Hospiz-Helfer erzählt

„Der Tod, der macht mir heute keine Angst mehr“

Tirol
03.05.2022 17:00

30 Jahre Tiroler Hospizgemeinschaft. Zu diesem Anlass traf die „Krone“ Martin Geiler. Er begleitet seit 20 Jahren ehrenamtlich Menschen in der letzten Lebensphase. Warum er keinen Tag davon missen möchte.

Freitagnachmittag. Martin Geiler hat eine Verabredung - wie jeden Freitag. Der 72-Jährige steht in der Kaffeeküche des Hospizhauses in Hall, trinkt noch einen Schluck aus seiner Tasse und macht sich dann auf zu seiner Runde. In den nächsten Stunden wird er an Türen klopfen, an Betten sitzen, Hände halten, über Gott und die Welt reden; oft aber einfach schweigen und aufmerksam zuhören. „Zuhören ist ungemein wertvoll. Mich fasziniert es immer wieder, wie viel man damit für Menschen tun kann“, sagt Geiler und macht dann eine Pause. So, als wolle er den Augenblick Stille als zusätzlichen Beweis einbringen.

Damals einer von nur drei Männern in der Ausbildung
Vor 20 Jahren kam der ausgebildete Statistiker mit der Hospiz-Bewegung in Berührung. 2002 begann er mit der Ausbildung für Ehrenamtliche. „Nur drei von 15 Teilnehmern waren Männer“, kommt der Innsbrucker der Frage nach der Geschlechterverteilung zuvor. In der ersten Zeit habe er auch im Bekanntenkreis viel Aufklärungsarbeit leisten müssen, erinnert er sich.

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Was hier passiert, ist so wertvoll.

Martin Geiler

Beim Wort Hospiz dachten viele nur an das Hotel am Arlberg, aber nicht an die Aufgabe, Menschen in der letzten Lebensphase beizustehen und mit ihnen ein Stück des Weges zu gehen. „Eine sehr erfüllende Aufgabe“, wie Geiler betont. „Ich war selbst ein Unwissender, habe aber sofort gemerkt, wie wichtig dieser Dienst am Nächsten ist. Was hier passiert, ist so wertvoll.“

Die vermeintlich kleinen Dinge bewirken Großes
Da sein, zuhören, Kaffee servieren, Zuspruch geben, schweigen. Es sind die vermeintlich kleinen Dinge, die Großes bewirken. Das hat der gebürtige Osttiroler mit dem stoischen Wesen rasch erkannt. „Als Ehrenamtlicher erfüllst du eine Mittlerrolle. Manche vertrauen dir Gedanken an, die sie ihren Angehörigen nicht sagen können oder wollen. Sie gestehen dir Anliegen, mit denen sie Ärzten oder Pflegekräften nicht zur Last fallen wollen. Oft sind es die Angehörigen, die in ihrer Hilflosigkeit Unterstützung brauchen“, beschreibt Geiler die Aufgaben.

Als „intensive Zeit“ nimmt der 72-Jährige die Nachmittage im Hospizhaus wahr. Intensiv in all seinen Bedeutungsebenen. „Ich habe das Glück, dadurch Menschen kennenzulernen, die sich nicht mehr mit Nebensächlichkeiten aufhalten müssen“, konstatiert der Pensionist. „Ich bekomme vor Augen geführt, worauf es im Leben ankommt. Es sind die menschlichen Beziehungen, die tragen.“

Martin Geiler: „Keinen Tag möchte ich missen.“
Für Menschen in einer schwierigen Lebensphase da sein. Martin Geiler hat darin Erfüllung gefunden. 20 Jahre schon ist er als Ehrenamtlicher für die Tiroler Hospizgemeinschaft wichtiger Mitarbeiter. „Keinen Tag möchte ich missen“, erklärt er. Dann wieder eine kurze Pause – und die Erkenntnis: „Der Tod, der macht mir keine Angst mehr.“

Geiler spricht über seine Werteskala, die sich durch den Hospizdienst verändert habe. Über seine Arbeit, „die erdet und den Blick für die wesentlichen Dinge im Leben schärft“. Dafür sei er dankbar, meint er zum Abschluss: „Unendlich dankbar.“

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