Die neuen Fahrgastrechte kamen durch eine EU-Verordnung zustande und gelten seit 3. Dezember 2009. Passagieren im Fernverkehr steht demnach ab 60 Minuten Verspätung eine Entschädigung von 25 Prozent des Fahrkartenpreises zu, ab zwei Stunden sind es 50 Prozent. Die ÖBB haben unter diesem Titel im vergangenen Jahr genau 276.822 Euro Entschädigung geleistet, 33.281 Euro davon in Form von Bahn-Gutscheinen.
Die Regelung für Pendler ist eine österreichische: Demnach bekommen Inhaber von Jahreskarten mindestens zehn Prozent Entschädigung, wenn der festgelegten Pünktlichkeitsgrad von derzeit 90 Prozent nicht erreicht wird. Die Auszahlungen erfolgt automatisch nach Ablauf der Gültigkeit der Jahreskarte, und zwar für jene Monate, in denen die Verspätungen über dem Limit lagen.
Durchschnittlich bekam jeder entschädigte Fahrgast im Jahr 2010 somit 26 Euro bezahlt. Wie viele abgewiesene Beschwerden bzw. Entschädigungsanträge es gab, teilte Infrastrukturministerin Doris Bures nicht mit. Die Pünktlichkeit im Personenverkehr mit pro Jahr 71 Millionen Zugkilometern ist zuletzt gestiegen: Von 90,5 Prozent im Jahr 2009 auf 94,2 Prozent im vergangenen Jahr und auf 97,1 Prozent in den ersten vier Monaten 2011. Gesplittet betrug sie Fernverkehr von Jänner bis April nur 88,7 Prozent, im Nahverkehr dafür 97,5 Prozent.
Bures will Fahrgastrechte noch einmal stärken
Bures ist damit noch nicht zufrieden: Ziel sei, "an die legendäre Pünktlichkeit der Schweizer Bahn heranzukommen", meinte sie und kündigte für Herbst eine Novelle zum Fahrgastrechte-Gesetz an, in der 95 statt 90 Prozent Pünktlichkeit auf jeder Strecke als Ziel im täglichen Nahverkehr festgeschrieben werden.
Darüber hinaus sollen Pendler die Möglichkeit haben, im Internet den Pünktlichkeitsgrad zu überprüfen. Die Schienen-Control als Regulator, sie fungiert auch als Schlichtungsstelle, soll verstärkte Kontroll- und Überwachungsrechte bekommen.
Der Regulator ist bereits seit geraumer Zeit in Sachen Fahrgastrechte aktiv. So hat die Schienen-Control unter anderem durchgesetzt, dass Passagiere im Fall von Verspätungen von mehr als einer Stunde kostenlos angemessene Verpflegung und Erfrischungen angeboten bekommen und Entschädigungen binnen eines Monats ab Antrag ausgezahlt werden. Die im vergangenen Jahr aufgetretenen Probleme bei der Auszahlung der Entschädigungen - nämlich Verspätungen - gebe es jetzt nicht mehr.
AK und Grüne fordern Rechte auch für Monatskartenbesitzer
Dennoch gehen der Arbeiterkammer geltende und künftige Regelungen nicht weit genug: Auch Monatskartenbesitzer sollten die Möglichkeit haben, sich bei Unpünktlichkeit Geld zurückzuholen, fordert die AK. Darüber hinaus verlangt die Interessensvertretung eine genauere Pünktlichkeitsstatistik der Bahn. Nicht nur verspätete, sondern auch ausgefallene Züge müssten mitgerechnet werden.
Den Grünen missfiel am Mittwoch das "Selbstlob" der Infrastukturministerin. "Verspätet und halbherzig haben die Regierungsparteien vor einem Jahr die Fahrgastrechte geregelt. Dass sie endlich dieser EU-Vorgabe nachgekommen sind, ist wahrlich kein Ruhmesblatt für Verkehrsministerin Bures", kritisiert die grüne Verkehrssprecherin Gabriela Moser. Denn nach wie vor seien viele Pendler und Gelegenheitsfahrgäste vom Recht auf Entschädigung ausgeschlossen, sprach auch Moser den bereits von der AK ins Treffen gebrachte Ausschluss der Monatskartenbesitzer an.
"Österreich-Ticket" weiterhin nicht in Sicht
Wenn auch die ÖBB in Sachen Pünktlichkeit der Schweizer Bahn auf den Fersen sind, wie die Verkehrsministerin meinte - ein gemeinsames Ticket für alle Verkehrsbetriebe und -verbünde statt unzähliger Tarifbestimmungen, quasi eine "Jahreskarte für den öffentlichen Verkehr", wie sie in der Schweiz existiert, wird es in der Alpenrepublik zumindest in naher Zukunft nicht geben. Obwohl man damit auch Themen wie Klimawandel, Erdölverbrauch und Feinstaubbelastung abdecken könnte, scheitert die Einführung eines solchen "Österreich-Tickets" an finanziellen Fragen - denn jedes müsste laut Bures mit bis zu 1.400 Euro gefördert werden.
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