empfehlen, sich hier einmal einen Tag hereinzusetzen.

Wie geht ein Gefängnis mit einer Pandemie um?
Das war eine sehr große Herausforderung. Wir haben die Kommunikation massiv erhöht, Zoom-Konferenzen statt den gestrichenen Besuchen eingeführt, Tests und Impfungen angeboten. Ich selber habe sehr viele Ansprachen über die Haussprechanlage gehalten, um die Insassen zu beruhigen. Kernaussage war, dass wir vom Personal genauso von dieser Pandemie betroffen sind wie die Gefangenen.

Es gab auch zwei Ausbruchsversuche, bei denen Löcher in die Mauer gegraben wurden. Ist es so einfach, aus der Karlau auszubrechen?
Über die Vorgehensweise möchte ich eigentlich nicht sprechen (schmunzelt). Aber ich lege Wert darauf, dass beide Ausbrecher innerhalb kurzer Zeit gefasst wurden. Sie waren ja noch immer im Anstaltsareal. Aber natürlich durchlebt man da als Direktor bange Minuten, man weiß ja erst nicht, wer ausgebrochen ist und ob derjenige bewaffnet und gefährlich ist.

Die Tage der offenen Tür waren ein Publikumsmagnet. Was macht die Faszination „Häfen“ aus?
Das Geheimnisvolle. Man hat keinen Blick hinter die Mauern, das lässt die Fantasie aufblühen. Da reichen die Vorstellungen vom täglichen Wiener Schnitzel für die Gefangenen bis hin zu den Eisenkugeln an den Beinen.

Treffen Sie manchmal „Ex-Kunden“ auf der Straße?
Das kommt öfters vor, die meisten grüßen sehr freundlich. Ich habe bei einem Spaziergang einmal eine ganze Gruppe getroffen und gefragt, wie es ihnen so gehe und was sie so machen. „Herr Oberstleutnant“, hat dann einer gesagt, „wir haben gerade eine Betriebsversammlung.“ Ich hab dann gelacht und ihnen einen Zwanziger gegeben.

Was war Ihr berührendstes Erlebnis?
Ich bin mit einer Gruppe von straffälligen Jugendlichen Wandern gegangen. Als wir am Gipfel angekommen sind, hat einer von ihnen zu weinen begonnen, mich umarmt und gesagt: „Ich war noch nie auf einem Berg, das ist heute das erste Mal. Mein Vater hat mich immer nur verdroschen.“ Diese Erinnerung berührt mich heute noch.

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