12:1 für die Herren

Fast nur Männer verhandeln die neue Koalition

Oberösterreich
07.10.2021 17:00

Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte: Das Foto vom ersten Zusammentreffen der Regierungsverhandler von ÖVP und FPÖ (oben) am Dienstag in Linz - 12 Männer (einer verdeckt auf der FPÖ-Seite) und nur eine Frau - zeigt, was es im Jahr 2021 längst nicht mehr geben dürfte: Wenn es ums Eingemachte, hier ein Arbeitsprogramm in der Landesregierung, geht, dann haben fast nur Männer das Sagen. Da hat sich (nicht nur fotografisch) seit der Zeit vor Landtagswahl 2015 wenig geändert, trotz des damaligen zukunftsorientierten ÖVP-Slogans vom Weiterdenken und Weiterbringen.

Die einzige Frau am Tisch der Verhandler, ÖVP-Politikerin Christine Haberlander, räumt ein, dass ein solches Foto – das übrigens deckungsgleich wie das unsere auch von der ÖVP selbst ausgesendet wurde – eine entsprechende Signalwirkung habe: „Persönlich wünsche ich mir mehr Frauen in der Politik, auch in der Spitzenpolitik. Bilder davon können dann auch Vorbilder sein“, so Haberlander zur „Krone“.

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Die FPÖ OÖ ist auch ohne Frau im Verhandlungsteam eine aufgeschlossenere und vernünftigere Partei als jede andere.

Rosa Ecker, Landesobfrau der FPÖ-Frauen

„Es ist trotzdem ärgerlich“
Wie kommt das Foto bei Doris Hummer an, die 2015 vom eigenen ÖVP-Vorstand als Landesrätin abgewählt (damit kein „Bauernopfer“ nötig wurde), von Christoph Leitl aber umgehend für Wirtschaftskammer und Wirtschaftsbund in Stellung gebracht wurde? Es schmerze sie, weil es ja viele politisch gewichtige Frauen in der ÖVP gebe, zum Beispiel – neben Haberlander und Hummer selbst Claudia Plakolm (JVP) oder Michaela Langer-Weninger an der Spitze der Landwirtschaftkammer: „Das ist zwar wichtiger als ein Foto, es ist trotzdem ärgerlich.“

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Solche Bilder schmerzen, weil gerade bei uns in der ÖVP viele Frauen an vorderster Front die Inhalte mitgestalten.

WKOÖ-Präsidentin Doris Hummer

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Mit Christine Haberlander ist die stärkste Stimme, die man sich als Frau wünschen kann, als Hauptverhandlerin am Tisch.

JVP-Bundeschefin Claudia Plakolm

Auch bei Plakolm haben wir nachgefragt, wie die Fast-nur-Männerriege auf dem Foto bei ihr ankommt: „Das Verhandlungsteam handelt im Auftrag des ÖVP-Landesparteivorstands, dort sind elf von 24 Mitgliedern Frauen. Wichtig ist, welche Ergebnisse am Ende der Verhandlung stehen und wie das Regierungsprogramm für die nächsten sechs Jahre aussieht.“ Und die JVP-Chefin zeigt personelle Defizite anderswo auf: „In der Landesregierung sind aktuell nur bei ÖVP und SPÖ weibliche Regierungsmitglieder vertreten. Sowohl bei der FPÖ, als auch bei den Grünen ist dringender Handlungsbedarf, auch Frauen in Führungspositionen zu stärken!“

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Ich bin fassungslos. An den beiden Parteien dürften die letzten 150 Jahre Emanzipation spurlos vorübergegangen sein.

SPÖ-Frauenchefin Renate Heitz

„Gehässiger Umgang“ als Hindernis
Wie sieht das FPÖ-Frauenchefin Rosa Ecker, die selbst im Nationalrat ist? „Die FPÖ OÖ ist sehr engagiert dabei, Frauen für politische Arbeit zu begeistern. Die Landesliste, aber auch die Besetzung der politischen Büros zeigen, dass diese Bemühungen erfolgreich sind. Leider ist es gerade durch den oft fragwürdigen, ja oft gehässigen Umgang mit der FPÖ und ihren Persönlichkeiten im politischen Alltag noch nicht so weit, dass diese Arbeit auch in der ersten Reihe Früchte trägt. Ich kann Ihnen als Frau aber garantieren, dass Dr. Haimbuchner und sein Verhandlungsteam Fraueninteressen genauso vertreten wie Männerinteressen.“

Polit-Suchbild:
Finde die Frauen Gebetsmühlenartig wiederholt sich vor jeder Wahl der zur Floskel verkommene Satz: Frauen entscheiden die Wahl. So auch heuer in Oberösterreich, wo 51 Prozent der Wahlberechtigten weiblich waren. Fakt ist aber: Während Frauen den Wahlausgang bestimmen, entscheiden immer noch Männer über ihre Zukunft.

Hörbare Aufschreie
2015 sorgte Altlandeshauptmann Josef Pühringer für medial hörbare Aufschreie, nachdem er die einzige Frau aus seinem Team gegen einen Mann „eintauschte“. Sechs Jahre und eine Wahl später zeigt sich ein ähnliches Spiegelbild unserer politischen Gesellschaft - und zwar bei so gut wie jeder der etablierten Parteien: Männer, die an großen langen Tischen sitzen und über die Entwicklung unseres Bundeslandes debattieren. Auch die als wahrscheinlich geltende schwarz-blaue Verlängerung wird an den festgetrampelten, männlichen Polit-Pfaden wenig ändern. Die einzige Frau, die hier die Stellung hält, ist Christine Haberlander.

Um ein Fünftel weniger
Was sonst noch unverändert geblieben ist: Nach wie vor verdienen vollzeitbeschäftigte Frauen um ein Fünftel weniger als die Männer, übernehmen zu 85 Prozent oder mehr die Pflege von Kranken oder Alten und erhalten bis heute um 40 Prozent weniger Pension.

Es geht um Fairness
Nein, es geht hier nicht alleinig um Frauenquoten, es geht um Fairness. Jetzt kann uns die künftige Landesregierung ja zeigen, dass es dazu keine Quoten braucht. Oder?

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