„Krone“-Interview

Bogner-Strauß und Kahr: „Frauenbudgets zu klein“

Steiermark
08.03.2022 06:00
Anlässlich des Weltfrauentages holte die „Steirerkrone“ zwei Politikerinnen an einen Tisch: ÖVP-Landesrätin Juliane Bogner-Strauß und die Grazer Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ). Ihre Mission: Frauenrechte stärken!

„Krone“: Gab es einen Moment in Ihrem Leben, in dem Sie gemerkt haben: Ich werde gerade anders behandelt, weil ich eine Frau bin?
Elke Kahr: In meiner eigenen Partei nie. Aber die Öffentlichkeit schaut jetzt viel genauer auf mein Aussehen. Manche haben im Internet geschrieben, ich soll mir die Zähne richten lassen oder öfter zum Frisör gehen. Diese Erfahrung hat mein Vorgänger nie gemacht.
Juliane Bogner-Strauß: In der Politik wurde mir eigentlich immer auf Augenhöhe begegnet. Erst in der Pandemie habe ich viele Hasskommentare und Mails bekommen, die auch mein Aussehen zum Inhalt hatten. An der Technischen Universität gab es einen ganz klaren Unterschied, ob man Frau oder Mann war, vor allem dann als Mama. Ich war als Professorin eine Quotenfrau – und stolz darauf, weil ich die Qualifikation hatte.

Viele Steirer wissen gar nicht, dass Sie im Land und in der Stadt für die Frauenagenden zuständig sind. Wieso?
Kahr: Das ist sicher der noch kurzen Amtszeit geschuldet – die Leute sehen mich eher als Bürgermeisterin. Das Frauenbudget in Graz ist derzeit ein Micky-Maus-Budget, es gehört angehoben. Wir werden außerdem künftig dem Frauenhaus Übergangswohnungen mit Betreuung für Gewaltopfer zur Verfügung stellen.
Bogner-Strauß: Solche Übergangswohnungen gibt es auch schon in allen Regionen. Ich finde nicht, dass die Frauenagenden untergegangen sind, wir haben in den letzten Jahren trotz Pandemie viele Akzente gesetzt. Frauenbudgets sind immer zu klein, aber man kann sie vergrößern, indem man andere Ressorts ins Boot holt. Zum Beispiel haben wir in den Bezirken jetzt Gleichstellungskoordinatoren ausgeschrieben. Mein Credo in der Frauenpolitik: wirtschaftliche Unabhängigkeit! Viermal so viele Frauen wie Männer arbeiten Teilzeit, weil sie sich um die Kinder kümmern oder ältere Menschen betreuen. Wir müssen diese Stereotype abbauen.

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Schon meine Oma hat gesagt: ,Elke, es gibt keinen Märchenprinzen, du musst dein eigenes Geld verdienen.

Elke Kahr

Obwohl das Land die Kinderbetreuung ständig ausbaut, können nur in 76 von 286 Gemeinden beide Elternteile Vollzeit arbeiten. Wieso geht da nichts weiter?
Bogner-Strauß: Wir haben genug Plätze, nur bräuchte man in Graz mehr Gruppen, während sie am Land leer sind. Bei den Öffnungszeiten ist sicher Luft nach oben, daran arbeiten wir, und auch bei der Betreuung der Unter-Dreijährigen. In den Familien bräuchte es mehr Bewusstsein, dass beide Eltern Verantwortung übernehmen. Kinderbetreuung sollte nicht immer automatisch ein Frauen- sondern ein Familienthema sein.

Fakten

Juliane Bogner-Strauß, geboren am 3. 11. 1971 in Wagna, wuchs am Weingut ihrer Eltern auf. Nach dem Studium wurde sie Professorin für Biochemie an der TU Graz. Ende 2017 wurde sie in der Regierung Kurz I Frauenministerin für die ÖVP. Seit 2018 ist sie Bundesleiterin der ÖVP-Frauen, seit Dezember 2019 steirische Landesrätin für Bildung, Gesellschaft (Frauen), Gesundheit und Pflege. Verheiratet, drei Kinder, lebt in Graz.

Elke Kahr, geboren am 2. 11. 1961 in Graz, wuchs im Arbeiterbezirk Gries auf. Seit Beginn der 1980er-Jahre ist sie Mitglied der KPÖ, seit 1993 Gemeinderätin. 1998 wurde sie Klubobfrau der KPÖ in Graz. Viele Jahre war sie als Stadträtin für den Wohnbereich zuständig. Bei der Graz-Wahl 2021 verdrängte sie die ÖVP vom ersten Platz, wurde Bürgermeisterin und übernahm die Frauenagenden. Lebt mit Partner in Graz, ein Sohn.

Wer macht bei Ihnen zu Hause den Haushalt?
Bogner-Strauß: Ich bin auch als Mama arbeiten gegangen, mir war es wichtig, beides zu machen. Manchmal hat mein Mann mehr gemacht, manchmal ich. So wurde ich auch aufgezogen. Mein feministisches Vorbild ist meine Oma: Sie war im Weingarten draußen, der Opa musste sich selber Essen machen. Das war damals revolutionär.
Kahr:
Schon meine Oma hat gesagt: „Elke, es gibt keinen Märchenprinzen, du musst dein eigenes Geld verdienen.“ Als ich 1993 in den Gemeinderat gekommen bin, war mein Sohn drei Jahre alt. Damals hatte Graz exakt zwei Krabbelstuben. Mein Dringlichkeitsantrag für mehr Einrichtungen wurde damals von allen Parteien niedergestimmt. Heute hat sich das Bild auch gewandelt, weil wir die Frauen am Arbeitsmarkt brauchen, und weil sie arbeiten müssen, damit die Familie über die Runden kommt. Sie arbeiten großteils in Jobs zwischen 800 und 1500 Euro – und bringen so nicht einmal eine Mindestpension zusammen. Deswegen muss die Stadt Graz auch bei den Kindergärten und bei der Reinigung Vollzeitstellen zur Verfügung stellen!

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Den Gratis-Kindergarten stemmt die Stadt Graz nicht. Es wäre sinnvoll, aber unrealistisch.

Bürgermeisterin Elke Kahr

Was wurde aus dem Gratis-Kindergarten?
Kahr: Das stemmt die Stadt Graz nicht. Es wäre sinnvoll, aber unrealistisch. Wir überdenken aber die Einkommensstaffel bei den mittleren Einkommen.

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Mein feministisches Vorbild ist meine Oma: Sie war im Weingarten draußen, der Opa musste sich selber Essen machen. Das war damals revolutionär.

Landesrätin Juliane Bogner-Strauß

Gendern Sie?
Bogner-Strauß: Ja.
Kahr:
Ja, das habe ich immer gemacht.

Wie viel Platz für Feminismus ist im Kommunismus?
Kahr: Die KPÖ Graz war die erste Partei überhaupt, die ein Frauenprogramm hatte. Wir haben auf allen Listen gleich viele Frauen wie Männer. Bei unseren Terminen kann auch jeder Kinder mitbringen.

Und bei der ÖVP?
Bogner-Strauß: In der Kommunalpolitik gibt es sicher noch Luft nach oben. Bei den großen Wahlen haben wir aber ein Reißverschlusssystem, und unsere Landesregierung hat gleich viele Frauen wie Männer. Ich finde es auch schön, dass sich Frauen über die Parteigrenzen hinweg vernetzen.

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Damals wurde mir just am 8. März gesagt, dass ein Mann statt mir interimistischer Institutsleiter wird.

Juliane Bogner-Strauß

Haben Sie Elke Kahr den Wahlerfolg gegönnt?
Bogner-Strauß: Warum denn nicht? Parteitechnisch ist es natürlich schwierig, aber ich freue mich, wenn eine Frau Bürgermeisterin einer großen Stadt wird.

Wie begehen Sie beide den Weltfrauentag?
Bogner-Strauß: Ich bin vom 8. März geprägt, weil mir damals genau an diesem Tag gesagt wurde, dass ein Mann statt mir interimistischer Institutsleiter wird. Der 8. März muss jedes Jahr begangen werden – am besten sogar 365 Tage im Jahr!
Kahr: Ich gehe seit fast 40 Jahren auf die Frauentags-Demo – jetzt zum ersten Mal als Bürgermeisterin.

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