Das große Interview

Mattle und Walser: „Tirol sehr gut aufgestellt“

Tirol
18.04.2022 17:00

Corona und der Ukraine-Krieg stellen Tirols Wirtschaft vor große Herausforderungen. Die „Krone“ führte dazu separate Interviews mit Wirtschafts-Landesrat Anton Mattle (ÖVP) und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Walser. Beide sehen Tirol trotz allem gut aufgestellt. Zudem verraten sie, wie ihre Pläne für die Landtagswahlen 2023 aussehen.

Krone: Herr Walser, die Firmenkonkurse sind wieder gestiegen. Ein Großteil der Corona-Hilfen ist ausgelaufen. Erwarten Sie nun noch mehr Konkurse?
Walser: Wir haben aus der Corona-Krise heraus gut Schwung genommen. Es ist verständlich, dass die Hilfen auslaufen mussten. Wir hoffen, dass die Hilfen, die aufgrund der steigenden Preise durch den Krieg in der Ukraine vom Bund beschlossen wurden, jetzt rasch zur Auszahlung kommen. Sonst werden die Firmenpleiten relativ schnell steigen.

Zuerst zwei Jahre Pandemie, jetzt ein Krieg in Europa. Wie sehen Sie beide den Wirtschaftsstandort Tirol in dieser Krisenzeit aufgestellt?
Walser: Von der Corona-Krise waren wir aufgrund des Tourismus besonders stark betroffen. Die Industrie ist aber sehr gut gelaufen. 2021 werden wir, wie es aussieht, die Exportgrenze von 14 Milliarden Euro erstmals übersteigen. Die Auslastung im Baugewerbe ist sehr gut. Tirol ist also gut aufgestellt.

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Mein Ziel ist es, unsere Betriebe in Europa noch stärker zu vernetzen und neue Kooperationen zu gewinnen.

Anton Mattle

Mattle: In der Pandemie hatten wir aufgrund des Tourismus einen wesentlich stärkeren wirtschaftlichen Einbruch als andere Bundesländer. 17 Prozent des Bruttoregionalproduktes machen in Tirol die Industrie und das produzierende Gewerbe aus. 15 Prozent sind es im Tourismus. Mein Ziel ist es, unsere Betriebe in Europa noch stärker zu vernetzen und neue Kooperationen zu gewinnen. Damit wird der Wirtschaftsstandort Tirol noch interessanter werden. Bei der Wasserkraft gilt es, noch 2,6 Gigawattstunden und 3,3 bei der Fotovoltaik auszubauen. Wenn wir diese Energie selber erzeugen können, bringt das für die Betriebe sehr viel an Sicherheit.

Angesichts des Krieges wollen alle noch schneller raus aus Öl und Gas. Schaffen es die Betriebe überhaupt, so schnell umzurüsten?
Mattle: Hier muss sehr viel bei der Technologie geändert werden. Große Betriebe arbeiten schon an Konzepten zur Dekarbonisierung. Wir überlegen uns derzeit, wie eine entsprechende Förderung aussehen könnte und erarbeiten Konzepte. Von heute auf morgen wird es sicher nicht gehen.

Walser: Man muss realistisch bleiben. Es wird nicht gehen, dass man in kürzester Zeit keine fossilen Brennstoffe mehr braucht. Es will ja auch nicht jeder, dass wir die Wasserkraft in Tirol extrem ausbauen. Wir reden immer wieder von der Gefahr eines Blackouts. Wenn wir komplett aus den fossilen Brennstoffen heraußen wären, bräuchten wir noch viel mehr Energie vom Stromnetz. Das wird so nicht funktionieren.

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Die Wirtschaft reagiert auf Situationen sehr schnell und flexibel. Hier hinkt die Verwaltung bei der Bürokratie leider hinten nach. Der Amtsschimmel sollte nicht so oft wiehern, wie er das tatsächlich tut.

Christoph Walser

Der Fachkräftemangel ist ein Dauerthema. Wie laufen hier die Initiativen?
Walser: Es gilt, Frauen nach der Karenz wieder schneller in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Hier braucht es Verbesserungen bei der Kinderbetreuung. Zudem muss man schauen, wie es gelingt, dass Personen in der Pension weiter arbeiten dürfen, ohne dass ein finanzieller Nachteil entsteht. Die Rot-Weiß-Rot-Karte muss wesentlich vereinfacht werden. Wir haben zu wenig Menschen im Land, die arbeiten, weil wir zu wenig Einwohner haben.

Mattle: Derzeit steht die Alterspyramide auf dem Kopf, es fehlt an Nachwuchs. Es gibt sicherlich noch Potenzial, um die Menschen zu einer höheren Qualifikation hinzuführen. Hier gibt es mehrere Initiativen, wie etwa auch die überbetriebliche Lehre. Es soll auch eine neue Vereinbarung mit dem Bund geben, damit wir bei der Kinderbetreuung noch besser werden. Die Anzahl der in Vollzeit beschäftigten Mütter beträgt ein Drittel. Sehr viele sind in Teilzeit. Wenn wir hier besser werden, bekommen wir auch mehr Fachkräfte. Zweitens müssen wir es schaffen, dass wir die Menschen länger in der Arbeit halten. Natürlich müssen wir auch über qualifizierten Zuzug reden. Hier braucht es Änderungen bei der Rot-Weiß-Rot-Karte.

Herr Walser, bei der Bürokratie fordert die WK schon lange einen Abbau, ist selbst aber nicht gerade ein Musterschüler. Woran scheitert es?
Die Wirtschaft ist gewohnt, dass auf unterschiedliche Situationen schnell reagiert wird. Hier hinkt die Verwaltung oft hinten nach. Es braucht – egal in welchem Bereich – eine Vereinfachung. Auch die Dauer von Verfahren ist häufig viel zu lange. Der Amtsschimmel sollte nicht so oft wiehern, wie er es tut.

Herr Mattle, wo gibt es im Bereich der Digitalisierung noch Aufholbedarf?
Wir arbeiten daran, in den nächsten Jahren in puncto Verwaltung wesentlich weiter zu kommen. Österreich ist hier nicht schlecht aufgestellt. Im EU-weiten Ranking liegen wir auf Platz vier. Es gibt aber noch viele Schritte, damit auch der Bürger einen Nutzen hat. Wir wollen etwa den Familienpass, das Gutscheinheft oder diverse Karten wie zum Beispiel die Jagdkarte bald auch digital anbieten.

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Anton Mattle hat sich durch seine lange politische Erfahrung relativ schnell zurechtgefunden und macht einen sehr guten Job als Landesrat.

Christoph Walser

Herr Walser und Herr Mattle, wie bewerten Sie die Arbeit Ihres Gegenübers und die Zusammenarbeit?
Walser: Die Zusammenarbeit ist hervorragend. Wir tauschen uns nahezu jeden zweiten Tag aus. Anton Mattle hat sich durch seine lange politische Erfahrung relativ schnell zurechtgefunden und macht einen sehr guten Job als Landesrat.

Mattle: Wir arbeiten sehr freundschaftlich und ausgezeichnet miteinander. Es gibt wöchentlich ein Jour-Fixe, bei dem Themen ausgetauscht werden. Sehr häufig greifen wir auch auf die Zahlen der WK Tirol zurück. Herr Walser ist ein engagierter Präsident, der viel bei den Leuten draußen ist.

Herr Mattle, kommendes Jahr stehen Landtagswahlen an. Streben Sie eine zweite Amtszeit an?
Ich würde sehr gerne eine zweite Amtszeit machen.

Herr Walser, bleiben Sie bis zum Ende Ihrer Periode im Amt oder treten Sie bei den Landtagswahlen an?
Bei den Landtagswahlen trete ich nicht an. Ich bin als Präsident genug gefordert.

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Unmittelbar nach meiner Angelobung war die Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsstrategie fertig. Das Maßnahmenpaket zur Abarbeitung sollte in den nächsten Monaten auf Schiene sein.

Anton Mattle

Was möchten Sie beide in nächster Zeit umsetzen?
Mattle: Unmittelbar nach meiner Angelobung war die Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsstrategie fertig. Das Maßnahmenpaket zur Abarbeitung sollte in den nächsten Monaten auf Schiene sein. Der zweite Punkt ist die Wirtschafts- und Innovationsstrategie. Auf dieser aufbauend gibt es eine Evaluierung des Fördersystems. Dieses wird auch bald präsentiert.

Walser: Das drängendste Thema ist der schon angesprochene Fachkräftemangel. Die Angleichung des schulisch-akademischen Bildungsweges an den berufspraktischen Bildungsweg wurde in den vergangenen Monaten vorangetrieben. Hier arbeiten wir mit dem Ministerium den genauen Ablauf aus. Die Nachhaltigkeit beschäftigt uns auch. Die WK soll hier neu ausgerichtet werden.

Ferdinand Eberle stellte sein Amt unter das Motto „Im Zweifel für die Wirtschaft“. Wie lautet Ihres?
Mattle: Die Wirtschaft in Tirol ist sehr bunt. Es gilt, die Interessen von den Mitarbeitern und der Umwelt mitzuberücksichtigen.

Walser: „Im Zweifel für die Wirtschaft“ ist zwar richtig, ich würde es aber erweitern: Wenn man die Wirtschaft unterstützt, unterstützt man das Gesamtsystem der Gesellschaft. Rollt die Wirtschaft, fließen Steuern, mit denen man wieder investieren kann - sei es im Bereich der Kinder- oder Altenbetreuung oder in einem anderen Bereich.

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