„Molotov Rocktail“

Bokassa: Rockiges Freischaufeln vom Vitamin B

Musik
14.09.2021 06:00

Nachdem Metallica-Drummer Lars Ulrich die Norweger Bokassa kennen- und liebengelernt hat, befanden sie sich für einen Sommer im internationalen Rock-Himmel. Nun gilt es aber, diese Vorschusslorbeeren zu bestätigen. Ein nicht unbedingt einfaches Unterfangen, wie uns Sänger Jørn Kaarstad im „Krone“-Talk vermittelte.

(Bild: kmm)

In Österreich wissen wir es bekanntlich besser als vielleicht sonst wo: mit der richtigen Dosis Vitamin B und einer ordentlichen Portion Protektion kann man einen kräftigen Karriereboost hinlegen. Die Trondheimer von Bokassa haben ihren Platz an der Rock-Sonne zwar noch nicht ganz gefunden, aber der Einstieg ins Business war schon mal mehr als vielversprechend. Niemand Geringerem als Metallica-Schlagzeuger Lars Ulrich wurde das Trio auf irgendwelchen Spotify-Playlists zugespült und der dauerquasselnde Taktstockgeber hat, als Chef geht das ja locker, der Truppe gleich einen Opener-Slot bei deren „WorldWired“-Stadiontour angeboten, wo sich Frontmann Jørn Kaarstad, Bassist Bård Linga und Drummer Olav Dowkes quasi über Nacht in mächtigen Rundungen wie dem dem Wiener Happel-Stadion befanden. Das ist ziemlich genau zwei Jahre und damals begeisterte man mit dem Zweitwerk „Crimson Riders“ die norwegischen Fans, die das Album auf Platz 20 der Charts hievten.

Neue Marienerscheinung
Wenig später kam noch die „Newcomer“-Nominierung für den populären Spellemannprisen dazu und weniger Reflektierte hatten da wohl schon an eine neue Marienerscheinung am skandinavischen Rock-Firmament geglaubt. Ganz so schnell ging es dann doch nicht. Einerseits hat die unsägliche Pandemie den Erfolgslauf Bokassas gewaltig eingebremst, andererseits ist Ulrich ein zugegeben leicht begeisterungsfähiger ewig Jugendlicher, dessen Geschmack nicht automatisch den der Masse trifft. Die Reaktionen auf das Wien-Konzert lassen jedenfalls vermuten, dass den Metallica-Hardlinern noch so einiges zur Bokassa-Liebe fehlt. Ob sich das mit dem druckfrischen dritten Album „Molotov Rocktail“ ändern wird, bleibt zu bezweifeln. Bokassa mischen immer noch geschickt Schweine-Rock mit Stoner-Zitaten, Punk-Attitüde und 90er-Alternative-Liebe, aber einen roten Faden oder eine kongruente Linie sucht man immer noch verzweifelt.

Manchmal ergeht man sich in Mitsing-Hymnen, dann versucht man den landesüblichen Black-Metal-Gaul zumindest in vereinzelten Sound-Derivaten von hinten aufzuzäumen und zwischendurch weiß man nicht genau, ob man auf dem glitschigen Rock-Kabarett-Terrain wandelt oder die drei inbrünstigen Spaßvogel alles auch wirklich ernst meinen. Das kann durchaus Kalkül sein, so ganz auf geht es aber nicht. Vor allem dann nicht, wenn man in Songs wie „Pitchforks R Us“ durch vier Genres auf einmal wandelt und das Hörvergnügen malträtiert. Weniger ist nicht nur manchmal mehr. Ein Track wie „Hereticules“ wiederum zeigt, dass es meist dann am besten geht, wenn man Vorsätze möglichst ganz über Bord wirft und die Punk-Attitüde mit der Mastodon-Schlagseite ins Zentrum rückt. Dass sich Kaarstad textlich einmal auf Weezer besinnt, ist ganz sicher kein Zufall. Die Studenten-Rocker um Rivers Cuomo sind ja durchaus auch bekannt für das hasenartige Hakenschlagen zwischen allen Stilfeldern.

Zwischen Politik und Humor
„Viele Songs von uns beschäftigen sich mit Tod und Gewalt, andere gehen in eine eher fantasievolle, humoristische Ecke“, erklärt der Sänger der „Krone“ im Interview. Interessant ist vor allem, dass sich die Band nach dem afrikanischen, hierzulande nicht übermäßig bekannten Diktator Jean-Bédel Bokassa benannt hat. „In der westlichen Welt herrscht die Tendenz, alle möglichen Gräueltaten, die so auf der Welt passieren zu vergessen und zu verdrängen. Alles, was außerhalb Europas und den USA passiert, kommt in unseren Köpfen nicht an. Der Name wurde mitunter deshalb gewählt, damit wir nicht so oft vergessen und verdrängen.“ Als politische Band wie etwa Bad Religion oder Propagandhi sieht der Sänger seine Band trotz der immer wieder deutlich hervorgekehrten Systemkritik nicht. „Diese Bands haben sich ganz gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeiten verschrieben, damit will ich mich eigentlich nicht messen.“

Augenscheinlich bei Bokassa ist die offene Liebe zum Pop. Während andere Bands aus dem härteren Rock- oder Metal-Sektor betucht darauf sind, nur ja nicht zu viele nachvollziehbare Rhythmen einzubauen, suhlt sich das Trio mitunter wohlig in schönen Melodien. „Ins Radio zu kommen ist kein Ziel, aber ich bin mit Bands wie Blink-182, Bad Religion oder den Wonder Years aufgewachsen. Dort gibt es viele catchy Refrains, die als Inspiration sicher auch in unsere Musik gefunden haben. Stilbeschreibungen sind immer schwierig, aber am Ende machen wir wohl Stoner-Punk.“ Besser als zu Metallica passen Bokassa mit ihrem Sound jedenfalls zu den Landsmännern von Kvelertak, Everytime I Die, Clutch oder Comeback Kid, auch wenn die Hardcore-Kante auf „Molotov Rocktail“ im Vergleich zu früher deutlich zurückgefahren wurde.

Lektionen gelernt
Bokassas Heimatstadt Trondheim verfügt über eine reichhaltige Black-Metal-Historie, der sich Kaarstad und Co. aber locker entziehen konnten. „Black Metal war nie mein Sound. Ich mag Bands wie Mayhem oder Satyricon, war aber immer im Punk oder im Stoner Rock verwurzelt. Bei mir ging es vom Skate-Punk zu Millencolin, den Satanic Surfers, Venerea und dann zu Fu Manchu.“ Etwas geerdet mit der nötigen Entfernung zu den legendären Metallica-Shows sind Bokassa nun vorläufig wieder auf dem Boden der Realität angekommen und werden sich, so die Pandemiebestimmungen es zulassen, durch die schweißnassen Clubs Europas kämpfen müssen, um auch ohne die prominente Schirmherrschaft der größten Metalband der Welt zu reüssieren. „Bei den Metallica-Gigs haben wir viel gelernt, dort sollte man nichts versauen“, lacht der Sänger, „unsere Lernkurve ist sehr scharf, aber wir sind bereit, diese Strecke weiter zu befahren.“

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