Antworten auf Impf-FAQ

„Fast unmöglich, sich ungeimpft nicht anzustecken“

Coronavirus
26.11.2021 19:04

Unter jenen, die jetzt noch nicht geimpft sind, gibt es zwar radikale Impfgegner, aber auch einige Menschen, die noch Fragen, Zweifel oder Unsicherheiten haben. In einer Sonderausgabe von „Moment Mal“ waren die Virologin Prof. Heidemarie Holzmann und die Immunologin Prof. Ursula Wiedermann-Schmidt von der Medizinischen Universität Wien im krone.tv-Studio bei Damita Pressl zu Gast und haben die Fragen unserer User beantwortet. Die Antworten lesen Sie in Kurzform hier, die ausführliche Version sehen Sie im Video.

Stimmt es, dass man als Mitglied des Nationalen Impfgremiums oder als Ärztin von der Regierung, der Politik oder der Pharmaindustrie bezahlt wird, um das zu sagen, was gewünscht wird?
„Das Impfgremium ist eine ehrenamtliche Tätigkeit, die viel Zeit und Engagement erfordert. Etwaige Interessenskonflikte werden jährlich offengelegt. Wir nehmen keinerlei Honorare von Firmen an und arbeiten nicht direkt mit Firmen zusammen.“ Bei klinischen Studien gemeinsam mit der Industrie werden die Verträge mit der Universität abgeschlossen, Forscherinnen und Forscher selbst profitieren davon finanziell nicht. „Wir machen das, weil das unsere Leidenschaft und unser Beruf ist. Das muss man auch einmal akzeptieren und ich hoffe, die Menschen glauben uns, dass man auch aus dieser Motivation eine Tätigkeit ausüben kann.“

Was ist der Unterschied zwischen Kinder- und Erwachsenenimpfung?
„Die Impfung und der Inhaltsstoff ändern sich nicht. Die Formulierung wurde geändert, damit die Handhabung einfacher ist, als ein Drittel einer Dosis aus einem Fläschchen herauszuziehen - das ist im täglichen Umgang sehr unpraktisch. Außerdem kommen kindergerechte Nadeln zum Einsatz.“

Wenn ich mich oder mein Kind impfen lasse, hat das dann Auswirkungen auf weitere Schwangerschaften?
„Da gibt es viele Mythen. Es gibt wirklich gute Studien und sehr viele Anwendungsdaten, die zeigen, dass diese Impfung in der Schwangerschaft sehr sicher ist und auch empfohlen wird. Schwangere haben ein viel höheres Komplikationsrisiko bei einer Erkrankung mit Covid-19. Im Moment landen immer mehr Schwangere in den Krankenhäusern und zum Teil auch in den Intensivstationen. Teilweise kommt es sogar zum Verlust der Frucht. Wir empfehlen die Impfung ab dem vierten Monat - aber selbst bei versehentlicher Impfung im ersten Trimester gibt es keine negative Wirkung. Diese Impfung ist ja nur ganz kurz im Körper - die wird sofort wieder abgebaut und kann dem Kind nicht weitergegeben werden.“

Wie lang bleibt die Impfung im Körper?
„Wenige Tage. Das Impfstoffantigen wird sofort abgebaut. Es bleibt nur so lange, dass die Immunzellen es aufnehmen können und in die Lymphknoten bringen können, wo die Immunantwort eingeleitet wird. Danach zerfallen die Eiweißstoffe.“

Was ist, wenn ich vorerkrankt bin?
„Bei Grunderkrankungen empfehlen wir die Impfung besonders. Denn eine Grunderkrankung kann sich bei einer Covid-Infektion extrem verschlechtern bzw. kann Covid einen Schub auslösen. Daher ist es sehr wichtig, dass diese Personen geimpft werden. Es gibt ganz wenige Ausnahmen, wenn jemand etwa nachgewiesenermaßen allergisch auf einen Inhaltsstoff ist. Das ist aber äußerst selten.“ Auch bei Thrombosen oder Herzerkrankungen gilt die Impfempfehlung. Impfreaktionen, so die Ärztinnen, kann man durch fiebersenkende Mittel wie Mexalen oder Paracetamol mildern.„ Wir haben an der Medizinischen Universität außerdem eine Impfambulanz für chronisch kranke Personen.“ Hier seien auch bereits Patienten mit Krebs oder Multipler Sklerose geimpft worden: „All diese Menschen sind sehr gut durchgekommen“.

(Die Impfambulanz ist unter 0043 1 401 60 - 38 280 oder per E-Mail unter isptm-impfungen@meduniwien.ac.at zu erreichen.)

Ich habe Angst vor einer Herzmuskelentzündung.
„Das hat man als ganz seltene Nebenwirkung - etwa 6 pro Million - bei jungen Männern und beim Moderna-Impfstoff festgestellt. Diese Entzündungen sind auch sehr mild verlaufen. Das Risiko einer Herzmuskelentzündung bei einer Covid-Erkrankung ist im Vergleich sechs Mal höher. In dieser Altersgruppe wird der Impfstoff von Moderna auch nicht mehr empfohlen. Drei Tage nach der Impfung sollte man sich jedenfalls schonen, und eine Woche lang keinen Sport treiben. Das ist auch für Kinder wichtig.“

Ich warte lieber auf den Totimpfstoff.
„Alle Impfstoffe, die wir bisher haben, sind Totimpfstoffe. Da sind keine vermehrungsfähigen Viren drin. Es sind nur verschiedene Arten der Herstellung. Bei den mRNA-Impfstoffen und bei den adenovektorbasierten Impfstoffen gibt man der Zelle eben nur den Bauplan für das Spike-Protein des Coronavirus, und die Zelle baut es dann selbst und zeigt es dem Immunsystem. Bei klassischen Proteinimpfstoffen wird das Spike-Protein in einer Zellkultur vorproduziert und bereinigt und dann erst verabreicht - also nicht der Bauplan, sondern das fertige Produkt. Wir sind froh, wenn es eine weitere Möglichkeit für einen Impfstoff gibt, aber es ist nichts Anderes. In der jetzigen epidemiologischen Situation sollte man keinesfalls auf nächstes Jahr warten.“

Die Impfstoffe wurden in einem Jahr entwickelt und zugelassen. Wir wissen ja noch gar nicht, welche vielleicht schweren Nebenwirkungen in 5 oder 10 Jahren kommen. Haben Sie die Sorge, dass vielleicht doch etwas schiefgeht?
„Da habe ich keine Sorge. Unerwünschte Nebenwirkungen, die nach einer Impfung auftreten, treten rasch danach auf. Maximal ein oder zwei Monate später. Es gibt Impfungen, die nur selten angewandt werden - etwa die Gelbfieberimpfung, ein Lebendimpfstoff. Erst in den 2000er Jahren hat man entdeckt, dass es hier bei älteren Personen ein Entzündungssyndrom gibt, das aufgrund der Impfung entsteht. Das kommt aber kurz nach der Impfung! Man hat nur den Zusammenhang nicht gesehen, weil die Nebenwirkung so selten ist, dass es lange gebraucht hat, bis genug Menschen geimpft waren, dass man das sehen konnte. Das ist bei den jetzigen Impfstoffen nicht der Fall: die Technologien sind nicht neu und die Zulassungsstudien sind groß. Wir hätten auch die seltensten Nebenwirkungen schon gesehen.“

Warum soll ich mich mit der Impfung dem Risiko einer Thrombose aussetzen, wenn bei der Covid-Erkrankung die meisten Menschen einen milden Verlauf haben?
“Das Risiko einer Thrombose ist bei einer Coronavirus-Infektion deutlich höher, als bei der Impfung. Auch bei den seltenen Thrombosen, die aufgetreten sind, weiß man, mit welchem Impfstoff und in welcher Altersgruppe diese auftreten - auch hier wurden die Empfehlungen etwas angepasst - und man kennt inzwischen das Krankheitsbild und den Verlauf, damit man richtig behandeln kann. Außerdem hängt das Risiko einer Impfung im Vergleich zu einer Erkrankung natürlich maßgeblich von der epidemiologischen Lage ab. Das heißt: je mehr Infektionen stattfinden, desto größer ist das Risiko, mich zu infizieren. Momentan ist die Lage so akut, dass es fast unmöglich ist, als Ungeimpfter nicht infiziert zu werden.“

Ich bin genesen und habe immer noch einen hohen Antikörperwert. Warum sollte ich mich impfen lassen?
„Auch Genesene können sich mit einer neuen Virusform wieder infizieren, denn das Virus mutiert. Der zweite Punkt ist: es ist keine wirkliche Interpretation der Antikörpertests möglich, weil wir nicht genau sagen können, ab welchem Wert jemand gut geschützt ist. Durchbrüche sind trotz bestehender Antikörper möglich. Die Werte bei den Tests sind nicht vergleichbar und daher kann man keinen Wert definieren, ab dem man sich keine Sorgen machen muss. Individualmessungen können also fehlinterpretiert werden. Die Empfehlungen werden auf Basis großer Studien für alle getroffen.“

Gibt es Genesene in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen?
„Diese Daten hätten wir auch gern. Natürlich ist der Verlauf in der Regel milder, wenn man die Krankheit bereits durchgemacht hat. Es kommt aber auf die Vorerkrankung an. Alte Personen mit vielen Grunderkrankungen haben eher einen schweren Verlauf, auch Übergewicht ist ein Risikofaktor. Aber die Kollegen berichten, dass 80% der Intensivpatienten Ungeimpfte sind.“

Warum spricht man von „Vollimmunisierung“, wenn die Impfung keinen hundertprozentigen Schutz bietet?
„Die Aufgabe einer Impfung ist es, eine Krankheit zu verhindern oder ihren Schweregrad zu mildern. In Kontakt mit dem Virus kann man trotzdem kommen. Die zwei Impfungen am Anfang bieten eine Grundimmunisierung; aus dem echten Leben wissen wir inzwischen, dass dann die Antikörper abnehmen und die Infektionen wieder zunehmen. Dann braucht es also einen Booster. All das gehört zu einer kompletten Impfserie.“

Wieso sind die Infektionszahlen jetzt, wo es die Impfung gibt, so hoch, wie in der ganzen Pandemie noch nicht?
„Wir haben es jetzt mit einem aggressiveren Virus zu tun, als am Anfang. Das macht epidemiologisch einen Unterschied. Die Impfung bietet einen Schutz von rund 90%. Es gibt relativ wenige Impfdurchbrüche und die meisten davon sind mild. Aber je mehr Leute geimpft sind, umso eher sieht man Impfdurchbrüche.“

Wie häufig wird eine Impfung nötig sein?
„Es wird sehr viel davon abhängen, ob sich das Virus weiter verändert. Mit zwei Impfungen und einer Auffrischung ist man gut geschützt; die Frage ist aber, ob sich das Virus verändert und wir deswegen auffrischen müssen. Das hängt aber wieder von der Bevölkerung ab: Wenn sich möglichst viele impfen lassen, kann man die Weitergabe des Virus reduzieren und verhindern, dass sich neue Mutanten bilden. Das Virus wird uns sicher bleiben, aber wenn wir alle einmal damit in Kontakt waren, wird es vielleicht ein ganz normales Schnupfenvirus.“

Schützt die Impfung vor der neuen Variante, die in Südafrika aufgetaucht ist?
„Geimpft ist sicher besser als ungeimpft. Aber die Daten sind ganz neu, das kann man noch nicht sagen. Der Vorteil der mRNA-Impfstoffe ist aber, dass diese sehr rasch adaptiert werden können.“

Was sagen Sie zu Kollegen in der Medizin, die völlig anderer Meinung sind?
„Wir versuchen, evidenzbasiert zu arbeiten. Wir schauen uns die Studien an und bleiben bei diesen Erkenntnissen. Wir beschäftigen uns seit 30 Jahren mit Impfstoffen und Viren. Das ist unsere Kernkompetenz. Manchmal verlassen Kollegen den Weg der Evidenz und haben andere Meinungen. Natürlich gibt es immer wieder neue Erkenntnisse, und man muss nachkorrigieren - aber solche Diskussionen sollte man hinter der Kamera führen. Diskussionen unter Fachleuten vor Publikum zu führen - das hat nichts zur Folge, außer einer fürchterlichen Verunsicherung.“

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