Terrorprozess in Wien

„Augenzeuge“ schilderte IS-Gräueltaten in Syrien

Wien
19.07.2021 18:19

In dem seit 7. Juli in Wien laufenden Terrorprozess gegen zwei mutmaßliche Kämpfer der radikalislamischen Terrormiliz Islamischer Staat, ihre beiden Ehefrauen und den in einem vorangegangenen Verfahren zu 20 Jahren verurteilten früheren „Hassprediger“ Mirsad O. hat am Montag ein im Zeugenschutzprogramm befindlicher „Kronzeuge“ der Anklage ausgesagt. Der gebürtige Tschetschene hatte sich 2013 nach Syrien begeben und dort als Mitglied der Freien Syrischen Armee unter anderem Funksprüche des IS abgehört. Mithilfe des Zeugen will die Staatsanwaltschaft beweisen, dass es sich beim Hauptangeklagten Turpal I. um einen früheren Schlächter im Dienste der Terrormiliz handelt.

So soll I. unter anderem an der Erschießung von Bewohnern eines Hochhauses in der nordsyrischen Stadt Hraytan beteiligt gewesen sein. Laut Anklage soll I. unter dem Kampfnamen Abu Aische sogar die verantwortliche IS-Kampftruppe angeführt und das Massaker angeordnet haben. Der „Kronzeuge“ kämpfte in seiner Einvernahme mit Erinnerungslücken: „Ich habe sehr viel vergessen, es ist viele Jahre her.“ Außerdem habe man „lange genug mit mir gearbeitet, damit ich diese Ereignisse vergesse“, meinte der Mann offenbar unter Verweis auf eine psychotherapeutische Behandlung.

Er berichtete von Gräueltaten des gegnerischen IS, die er über Funk bzw. ein Fernglas mit Nachsichtgerät aus einer gewissen Entfernung mitbekommen habe: „Es gab auch schwangere Frauen, die getötet wurden. Ich war schockiert. Ich kann mich an die Einzelheiten jetzt nicht erinnern. Das ist schon sehr lange her, und ich werde auch immer älter.“

Zur Frage, ob Abu Aische mit dem Hauptangeklagten Turpal I. ident ist, hatte der „Kronzeuge“ im Ermittlungsverfahren zunächst erklärt, I. sei „bei Abu Aische“ gewesen. Zehn Tage später identifizierte er dann I. anhand eines Fotos als Abu Aische. Diesen Widerspruch erklärte der Zeuge vor Gericht mit einem Protokollierungsfehler. Von den Geschworenen explizit gefragt, ob er in dem Hauptangeklagten Abi Aische wieder erkenne, wurde der Zeuge in der Verhandlung nicht.

Hauptangeklagter sieht Verwechslung
Der Hauptangeklagte sieht sich als Opfer einer Verwechslung und will in Syrien lediglich das Grab seines im Syrien-Konflikt gefallenen Schwagers besucht haben. Für den mehrfachen österreichischen Meister im Taekwondo hatten im November 2018 in Weißrussland die Handschellen geklickt. Er kam in Auslieferungshaft, im darauf folgenden Frühjahr wurde der Tschetschene der österreichischen Justiz übergeben. Am 24. April 2019 verhängte das Landesgericht Graz über den Terror-Verdächtigen die U-Haft.

Am 5. Mai 2021 musste er enthaftet werden, weil die U-Haft laut Strafprozessordnung (StPO) zwei Jahre nicht übersteigen darf, falls bis dahin keine Anklageschrift eingebracht wurde und keine Hauptverhandlung begonnen hat. Das gilt selbst dann, wenn der Betroffene - wie im vorliegenden Fall - eines Kapitalverbrechens verdächtigt wird, das mit einer mehr als fünfjährigen Freiheitsstrafe bedroht ist (§178 Abs 1 2. Fall StPO). I. erschien daher zu seinem Prozess stets auf freiem Fuß - auch am Montag.

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