Die Letzten

Im Wald aufeinander angewiesen sein

Vorarlberg
27.12.2021 10:55

In seiner Serie „Die Letzten“ porträtiert Autor Robert Schneider Menschen, die einem alten Handwerk nachgehen. Mit Alexander Kopf sprach er über das Holzrücken.

Es ist ein anchronistisches Bild: Alexander Kopf und sein Noriker Bubi ziehen Holzstämme über den gefrorenen Waldboden. Eingeschirrt, mit Zugscheit und Kette, ackert Bubi, hört und reagiert exakt auf die sanften Kommandos seines Besitzers. Aus den Nüstern dampft es. Das Pferd strengt sich mächtig an und gibt seine ganze Pferdestärke an den Baumstamm hin.

Im Zeitalter der modernen Holzernte mit Harvester, Telekran und Hubschrauber, wirken die Beiden wie aus einer alten Schwarzweiß-Fotografie ausgeschnitten und in die Landschaft gesetzt. Ein Handwerk, das vor einigen Jahren fast ausgestorben war (das Holzrücken mit Pferden), wird neuerdings vom Land wieder gefördert, weshalb Alexander Kopf und sein Sohn Dominik sechs Noriker zur bodenschonenden Holzbringung einsetzen.

„Es gibt für mich nichts Schöneres auf der Welt, als mit den Tieren draußen im Wald zu sein“, sagt Alexander Kopf und streichelt Bubi. „Wir arbeiten dort, wo andere im Leben nicht hinkommen. In diesem Land gibt es so viele versteckte Winkel.“

Er strahlt übers ganze Gesicht. Man sieht ihm die Freude an. Alexander ist gelernter Forsttechniker, führt einen Betrieb, der im Sommer sechzehn Mitarbeiter beschäftigt, unterhält einen Fuhrpark mit modernsten Maschinen. Sogar Spezialfällungen mit Hubschrauber oder Seilbahntechnik kann das Unternehmen Kopf anbieten.

Spezielle Beziehung
Am liebsten jedoch arbeitet er mit seinen Pferden. „Das ist eine spezielle Beziehung zwischen Tier und Mensch, schwer zu erklären. Im Wald sind wir aufeinander angewiesen. Wir sind wie zwei Kollegen, die einander vertrauen müssen, denn das Holzen ist ein gefährlicher Beruf. Deshalb habe ich meine Noriker von klein auf trainiert. Kurze Kommandos und vor allem ruhiges Arbeiten ist ganz wichtig. Eine Rupferei bringt da gar nichts.“

Sein Sohn Dominik (23), der dabei steht, nickt mit dem Kopf. Er hat den noch jungen Lehrgang zum Forsttechniker im väterlichen Betrieb absolviert. Die Lehre beinhaltete Themen wie die Technik von Forstmaschinen, ihre Instandhaltung, Waldkenntnis und -pflege, aber auch Vermarktung. „Unsere Rösser setzen wir in schwer zugänglichem Gelände zur Durchforstung ein. Einzelbaumentnahmen zum Beispiel, damit der natürliche Jungflug aufkommen kann. Meistens in einem Gelände, wo schweres Gerät nur Schaden im Waldboden anrichten würde. Zum Glück ist hier der Zuwachs an Wald immer noch größer als die Ernte.“

Vater und Sohn sind sich der Tradition des Holzrückens bewusst und hegen große Ehrfurcht vor den Waldarbeitern vergangener Generationen. Damals wurde noch ohne Schutzkleidung gearbeitet. Mit langen Hobelzahnsägen und Äxten haben die Knechte und Bauern in der „saftlosen Zeit“, also im Winter, die Bäume gefällt. Die Stämme wurden mit dem Sappie mittels Querhölzer und Kehrhaken auf Holzschlitten gerollt. Vielleicht kommt daher das Sprichwort „Fluchen wie ein Holzfäller“, weil die geschälten Stämme oft von Schnee oder Eis überzogen waren und auf der anderen Seite des Schlittens wieder wegrollten.

Mit den „Hornern“ ging es dann talwärts. Entweder ließ man die Holzstämme hinten schleifen, was etwas von der Wucht und Geschwindigkeit wegnahm, oder man benutzte sogenannte „Hasenschlitten“. Das war eine Konstruktion, bestehendend aus zwei kurzen Kufen mit Querverstrebung. Das Pferd zog den Stamm durch die „Leise“ im gefrorenen Schnee, während der Knecht stehend oder knieend auf dem Holzstamm Kommandos erteilte.

Kette unter den Kufen
Eine andere Möglichkeit, die Geschwindigkeit der Schlitten im steilen Gelände zur korrigieren, bestand in der „Schlüsselschere“. Im Grunde nichts anderes als eine Kette, die unter die Kufen gelegt wurde und auch während der Fahrt gelöst werden konnte.

Mitunter waren ganze Pferdegespanne mit Doppelschlitten im Einsatz. Wenn es dann an die Abfahrt ging, hatte der Fuhrknecht bis zu drei Tonnen im Kreuz. Zwei fuhren immer mit - der „Schlittler“ und der Tod. Man musste nur in einem unaufmerksamen Augenblick mit dem Fuß von der Kufe abrutschen. Dann wurde man von der ganzen Wucht unter den Schlitten gezogen und war verloren.

„Die Waldarbeit ist nicht weniger gefährlich geworden“, sagt Alexander. „Deshalb ist Ruhe und Besonnenheit wichtig. Das gilt ganz besonders bei unseren Pferden. Ich mache kleine Schritte, beginne deshalb nicht mit wuchtigen Stämmen, sondern führe das Pferd allmählich an schwerere Lasten heran. Bis es eben warm wird.“ Ob sie im Wald noch die „Holzkratzete“ aus Eier, Mehl, Milch, Salz und Schmalz über dem offenen Feuer kochen, wie das die Waldarbeiter früher getan haben, frage ich. Alexander lacht und verneint.

Ein kleines, rothaariges Mädchen eilt herbei und ruft nach dem Papa. Es ist Alexanders Töchterchen. Man sieht, dass sie friert. „Bin gleich fertig mit dem Interview“, sagt Alexander und nimmt die Kleine auf seine Arme. Er macht es so behutsam, wie er mit Bubi, dem mächtigen Noriker-Pferd umgeht.

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