Zum Betäuben

Arznei aus Tirol für Exekutionen in den USA?

Österreich
10.02.2011 07:07
Seit der einzige zugelassene US-Hersteller eines Gifts, das für die Exekutionen in den USA benötigt wird, im Oktober 2010 die Produktion des Stoffes eingestellt hat, mussten zahlreiche US-Staaten die Vollstreckung von Todesurteilen umplanen. Wie jetzt bekannt wurde, soll seit damals ein von dem Novartis-Tochterkonzern Sandoz in Tirol erzeugtes Narkosemittel in den USA für Hinrichtungen verwendet werden, um Häftlinge vor der Gabe tödlicher Substanzen zu betäuben. Sandoz distanziert sich von den Praktiken.

525 Gramm Thiopental seien laut dem ORF im Herbst 2010 um umgerechnet 27.560 Euro an die US-Justizbehörden geliefert worden. Damit könne man 100 Personen vor der Hinrichtung betäuben, sodass sie die Wirkung einer zweiten Spritze mit einem Atem- und Herzlähmungsmittel nicht mehr spüren. Allerdings soll der Thiopental-Verkauf nicht direkt, sondern über den britischen Zwischenhändler Archimedes abgewickelt worden sein, wo die US-Justizbehörden vergangenes Jahr fündig geworden seien, hieß es in dem Bericht.

Konzern ist sich keiner Mitschuld bewusst
Sandoz mit Sitz im Tiroler Kundl Sandoz hat die Herstellung von Thiopental verteidigt. Von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werde die Arznei als "essential drug" klassifiziert. Man könne zudem nicht bestätigen, dass das in den USA verwendete Mittel tatsächlich von Sandoz stamme. Es sei nicht möglich, die gesamte Lieferkette zu kontrollieren. Es würden jedoch alle Niederlassungen angewiesen, das Mittel künftig nicht an die Vereinigten Staaten zu verkaufen. Die Arznei werde auch nicht an Großhändler oder Drittkunden ausgeliefert, die es wiederum in die Vereinigten Staaten liefern könnten. Sandoz vermarkte injizierbares Thiopental in 50 Ländern weltweit, allerdings nicht in den USA und in Großbritannien.

Sandoz und Novartis würden zudem "ausschließlich die für injizierbares Thiopental vorgesehene und zugelassene Anwendung im Bereich der Anästhesie unterstützen" und sich "ausdrücklich gegen eine Anwendung dieses und auch jedes anderen Arzneimittels für nicht zugelassene Behandlungen" aussprechen. Injizierbares Thiopental Sodium werde zur Einleitung einer Anästhesie oder Kurzzeitnarkose intravenös verabreicht und komme auch bei behandlungsresistenten Epilepsien zum Einsatz.

"Todesstrafe widerspricht europäischem Wertekanon"
Gesundheitsminister Alois Stöger erklärte, eine missbräuchliche Verwendung des Mittels müsse ausgeschlossen werden - ein Exportverbot sei in Österreich aus rechtlichen Gründen allerdings nicht möglich. Man habe bereits vor längerer Zeit an Sandoz appelliert, allfällige derartige Geschäfte nicht zu tätigen. Die Todesstrafe widerspreche dem europäischen Wertekanon. Auch der deutsche Gesundheitsminister Philipp Rösler hat erst kürzlich an die deutsche Pharmaindustrie appelliert, Anfragen aus den USA zur Lieferung von Thiopental nicht zu entsprechen. Sein Ministerium prüfte auch ein Ausfuhrverbot, fand jedoch ebenso keine rechtliche Möglichkeit dafür.

Einer von drei Giftcocktail-Bestandteilen
Das Mittel Natrium-Thiopental ist einer von drei Bestandteilen des tödlichen Giftcocktails, den Todeskandidaten bei den durchschnittlich 55 Vollstreckungen im Jahr bekommen. Das US-Unternehmen Hospira aus dem US-Bundesstaat Illinois, das die Produktion in den USA mittlerweile eingestellt hat, stellt Thiopental derzeit in einem Betrieb nahe Mailands her. Doch laut dem Unternehmen habe Rom im Dezember 2010 die Ausfuhr des Medikamentes in die USA auf Betreiben mehrerer Parteien verboten, eben weil es dort zu Hinrichtungen verwendet werde. In Großbritannien wiederum muss seit vergangenem Dezember bei einer Ausfuhr nachgewiesen werden, dass das Mittel ausschließlich für medizinische Zwecke eingesetzt wird.

Die Knappheit des Mittels hatte im vergangenen Jahr bereits dazu geführt, dass in Oklahoma ein Mörder mit Pentobarbital, das chemisch mit einem sonst zum Einschläfern von Tieren verwendeten Medikament verwandt ist, hingerichtet wurde. Todeskandidaten in dem Bundesstaat erhoben nun Einspruch gegen die Verwendung von Pentobarbital. Der Einsatz dieses Mittels sei inhuman, da es Menschen lähmen könnte, die dann aber noch bei Bewusstsein seien, wenn ein weiteres Mittel verabreicht werde, das schließlich zum Herzstillstand führe, hieß es.

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