„Krone“-Kolumne

Sexuelle Intimität beim Oralsex

Kolumnen
05.03.2022 13:31

Soziologin und Sexualpädagogin Barbara Rothmüller diesmal über Vulven und sexuelle Intimität bei Oralsex.

„Die Zunge auf und ab, von Seite zu Seite oder in Form einer Acht bewegen.“ Über Oralsex mit Vulven findet man Techniktipps in Zeitschriften, die unnötig kompliziert klingen - und es auch sind. Denn zumindest bei jungen Menschen scheitert Oralsex eher an Ekelgefühlen als an der Technik. Karla, eine 16-Jährige, streitet darüber mit ihren Freunden, wie sie einer Forschergruppe aus England erzählt hat. „Die Jungs sind immer so: ‘Ja, also, ich würde ein Mädchen nicht lecken, weil das einfach eklig ist‘, und ich sage: ‘Was?! Also sie kann dir einen blasen und du kannst das Mädchen darum bitten zu blasen, aber du kannst es ihr nicht zurückgeben?‘“

Philippa, eine ebenfalls in der Studie befragte Jugendliche, findet, dass Oralsex auch umgekehrt für Mädchen eine große Sache ist: „Ich glaube, Mädchen würden eher ihrem Freund einen blasen, als selbst geleckt zu werden. Mädchen haben eine Menge Unsicherheiten. Auch bezogen auf die Intimhaare, weil Jungs in der Schule so eine große Sache aus solchen Dingen machen.“ Junge Frauen wie Karla und Philippa fordern zunehmend Gleichheit beim Oralsex ein. Ihrer Meinung nach sollte Sex auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhen: „Sex ist für beide da, und das ist dasselbe, wenn man jemandem einen bläst und beim Lecken. Es ist irgendwie gleich, wenn es beide machen. Man kann nicht wirklich erwarten, dass man es auf eine Art und Weise macht, wenn man definitiv nicht bereit ist, es dem anderen zu geben, während er es einem macht. Ich denke, das ist ziemlich unfair“, resümmiert Karla.

Dass junge Frauen von Männern erwarten, sich beim Sex auch um ihre Lust und ihr Vergnügen zu kümmern, ist wichtig. Männer fordern Oralsex oft recht unverblümt ein, während Frauen sich mit Oralsex häufiger unwohl fühlen. Es ist allerdings auch problematisch, wenn Jugendliche unter Druck geraten, sexuelle Dienste erwidern zu müssen, vor denen ihnen graust. Besorgniserregend an Karlas Erzählung: Junge Frauen hören seltener als Männer mit dem Oralverkehr auf, wenn es ihnen nicht gefällt. Es ist also wichtig, junge Mädchen darin zu bestärken, den Oralsex zu haben, den sie möchten - sowohl in der aktiven als auch in der passiven Rolle.

Ekel bei Oralsex mit Vulven hat eine kulturelle Tradition. Etwas in den Mund zu nehmen ist heikel: Was man in den Mund steckt, muss als sauber und rein wahrgenommen werden. Vulva und Vagina werden kulturell jedoch oft als unrein dargestellt. Scheidensekret und Menstruationsblut gelten (zu Unrecht!) als schmutzig. Frauen selbst möchten Oralsex oft nicht genießen, weil sie Angst davor haben, dass ihre Vulva nach Vulva riechen, schmecken oder aussehen könnte. Hinzu kommt die Angst von Frauen, sie könnten zu lange brauchen, um zum Orgasmus zu kommen, was es ihnen wiederum erschwert, zu kommen. „Dienende“ Männlichkeit wird oft abgewertet, vor allem von traditionell eingestellten Jugendlichen, die sich noch vor ihren Kumpels beweisen müssen. - Harte Männer lassen sich sexuell servicieren. Aber die Freundin lecken? Das ist peinlich. Oralsex wird deshalb von Jugendlichen und jungen Erwachsenen sehr ungleich praktiziert.

Oralsex mit Vulven ist intim und ein längerer Prozess, der im Laufe der sexuellen Karriere von Erwachsenen erst Fahrt aufnimmt. Die Forschung zeigt, dass Frauen ihr Unwohlsein bei Oralsex ablegen, wenn sie den Enthusiasmus ihrer Partner oder Partnerinnen über ihre Vulva spüren. Technik-Fetischisten können beim Oralsex deshalb zwar vielleicht ihre eigene Unsicherheit überspielen. Die beste Technik kann jedoch den Spaß an sexueller Intimität beim Oralsex nicht ersetzen.

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