Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) lehnt auch nach einem entsprechenden Appell von Papst Franziskus und der Bischofskonferenz die zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen ab. „Wenn wir schon mit 34.000 Asylanträgen belastet sind, wen soll ich dann noch aufnehmen als Österreich, wenn ich weiß, dass (...) mittlerweile fast 24 Mitgliedsländer dann zum Teil weniger belastet sind als Österreich“, sagt der frühere Innenminister mit Blick auf die Asylzahlen 2021. Das sei keine „Frage der bösen Absicht, sondern auch der Machbarkeit“.
Papst Franziskus hatte am 23. Dezember die Ortskirchen in aller Welt zur Aufnahme von Flüchtlingen aufgerufen und die jeweiligen Regierungen gebeten, dies zu ermöglichen. Der Bundeskanzler betont im APA-Interview, dass Österreich „unglaublich viel“ zum Schutz von Menschen leiste. „Da braucht sich keine Österreicherin, kein Österreicher, kein Mensch, der in Österreich lebt, davor zu verstecken oder zu schämen. Denn wir sind die, die wirklich Hilfe leisten. Wir reden nicht darüber, wir tun.“ Statt „immer den Scheinwerfer nach Österreich zu richten und zu sagen ,Warum macht ihr nicht mehr?‘“, sollten jene 24 EU-Staaten stärker in die Pflicht genommen werden, „die weniger leisten“.
Trotz der wiederholten Kritik an Österreich bleibt der türkise Regierungschef bei der bisherigen Position. Er betont aber, dass noch „vieles an Aufklärungsarbeit“ nötig sei, weil viele EU-Staaten „gar nicht sehen oder erkennen, wie sehr Österreich belastet ist“. In EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen habe Österreich aber „eine sehr interessierte Verbündete an seiner Seite", lobt Nehammer die Vorschläge der Brüsseler Behörde für einen neuen Pakt für Migration und Asyl, insbesondere was Rückführungen und schnellere Asylverfahren betrifft.
Nehammers Großvater und die Isonzo-Schlachten
Nehammer unterstrich im Interview seine pro-europäische Gesinnung und begründete sie auch mit den Kriegserfahrungen seines Großvaters, der „alle Isonzo-Schlachten im Ersten Weltkrieg überlebt“ habe. „Wir haben erlebt, wie zerstritten Europa war und wie viele Millionen Menschen das das Leben gekostet hat.“ Auch wenn das heute „nur die Allerwenigsten hören“ wollen, sei das Friedensprojekt Europa „unendlich in seiner Größe einzuschätzen“, betonte der frühere Berufssoldat.
Um die Position auf EU-Ebene klar zu vertreten, müsse man „die richtigen Worte finden, da muss man klar sein, aber auch das richtige Verständnis zeigen, dass andere Länder auch andere nationale Interessen haben“. Dies gelte übrigens auch in der Atomfrage, wo Österreich groß auftrete und den anderen sage: „Aber ihr dürft nicht Atomstrom haben.“ Apropos Atomkraft: „Beim Konflikt mit dem Iran setzt Nehammer auch weiterhin auf eine diplomatische Lösung.
Israel-Flagge bei neuerlichen Hamas-Angriffen
Die Wiener Verhandlungen darüber hätten derzeit „oberste Priorität“ und sollten „zu einem guten Ende finden“. Doch sei es auch „klares Ziel“ der österreichischen Innen- und Außenpolitik, „die Unversehrtheit Israels nach bestem Wissen und Gewissen zu unterstützen“, sagt er auf eine Frage nach der österreichischen Positionierung zu einem möglichen Militärschlag Israels gegen iranische Atomanlagen. „Es ist aus meiner Sicht unerlässlich, dass wir immer auf der Seite Israels stehen und unsere klare Solidarität mit Israel bekunden, und eines kann ich Ihnen garantieren: Sollte die Hisbollah, eine Terrororganisation, oder die Hamas, auch eine Terrororganisation, wieder Raketen auf israelische Zivilisten abfeuern, dann werden wir auch da wieder die Israel-Flagge hissen“, stellt sich Nehammer diesbezüglich voll hinter die von seinen Vorgängern Sebastian Kurz und Alexander Schallenberg (beide ÖVP) während des Gaza-Kriegs im Mai getroffene Entscheidung.
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